Donnerstag, 8. Januar 2009
Früher Kaiserschnitt ist riskanter
Im New England Journal of Medicine, ist heute eine große Studie erschienen, in der mehr als 24.000 Kaiserschnitt-Geburten ausgewertet wurden.

Die Studienautoren wollten die Frage klären, ob es Unterschiede gibt, wenn der Entbindungstermin in der 37., 38. oder 39. Schwangerschaftswoche gewählt wird. Bei allen Geburten handelte es sich um komplikationsfreie Einzel-Schwangerschaften ohne medizinischen Grund für einen früheren Entbindungstermin.
13.250 dieser Geburten wurden als Termin-Kaiserschnitte - vor Einsetzen der Wehen - geplant. Davon wurden mehr als ein Drittel (36%) vor der 39. SSW - angesetzt.

Geburt durch Kaiserschnitt

Diese Vorverlegung ist - wie sich zeigte - riskant:
Das Risiko für künstliche Beatmung, Neugeborenen-Sepsis, Hypoglykämie, Einweisung auf die Neugeborenen-Intensivstation und Krankenhaus-Aufenthalt von mehr als fünf Tagen stieg um das bis zu vierfache, wenn die Geburt in der 37. SSW und um das zweifache, wenn sie in der 38. SSW angesetzt wurde.

Bei den Babys, die in der 39. SSW geboren wurden, kam es bei 3,4% zu Problemen mit der Atmung. Das steigerte sich auf 5,5% in der 38. SSW und erreichte in der 37. SSW einen Wert von 8,2%.
Normalerweise haben diese Probleme keine bleibenden Schäden zur Folge, dennoch erhöhen sie das Risiko, dass ein Neugeborenes intensivmedizinisch betreut werden muss.
Früher entbundene Babys waren zudem häufiger von Infektionen betroffen.

Obwohl die kindliche Entwicklung mit der 37. SSW für abgeschlossen angesehen wird, zeigten sich also beträchtliche Unterschiede.

Der Hauptgrund, warum der Geburtstermin so früh eingesetzt wurde, ist nach Auskunft der Studienautoren die Befürchtung, dass der Wunschdoktor zeitlich nicht verfügbar sein könnte - und im Falle von spontan einsetzenden Wehen "irgendein" anderer Geburtshelfer einspringen müsste.

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Dienstag, 6. Januar 2009
Pneumokokken-Impfstoff ohne Wirkung
…lautet ein Artikel in der heutigen Ausgabe des Deutschen Ärzteblatt - online .

Dass Impfungen bei älteren Menschen schlecht und oftmals gar nicht wirken, hatte sich zuletzt am Beispiel der Grippe-Impfung gezeigt. Nun untersuchte ein Wissenschaftler-Team der Universität Bern alle zuverlässigen Belege für eine Wirksamkeit der Pneumokokken-Impfung und kam zu einem ähnlichen Resultat - diesmal sogar für alle Erwachsenen: Es gibt keine Hinweise, dass diese Impfung vor Lungenentzündung schützt. Sie bietet auch keinen Überlebensvorteil.

Bei diesem Impfstoff handelt es sich nicht um den bekannten Baby-Impfstoff Prevenar, sondern um den seit rund 60 Jahren verwendeten Polysaccarid-Impfstoff, der laut Hersteller-Angaben vor 23 Bakterientypen schützt. Gerade gegen jene Pneumokokken-Arten, denen die schweren Erkrankungen zugeschrieben werden.


Vorangegangene Analysen waren zu widersprüchlichen Resultaten gekommen. Zwar fanden sie ebenfalls keine Schutzwirkung vor Lungenentzündung – und keinerlei günstigen Einfluss auf Allgemeingesundheit und längeres Leben. Dafür wurde der Impfung aber ein enormer schützender Einfluss vor invasiven Pneumokokken-Erkrankungen attestiert.

Und dies genügte, um die Impfung immer weiter zu empfehlen, auch wenn so ein Effekt in der Realität vollständig unlogisch ist: denn die so gefährlichen invasiven Pneumokokken-Erkrankungen würden sich ja wohl in einer höheren Pneumonie-Rate und auch in einem höheren Sterberisiko niederschlagen.
Gerade davor jedoch schützt die Impfung aber eben nicht.

Matthias Egger vom Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern versuchte dieses Rätsel zu klären. Er unterzog mit seinem Team jede einzelne der Impftoff-Studien einer strengen Prüfung und schloss zwei davon wegen schwerer methodischer Mängel aus seiner Meta-Analyse aus. Die eine stammte aus dem Jahr 1947 und wurde in New York, die andere 1977 auf Papua Neuguinea durchgeführt.

Damit klärte sich nun der eigenartige Widerspruch auf.
Und es ergab sich: kein Schutz - keine Wirkung - kein längeres Überleben.

Für die Behörden ist dies bislang - trotz Kenntnis der Schweizer Arbeit - kein Grund, ihre Empfehlungen für die Impfung zu ändern.

Mich erinnert dieses Phänomen abermals an die Influenza-Impfdebatte.

Auch hier zeigte Studie um Studie, dass die Impfung zwar nicht vor Grippe schützt, dafür aber einen ungeheuer positiven Einfluss auf alle möglichen anderen Krankheiten - von Diabetes bis zum Osteoporose-Risiko hat.

Bis dann unabhängige Analyse dieser Arbeiten zeigten, dass die bisherigen Studien - bewusst oder unbewusst - einem gewaltigen methodischen Fehler aufgesessen waren:

Die Wissenschaftler hatten den Effekt unterschätzt, dass sich gesundheitsbewusste und fitte Menschen häufiger Grippe-Impfen lassen, Menschen mit ungesundem Lebensstil und chronisch Kranke aber meist auf die Impfung pfeifen.
Mit diesem Methodischen Fehler erklärten sich dann auch die unlogischen Ergebnisse der Grippe-Impfstudien.

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Mittwoch, 31. Dezember 2008
Happy New Year
Allen Freunden, auch solchen, die mich bisher "nur" über meine Bücher oder Artikel kennen.

Viel Spaß mit diesem nostalgischen Wiedersehen:



(Filmtipp: "Mamma Mia" - meine Frau und meine Töchter waren entzückt ;-) )

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Freitag, 19. Dezember 2008
A shocker for rockers!
headbanger
Alle Jahre wieder bringt das British Medical Journal seine Faschingsausgabe vor Weihnachten und widmet sich darin den elementaren ungelösten Problemen der Medizin. Etwa den Gefahren, welchen "Headbanger" bei Heavy Metal Konzerten ausgesetzt sind, oder der Frage, ob Coca Cola als Verhütungsmittel taugt.


Die Forscher haben keine Strapazen gescheut. Declan Patton und Andrew McIntosh von der Universität von New South Wales in Australien besuchten für ihre Studie mehrere Hardrock-Konzerte, darunter jene so bekannter Rabauken wie Motörhead, Ozzy Osborne und Skid Row und studierten dabei die Technik des Headbangens. Sie wollten klären, ob bei exzessiver Auslegung dieser Tätigkeit tatsächlich traumatische Hirnverletzungen, Gehörverlust oder ein Schlaganfall drohen. Dazu studierten sie den genauen Bewegungsablauf und übertrugen diese per Computer-Simulation auf Crash Test Dummys, wie sie bei Auto-Sicherheitstests verwendet werden.

Bereits bei einer Frequenz von 130 Kopfschüttlern pro Minute beginnt die kritische Phase mit einem deutlich erhöhten Risiko, dass dabei im Hals/Nacken-Bereich Verletzungen auftreten. Der Durchschnitt der für ein rhythmisches Mitshaken nötigen Beat-Frequenz liegt aber mit 146 Schlägen pro Minute deutlich höher. Und damit zeigte sich das enorme Ausmaß der Bedrohung.
Gesteigert wird dies noch, wenn der Kopf bei seiner wüsten Berg- und Talfahrt einen Winkel von mehr als 75 Grad überschreitet. Als abschreckenden Höhepunkt nennen die Australier den Song "Kickstart My Heart" von Mötley Crüe, der sich durch 180 Beats pro Minute und einem Schleuderwinkel von bis zu 120 Grad auszeichnet. "Das übersteigt die Grenzen der menschlichen Körpertoleranz bei weitem", warnen sie.

Doch die Wissenschaftler wären keine verantwortungsvollen Mediziner, wenn sie nicht auch ein paar gute Tipps und Präventionsmaßnahmen ausgeknobelt hätten.
So regen sie an, das Musikprogramm der Auftritte zu ändern und anstelle von Heavy Metal besser Nummern von Enya, Michael Bolton oder Celine Dion zu spielen. Hier läge das Risiko nahe null. Auch musikalische Erziehungskampagnen für die Jugend - geleitet beispielsweise von Cliff Richard - wären denkbar.

In einem weiteren Studien-Beitrag widmete sich die Gynäkologin Deborah J. Anderson von der Boston University der in der Vor-Pillen-Ära weit verbreiteten Methode, Spermien durch eine Vaginaldusche mit Coca Cola abzutöten und damit Schwangerschaften zu verhindern. Diese Methode, so Anderson, sei unter anderem deshalb so beliebt gewesen, weil die klassische Coca-Cola Flasche einen idealen "Shake and Shoot"-Applikator darstelle.
Ob die Methode noch immer angewendet wird, sei schwer zu eruieren, in Ressourcen-schwachen Sozialschichten aber durchaus wahrscheinlich.

Anderson mixte also Cola und Sperma in einem Verhältnis von 5 zu 1 und analysierte den Effekt.
Dabei zeigte sich, dass es eine ganze Minute brauchte, bis die Samen bewegungsunfähig waren. Toxikologische Zusatztests ergaben, dass die spermizide Wirkung von Cola wesentlich schwächer war, als erwartet. Bis die Lähmungskraft von Cola voll einsetzt, wären die Spermien demnach schon längst durch den Zervixkanal entkommen.
Anderson rät aber nicht nur aus Gründen der sicheren Verütung von der Methode ab. Denn auch wenn Cola nicht vor Schwangerschaft schützt, sei das Gebräu doch alles andere als harmlos. "Es mag sein, dass Cola gut dafür geeignet ist, alte Wagenheber zu entrosten, doch für das Vaginalgewebe ist diese Chemikalie ungeeignet. Sie kann die oberen Zellschichten schädigen und das Risiko von Geschlechtskrankheiten erhöhen."

Schließlich bestehe noch die Gefahr, dass Cola-kontaminierte Spermien, die es dennoch zum Eisprung schaffen, einen inneren Schaden davontragen, – mit ungewissen Folgen für den daraus hervorgehenden Nachwuchs. "Da Coca Cola das Rezept des Getränks streng geheim hält, konnten hier noch keine wissenschaftlichen Tests vorgenommen werden, die eine potenzielle Schädigung des Erbgutes ausschließen."

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Donnerstag, 18. Dezember 2008
Sie wollen nur unser Bestes
Beim Streit um Gesundheitsreform, Pensionserhöhung, Pflegegeld oder "Hacklerregelung" wurde um jeden Euro gefeilscht, bis sich die Regierungskoalition in Österreich selbst sprengte. Bei den Banken wird nun nicht mehr gekleckert, sondern ungeniert geklotzt.
Das inspirierte Attac zu einem netten Spot.

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Mittwoch, 10. Dezember 2008
Ansteckende Lebensfreude
lachende FrauKann ein fröhlicher Nachbar, die ganze Umgebung mit Lebensfreude infizieren? Warum werden die Freunde von Dicken selber dick? Und sind Kopfschmerzen ansteckend? In der aktuellen Ausgabe des britischen Ärzteblattes (BMJ) ist ein amüsanter Schlagabtausch im Gange, ob sich soziale Phänomene Epidemie-artig ausbreiten können, oder ob das Unfug ist.

Framingham, ein Ort in der Nähe von Boston im US-Bundesstaat Massachusetts, gilt als die besterforschte Gemeinde der Welt. Seit 1948 unterzieht sich ein Großteil der Bürger freiwillig ärztlichen Untersuchungen, sowie einem ausufernden Fragenkatalog über alle Bereiche des Lebens.
Über die Framingham-Studien wurden zahllose Risikofaktoren identifiziert, darunter so berühmte wie Rauchen, Cholesterin oder Übergewicht.

Der unglaubliche Datensschatz inspiriert die Wissenschaftler auch immer wieder zu - auf den ersten Blick absurden - Gedankenspielen. So wurden die Framinghamer Bürger beispielsweise auch gebeten, die Namen und Adressen ihrer Freunde bekannt zu geben. Weil diese zum Großteil auch Studienteilnehmer sind, ergab sich ein soziales Netzwerk aus 4739 Personen, über die (fast) alles bekannt war. Statistikerherz, was willst du mehr?

Nicholas Christakis, Soziologe an der Harvard Medical School und der Politologe James Fowler von der Universität von Kalifornien in San Diego interessierten sich für das Lebensglück der Einwohner, das über die Antworten auf mehrere Fragen in einer Skala festgelegt wurde.
Dabei stellte sich heraus, dass Lebensfreude tatsächlich ansteckend ist, und sich über das soziale Netz in Beruf, Nachbarschaft und Freundeskreis epidemisch ausbreitet.
Seltsamerweise ist der eigene Ehepartner dabei am wenigsten infektiös. Die Chance, dass das Glück von Mann oder Frau aufeinander übersprang, betrug nur recht magere acht Prozent. Wenn ein glücklicher Bruder oder eine happy sister in der Nähe lebte, stieg die Chance auf das eigene Lebensglück immerhin um 14 Prozent. Die intensivste Ansteckungsgefahr geht hingegen von den unmittelbaren Nachbarn aus. Wenn diese über den gemeinsamen Gartenzaun regelmäßig gute Stimmung verbreiten, so steigt die eigene Lebensfreude gleich um satte 34 Prozent.

"Alles Blödsinn", entgegneten der Finanzfachmann Ethan Cohen-Cole sowie Jason Fletcher, Public Health Experte an der Yale University. Soziale Faktoren seien keinesfalls ansteckend, sondern würden durch gemeinsame Lebensumstände erklärt.
Die beiden nahmen sich dazu drei solche Phänomene: die Hautkrankheit Akne, die Körpergröße und Kopfschmerzen. Sowohl Akne als auch Kopfschmerzen gelten als nicht ansteckend. Und dennoch kam bei der Auswertung dasselbe raus, wie bei der Lebensfreude: Das persönliche Umfeld übt einen enormen Einfluss aus. Freunde mit Akne erhöhen das eigene Aknerisiko um 62 Prozent. Die Migräne der Freundin springt zu 47 Prozent über. Und sogar die Körpergröße färbt zu 20 Prozent ab.
Was steckt hier also dahinter? Suchen sich große Menschen nur annähernd gleich groß gewachsene Freunde und bleiben ebenso unter sich, wie die Kleineren?
Keinesfalls, lautet die Antwort der Autoren. Die Antwort liegt vielmehr in den Einflussfaktoren aus Alter, ethnischer Herkunft, Ausbildung und sonstigem Sozialmilleu. Latinos seien nunmal im Schnitt etwas kleiner als "Kaukasier", wie Angehöriger weißer Hautfarbe im angloamerikanischen Sprachraum wissenschaftlich bezeichnet werden. Auch die Neigung zu Akne hängt mit der Herkunft zusammen. Und bei Kopfschmerzen steigt das Risiko eben mit Bildung und Einkommen. So unspektakulär ließen sich diese Phänomene erklären.
Und auch das Deutsche Ärzteblatt lässt sich von dieser miesen Stimmung anstecken:
"Tatsächlich dürfte der Unterhaltungswert solcher Studien für die Medien größer sein als der wissenschaftliche Erkenntnisgewinn."

Ich bin mir da nicht so sicher. Denn hat schon einmal jemand untersucht, worin das Wesen von Störgrößen besteht?
Warum haben denn Menschen aus Familien mit höherer Bildung und Einkommen eher Kopfschmerzen?
Etwa deswegen, weil sie mehr über Kopfschmerzen reden und damit die Aufmerksamkeit und die Sensibiliät für das "Nachspüren" eigener Kopfschmerzen erhöhen?
Wer hier erst mal die Schmerz-Schwelle ordentlich runter gefahren hat, wird schon minimalste Kopfschmerzen wahr nehmen und allein durch die Aufmerksamkeit werden auch die Schmerzen intensiver. Und wenn sich diese dann auch noch für ein bestimmtes Argumentationsmuster eignen (Z.B: Absage einer unliebsamen Einladung, Sexverweigerung, Beenden oder Aufschieben von Arbeit, Schwänzen der Schule), so kann sich Kopfschmerzen rasch verselbständigen und unbewusst internalisiert werden.
Ein Hinweis auf den enormen Einfluss psychischer Faktoren ist auch die hohe Empfänglichkeit von Kopfschmerzen auf Plazebo-Therapie.

Wer diese Phänomene als simple statistische Störgrößen abtut, greift meiner Meinung nach gewaltig zu kurz.

Denn es ist nunmal eine Tatsache, dass Beispiele wirken. Ein Freundeskreis, in dem geraucht wird, erhöht die Rückfallsquote enorm. Während ein Freundeskreis, in dem alle stark übergewichtig sind, wohl auch eine Menge dafür nötiger Einstellungen und Lebensgewohnheiten vermittelt.

Dass sich diese Negativschleifen allerdings am Beispiel der Lebensfreude auch ins Gegenteil umkehren lassen, das ist für mich die positive wissenschaftliche Erkenntnis des Tages.

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Dienstag, 9. Dezember 2008
Statine als Balsam für kranke Blutgefäße
54 Prozent weniger Herzinfarkte, 48 Prozent weniger Schlaganfälle, ein Minus von 20 Prozent bei der Gesamt-Sterblichkeit. Wahrlich kein schlechtes Ergebnis für ein Cholesterin senkendes Medikament. Das beste kommt aber noch: Die Studienteilnehmer hatten gar keinen hohen Cholesterinspiegel.

aorta.jpgDie fast 18.000 Probanden, die in 26 Ländern für die JUPITER-Studie rekrutiert wurden, mussten als Teilnahmebedingung nämlich genau das Gegenteil vorweisen: Einen normalen Cholesterinspiegel mit einem LDL-Wert unter 130 mg/dl. Dafür aber sollten die beteiligten Männer (älter als 50) und Frauen (älter als 60) einen erhöhten Wert eines anderen Risikomarkers haben: C-reaktives Protein sollte über dem Grenzwert von 2,0 mg/l liegen.
C-reaktives Protein gilt ganz allgemein als Hinweis auf eine bestehende chronische Entzündung im Körper. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um Arteriosklerose, die mit Abstand häufigste Todesursache in den Industrieländern.
Langsam setzt sich die Erkenntnis durch, dass es nicht ein paar wenige Ursachen für die krankhaften Veränderungen, Verletzungen und Ablagerungen der Arterienwände (siehe Foto, © CDC/Dr. Edwin P. Ewing, Jr.) gibt, sondern zahlreiche. Die wichtigsten negativen Einflüsse sind Rauchen, schlechte Ernährung sowie Stress. Rauchen hat jedoch einen derart überragend negativen Einfluss, dass sich Raucher zumindest keinen Stress mehr wegen schlechter Ernährung machen müssen. (Dies nur als kleinen Trost für die Giftler unter Euch.)

Astra Zeneca, Hersteller des getesteten Statins (Crestor) und natürlich auch Financier der Studie, freute sich sehr. Und auch auf der Tagung, wo die Arbeit präsentiert wurde, machte sich laut Deutschem Ärzteblatt heftige Jubelstimmung breit. Das sei die "wichtigste Studie des Jahrzehnts" und werde "die gesamte Kardiologie" verändern.

Natürlich gibt es gegen vorzeitige Euphorie auch berechtigte Einwände. So klingt die Risikoreduktion wesentlich bescheidener wenn der Vergleich in absoluten, statt in relativen Zahlen angegeben wird: Demnach waren in der Statin-Gruppe 83 Personen (0,9 Prozent), in der Placebogruppe 157 Personen (1,8 Prozent) von den vordefinierten Endpunkten (Herzinfarkt, Schlaganfall, Herztod) betroffen. Die absolute Risikoreduktion betrug also "nur" 0,9 Prozent.
Dieser hoch signifikante Unterschied gab den Ausschlag, um die Studie nach 1,9 Jahren vorzeitig abzubrechen. Eigentlich war eine Laufzeit von 4 Jahren vorgesehen.
Dieser Unterschied bedeutet aber auch, dass man immerhin 120 Personen 1,9 Jahre lang mit Statinen behandeln muss, um einen einzigen kardiovaskulären Vorfall zu vermeiden.
Wie lange dieser Vorfall vermieden wird - ob es sich dabei um einige Jahre oder nur um wenige Monate handelt, wurde mit JUPITER nicht geklärt.
Dafür lässt es sich recht einfach ausrechnen, dass die Vermeidung/Verzögerung einer einzigen Herzattacke (bzw. eines Schlaganfalles) mit Crestor Kosten von mehr als 250.000 Euro verursacht.
Bei der kurzen Laufzeit der Studie ist zudem noch unklar, wie schwer die Nebenwirkungen der Therapie wiegen. Schon jetzt zeigte sich ein signifikant negativer Einfluss auf die Neu-Entstehung von Diabetes. Und das obwohl nur gesunde Personen als Probanden zugelassen wurden. Wie sich der Masseneinsatz des Medikaments bei den in der "Normalwelt" meist multimorbiden älteren Menschen auswirkt, ist schwer abschätzbar.
Zudem zeigen aktuelle Arbeiten, dass die radikale Senkung von Cholesterin auch mit anderen Risiken, etwa von Depressionen oder Krebs assoziiert ist.
Der Kardiologe Mark A. Hlatky von der Stanford University warnte in seinem Editorial im New England Journal of Medicine denn auch eindringlich vor einer zu euphorischen Aufnahme dieser Ergebnisse, auch wenn sie zweifellos bemerkenswert wären.

Mir erscheint an dieser Studie zusätzlich interessant, dass sich damit die Bedeutung eines hohen Cholesterinspiegels weiter relativiert.
Lange Zeit wurde der Cholesterin senkende Effekt der Statine ja als deren eigentlicher Wirkmechanismus betrachtet.
Nun zeigt sich immer mehr, dass in Wahrheit ihre entzündungshemmenden Eigenschaften den wesentlichen Vorteil der Statine darstellen und diese scheinbar völlig unabhängig von hohem oder normalem Cholesterin bestehen.
Nachdem viel Hirnschmalz in die Klärung der Frage investiert wurde, wie Statine in den Cholesterin-Stoffwechsel eingreifen, steht dieselbe Arbeit beim Mechanismus der Entzündungsabläufe in den Arterien noch zum Großteil bevor.
Klar aber dürfte schon jetzt sein: Einfache Antworten - wie z.B. die Ablagerung von fettigen Plaques als Folge von fettigem Essen - haben endgültig ausgedient.

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Sonntag, 7. Dezember 2008
Verbieten wir die Vitamine!
vitamine.jpgDass Vitaminpillen und -zusätze kaum einen positiven Effekt haben, steht seit Jahren fest. Im aktuellen JAMA beweist nun abermals eine große Studie den fehlenden Nutzen. Einzig das Risiko für Hirnblutungen steigt signifikant. Warum entsorgen wir den Dreck nicht endlich?

Zu Beginn der 90er Jahre war die Vitaminwelt noch in Ordnung. Die so genannten „freien Radikale" waren als wichtige Auslöser von Arteriosklerose, Krebs und diversen Alterungsprozessen überführt worden.
Doch die Retter waren gleich mit identifiziert: die Vitamine A, C und E, die als „Radikalenfänger" ausschwärmen und die Blutgefäße und Zellwände vor den schädlichen Oxidationsprozessen schützen sollten, indem sie selber mit den freien Radikalen Verbindungen eingehen und auf diese Weise neutralisieren.
Ernährungswissenschafter und Ärztegesellschaften rieten deshalb zur vorbeugenden Vitaminkur, am besten über frisches Obst und Gemüse, fünf Portionen pro Tag.
„Daran hält sich aber in der Praxis nicht einmal ein Zehntel der Bevölkerung", klagten die Vitamin-Verfechter, und empfahlen Mitte der neunziger Jahre das Gießkannenprinzip: „Vitaminzusätze sollten so wie Impfungen der gesamten Bevölkerung verabreicht werden - auch jenen, die es sich nicht leisten können", formulierte es beispielsweise Lester Packer, führender Antioxidantien-Experte der Universität Berkeley/CA.
Wie die meisten seiner Kollegen hielt es Packer nicht für nötig, eine Obergrenze einzuziehen. Problematisch sei nur der Mangel: „Denn Antioxidantien sind selbst hundertfach über der empfohlenen Tagesdosis nicht giftig."
Die Presse verbreitete die Hoffnung der Experten mit euphorischen Berichten. Vitamine als Antioxidantien waren bald in aller Munde - meist in Form von Pillen und Mulitvitamin-Säften. Bis heute ist es ungeheuer mühsam, im Supermarkt Produkte einzukaufen, denen keine künstlichen Vitamine zugesetzt sind. Speziell bei Kinder-Nahrungsmitteln und bei Tiernahrung.

Und das obwohl die Vitamin-Euphorie mittlerweile längst als wissenschaftlicher Irrweg gilt. Unveränderte Jubellieder zur Vitaminkur kommen heute nur noch von dubiosen Geschäftemachern wie dem Vitaminguru Dr. Rath oder ähnlichen wissenschaftlichen Ignoranten.

In der Realität zeigen die Studien entweder gar keinen Effekt - oder einen negativen.

• Den Beginn machten die löblichen Ansätze, unverbesserlichen Rauchern mit Betacarotin Kapseln (Vitamin A) zumindest einen kleinen Teil des gesundheitlichen Schadens abzufangen. Dumm nur, dass das nicht funktionierte. Eine der Arbeiten musste sogar abgebrochen werden, weil die Raucher im Vitamin-Arm der Studie ein um 46 Prozent höheres Lungenkrebs-Risiko hatten, wie in der Kontrollgruppe mit Placebo-Pillen.

• Noch trister ist die Bilanz bei Vitamin E, das als große Hoffnung, sowohl für Diabetiker als auch zur Krebsvorsorge galt. Leider zeigte sich bei Diabetikern ein Nulleffekt - auch nach sieben Jahren Einnahme. Lediglich ihr Risiko auf eine unheilbare Herzschwäche stieg signifikant (Hope-Studie). In der Krebsvorsorge derselbe Nulleffekt. Und bei Patienten die bereits an Krebs erkrankt waren, kehrte sich die Therapie ins Gegenteil: Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren, denen nach der Strahlenbehandlung hohe Dosen Vitamin E verabreicht wurden, zeigten eine beinahe dreifach höhere Rate an Zweittumoren.

• Vitamin D Pillen wurden erfolglos zur Vorsorge gegen Knochenbrüche getestet (Record-Studie)

• B-Vitamine: Die im Sommer 2005 präsentierte norwegische NORVIT-Studie beobachtet seit 1998 knapp 3.800 Herzinfarkt-Patienten, die zur Infarktvorsorge die als herzschützende Stoffe geltenden Vitamine B6, B12 und Folsäure einnahmen oder eben ein Placebo bekamen. Keine der Vitaminkombinationen brachte den Teilnehmern Vorteile. Jene, die eine Kombination aus den Vitaminen B6 und Folsäure eingenommen hatten, hatten sogar ein um 20 Prozent höheres Risiko eines neuerlichen Infarkts oder Schlaganfalls.

• Am günstigsten ist die Bilanz noch bei Vitamin C. Hier zeigen sich zumindest keine auffälligen negativen Ergebnisse. Wir scheinen Vitamin C sogar in Hochdosen recht gut zu vertragen. Dünnpfiff sorgt notfalls für einen raschen Export. Und hier und da finden sich sogar vereinzelt positive Ergebnisse (z.B. bei Sportlern).

Die derzeit aktuellste Arbeit ist im Journal der amerikanischen Ärztegesellschaft (JAMA) erschienen.
Dabei handelt es sich um den Endbericht einer placebo-kontrollierten Studie, an der mehr als 14.000 männliche Ärzte teilnahmen, die zu Studienbeginn im Jahr 1997 mindestens 50 Jahre alt waren. Geprüft wurde die Frage, ob die regelmäßige Einnahme von Vitamin C bzw. Vitamin E - Präparaten günstige Auswirkungen auf die Vermeidung kardiovaskulärer Erkrankungen hat.
Die Antwort war in jeglicher Beziehung negativ. Weder weniger Herzinfarkte, noch weniger Schlaganfälle, noch ein geringeres Sterberisiko. Die beiden Vitamine lieferten sich beinahe einen Paarlauf. Kein einziges Ergebnis war signifikant.
Mit Ausnahme des Risikos auf Hirnblutungen. Hier wurde in der Vitamin E - Gruppe ein Risikoanstieg um 74 Prozent beobachtet.

Mittlerweile weiß man auch etwas mehr über die biologischen Zusammenhänge.
Vitamin E ist etwa ein sehr guter Radikalenfänger und senkt dadurch das Oxidationsrisiko in den Zellmembranen was als eine der Hauptursachen für Herzinfarkt und Schlaganfall gilt. Allerdings werden aus den intakten Vitamin E Molekülen nach getaner Arbeit selber Radikale, die z.B. bei der Oxidation des LDL-Cholesterins eine negative Rolle spielen können, vor allem bei zu hoher Dosierung. Und das ist bisher wohl unterschätzt worden.

Warum, frage ich mich, zeigen all diese Ergebnisse keinerlei Auswirkungen auf die Praxis?
Warum ist nach wie vor ein hoher Teil der Supermarkt-Ware Vitamin-verseucht?
Warum greifen hier die Behörden nicht ein?

Verbieten wir doch endlich die - im besten Fall sinnlosen, oft aber gesundheitsschädlichen - künstlichen Vitamine.

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