Samstag, 6. Dezember 2008
Neues Diagnose-Verfahren bestätigt Hirnschäden bei ADHS
ADHS-Kind.jpgMit einem neuartigen Verfahren der Magnet-Resonanz-Tomografie gelang es nun, Hirnveränderungen bei Kindern mit Aufmerksamkeitsdefizit Hyperaktivitäts Störung (ADHS) bildlich darzustellen. Offen bleibt die Frage, was diese Anomalien verursacht.

Das Team des "Kennedy Krieger Institute" in Baltimore/Md. verglich die Gehirnstrukturen von 47 ADHS-Kindern mit jenen von 66 Kindern ohne Entwicklungsstörung. Dabei fanden sich bei den Knaben eindeutige Formunterschiede und ein verringertes Volumen im Bereich der Basalganglien. Die betroffene Hirnregion ist besonders bei der Kontrolle der Motorik involviert. Bei Mädchen wurde keine signifikanten Veränderungen festgestellt, was abermals auf den starken Einfluss des Geschlechts bei dieser Krankheit hinweist. Die Arbeit wurde im "American Journal of Psychiatry" publiziert.
Die Ergebnisse hatten sich auch in vorangegangenen Studien bereits angekündigt. Allerdings brauchte es das neue technische Verfahren, um die Volumsbestimmung zu präzisieren. Zuvor hatten die Messungenauigkeiten konkrete Aussagen nicht möglich gemacht, auch wenn bereits ein Trend sichtbar war.

Ob die Hirnveränderungen von Geburt an bestehen, oder ob sie, beispielsweise über entzündliche Prozesse oder Vergiftungen im frühen Lebensalter hervorgerufen werden, ist unklar - und bezeichnet das Grundrätsel von ADHS. Seit Jahrzehnten wird heftig über alle möglichen Ursachen dieser Störung diskutiert. Manchmal sogar über die Frage, ob es sich dabei überhaupt um eine Störung handelt, oder ob nicht bloß eine gestörte Gesellschaft mit "den besonders aktiven und frechen Kindern" nicht mehr zurecht kommt - und diese deshalb "mit Psychopharmaka ruhigstellt".
Aussagen wie diese kommen meist von Personen, die noch nie näheren Kontakt mit ADHS-Betroffenen hatten.

Wesentlich ernsthafter sind wissenschaftliche Überlegungen, die ADHS zum Krankheitsbereich des Autistischen Spektrums zuzählen. Auch hier gibt es etwa das selbe Geschlechterverhältnis (dreimal mehr betroffene Knaben als Mädchen), die selbe Bedeutung der genetischen Komponente, und etwa das selbe Manifestationsalter.
Bei Autismus besteht das Kernproblem in einer "Vernetzungsstörung" im Gehirn, wo bestimmte wichtige Areale nicht miteinander in Kontakt sind, isolierte Areale aber à la "Rain Man" besonders hoch entwickelt sein können.
ADHS wäre somit ein Spezialform von Autismus. Welche Krankheit sich manifestiert, hängt demnach von Art und Ausmaß der Hirnschädigungen ab.

Nach dieser These muss also irgendwo ein Umwelteinfluss bestehen. Die erbliche Komponente wirkt sich bloß in einer höheren Empfänglichkeit für die Auswirkungen dieses unbekannten Faktors aus.
Für dieses Argument spricht, dass sich eine Erbkrankheit über die Jahrhunderte in der Prävalenz recht stabil verhält, sich die Fallzahlen bei Autismus und Hyperaktivität aber im Lauf der letzten Jahrzehnte vervielfacht haben. Von Autismus ist heute laut Untersuchungen der US-Behörde CDC etwa eines von 150 Kindern betroffen. An ADHS leiden etwa 4 Prozent der Kinder in Deutschland. Im Schnitt befindet sich also bereits in jeder Schulklasse ein Zappelphilipp.
Worin aber besteht dieser fatale Umwelteinfluss?

Manche vermuten den Schuldigen in der fortgeschrittenen Reizüberflutung im Kindesalter mit Dauerfernsehen, Computerspielen und Mobiltelefonen. Andere in der Strukturlosigkeit mancher Familien oder in den überfordernden Leistungs-Ansprüchen der Schule. Ältere Thesen identifizierten Erziehungsfehler, Vernachlässigung oder frühkindliche Traumata als Auslöser. Dass daraus organische Hirnschäden entstehen, wäre allerdings ungewöhnlich.
Im Journal Lancet thematisierte vor einem Jahr eine Studie den Einfluss von Lebensmittel-Zusätzen auf Hyperaktivität. Als problematisch erwiesen sich dabei bestimmte Farbstoffe sowie das Konservierungsmittel Natriumbenzoat (E 211)
Mir persönlich erschiene es wichtig, endlich auch den möglichen Einfluss der Impfungen im Babyalter unvoreingenommen zu untersuchen. Konkret geht es dabei um die Aluminiumsalze, die in zwei Drittel der derzeitigen Kinderimpfungen als Hilfsstoffe enthalten sind. Dass diese Substanzen beträchtliches toxisches Potenzial haben, zeigte erst kürzlich eine kanadische Studie.

Anstatt die Ursachensuche ernsthaft zu forcieren, beschäftigen sich Wissenschaft und Medizin aber lieber mit der Verwaltung und Vermarktung von ADHS. Ritalin und Co. sind heute Magaseller. Und die ADHS-Experten gut im Geschäft.

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Freitag, 5. Dezember 2008
Ärzte als Komplizen der Konzerne
Kürzlich stellte der "Bittere Pillen"-Autor Hans Weiss sein neues Buch "Korrupte Medizin" vor, in dem er zeigt, wie bereitwillig sich Ärzte von Pharmafirmen bezahlen und einspannen lassen. Wie sie sich dafür rechtfertigen, habe ich selbst am Beispiel der österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (ÖGAM) erfahren.

"Wie korrupt sind Ärzte?", fragte das Nachrichtenmagazin profil auf seiner Titelseite und beschrieb den Wallraff-Ansatz des neuen Buches: korrupte-medizin-cover.jpg
Weiss hatte ungewöhnliche Methoden gewählt, um an brisante Informationen zu kommen. Er absolvierte eine sechsmonatige Ausbildung zum Pharmavertreter und gründete auf dem Papier eine Beratungsfirma für die Arzneimittelindustrie, um sich eine neue Identität zu verschaffen. Mal trat er als Arzt auf, mal als Pharma-Consultant oder als Export-Import-Händler und verwendete außer seinem Autoren- auch seinen Geburtsnamen Johann Alois Weiss, das Pseudonym Peter Merten sowie den erfundenen Firmennamen „Solutions - Pharma-Consulting".
Weiss zeigte, wie einfach es ist, nahezu jeden Arzt in Kampagnen einzuspannen, die auf die eine oder andere Weise der Promotion von Medikamenten dienen. Zahlreiche Spitzenmediziner ließen sich problemlos bestechen. Große Beraterfirmen sammeln Daten über Ärzte und verkaufen sie Pharma-Konzernen. Die teilen Ärzte in Verschreibungsklassen ein und starten ihr aggressives Marketing, schreibt Hans Weiss. "Jeder Arzt wird von der Firma danach beurteilt, nützt mir der was, wie viel bringt er mir, wenn ich den einkaufe. Ein Drittel aller niedergelassenen Ärzte in Deutschland liefert genaueste Auskünfte über sich selber und liefern damit der Pharmabranche selber den Strick, an dem sie dann wie Marionetten baumeln", erklärte er im ORF-Morgenjournal.
Die Komplizenschaft zwischen Pharma-Industrie und Ärzten bezahlen die Patienten, führt Hans Weiss aus. Denn, so seine Kritik, Medikamente seien viel zu teuer, die Wirkstoffe kosten einen Bruchteil des Verkaufspreises. "Die 2,6 Milliarden Euro, die die Krankenkassen in Österreich für Medikamente ausgeben, sind in Wirklichkeit nur rund 50 Millionen Euro wert."
Ein konkretes Beispiel, wie diese "Kooperation" zwischen Ärzten und Industrie in der Praxis abläuft, haben Kurt Langbein und ich in der TV-Sendung "Report Spezial" dokumentiert, die vor zwei Wochen im ORF ausgestrahlt wurde.
Wir drehten dazu am Internisten-Kongress in Graz, wo u. a. heftig für den umstrittenen Cholesterinsenker Inegy geworben wurde. Dazu lag am Firmenstand ein Stapel mit Konsensus Berichten der Österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin auf, in der ein Überblick zur Evidenz-basierten Prävention, Diagnostik und Therapie der chronisch koronaren Herzkrankheit gegeben wurde.
ÖGAM-Vorsitzender Erwin Rebhandl beschreibt in einer Kolumne der Zeitschrift "periskop" den Zweck solcher Konsensus-Statements so:
Erwin Rebhandl.jpg
Das Konsensus-Statement der ÖGAM versteht sich als wissenschaftliche Publikation und stellt einen praxisorientierten Leitfaden dar, der dem Allgemeinmediziner in präziser und klar strukturierter Form als Orientierungshilfe dienen soll, um die Patientenbetreuung zu optimieren und auch die Kooperation und Kommunikation mit den Spezialisten weiter zu verbessern.
Ob das im März 2008 veröffentlichte KHK Papier dazu dient, die Patientenbetreuung zu optimieren, ist zweifelhaft. Denn in erster Linie dient es dazu, den praktischen Ärzten die Verschreibung des Wirkstoffes Ezetimib (enthalten in Inegy) schmackhaft zu machen. Ganze 25 Mal wird der vom US-Konzern Schering-Plough entwickelte Cholesterinsenker im ÖGAM-Bericht erwähnt. Dreimal sogar falsch geschrieben ("Ezitimib"). Und die Botschaft ist klar: Sobald es nicht gelingt, den angestrebten niedrigen LDL-Wert mit der Verschreibung von Statinen zu erreichen, sollte sofort das Statin-Ezetimib Kombi-Präparat Inegy eingesetzt werden.

"Wir können diese Papiere nur dann produzieren, wenn wir finanzielle Unterstützung von der Industrie haben", erklärte dazu ÖGAM-Chef Erwin Rebhandl im Report-Spezial. "Wir versuchen, wo es geht, mehrere Firmen als Sponsoren zu gewinnen, um eben das zu vermeiden, dass ein Produkt zu stark gepusht wird."

Beim KHK Papier scheint diese Ausgewogenheit etwas gelitten zu haben. Wohl deshalb weil es sich bei den beiden Sponsoren um die Hersteller von Inegy, Schering-Plough und MSD handelte.

"Es ist sicher nicht optimal, dass es nur einen einzigen Sponsor gegeben hat", gibt sich Rebhandl zerknirscht. "Aber wenn wir nur einen finden, müssen wir schauen, dass wir das trotzdem umsetzen können."

Was eigentlich genau umsetzen?

Erraten: Es geht um das Image der ÖGAM. Ein Gegengeschäft: Hier ein wenig Pharmawerbung, dafür kann die ÖGAM ihren Mitgliedern gegenüber den Eindruck vermitteln, dass es sich dabei um eine hoch aktive, öffentlich präsente Ärztevereinigung handelt, bei der es sich lohnt Mitgliedsbeitrag zu bezahlen.

Die PR-Vertretung der ÖGAM erfolgt seit vielen Jahren über die Agentur Welldone, bzw. von "peri-consulting". Zwei Firmen, die in der berühmten Lazarettgasse 19 in Wien logieren und an denen Peter Riedl maßgeblich beteiligt ist. Näheres zu diesem wohl umtriebigsten Pharma-Lobbyisten Österreichs und seinen diversen Firmen findet sich hier oder hier. Erst kürzlich gelang "peri" das Kunststück, eine Kampagne zu fahren, in der sich die Spitzen der Kassen bereitwillig selbst ins Knie schießen.

Im selben Haus befindet sich weiters die Firma "Update Europe", die sich auf Ärztefortbildung konzentriert. Auch sie gehört den Welldone Besitzern. Auf der Website der ÖGAM wird für die Ärzte-Krone geworben: „ÖGAM-News finden Sie in der Ärzte-Krone". Auch an diesem Verlag ist der Welldone Geschäftsführer mit 20% beteiligt. 10% hält der Leiter des Gesundheitsressorts der Kronen Zeitung Dr. Wolfgang Exel.
Die Ärzte vertreten aber auch gleich die Patienten mit. „Der Österreichische Patient" heißt eine Initiative der ÖGAM, die ebenfalls in der Lazarettgasse logiert.

Die Vertreter von Welldone bieten die Leistungen der ÖGAM offensiv den Pharmafirmen an. Uns liegt dazu eine Preisliste vor.
Ein "Pharma-Scan" oder "Newsletter" (wird auch auf der ÖGAM-Homepage veröffentlicht) kommt laut Liste auf 10.500 Euro. (exkl. Honorar für Experten) Konsensus-Berichte kosten 20.300 Euro (nur schriftliche Aktualisierung, Modifikation). Wenn ein Meeting vorgesehen ist, steigt der Preis auf 22.450 (excl. Honorare, Spesen der Teilnehmer, Chair, Unterkunft, Catering, Technik).

Die Preise stammen von 2005 und sind seither möglicherweise angehoben worden. ÖGAM-Vorsitzender Erwin Rebhandl betont, dass das Geld jedoch nicht von seiner Gesellschaft kassiert wird, sondern bei "unserer Agentur" bleibt. Schließlich müsse diese ja auch viel Hintergrund-Arbeit leisten. Update Europe, besorge etwa die Literaturrecherchen.

Dabei werden aber scheinbar Rückschläge für das zu bewerbende Medikament nobel zurückgehalten. Bei Erscheinen des ÖGAM-Papiers war beispielsweise seit zwei Monaten die Ergebnisse der ENHANCE-Studie bekannt. Sie sollte eigentlich zeigen, dass Ezetimb das Wachstum der Gefässablagerungen (Plaque) reduzieren kann. Stattdessen wuchsen die Ablagerungen bei Patienten, die Ezetimb zusammen mit Simvastatin als Cholesterinsenker erhalten hatten, sogar stärker als in der Kontrollgruppe mit Simvastatin allein.
Schließlich mussten auf Aufforderung der FDA Depressionen als weitere mögliche Nebenwirkung in den Beipackzettel dieser Medikamente aufgenommen werden. Im Sommer kamen erste Gerüchte auf, dass Inegy weitere schwere Nebenwirkungen hat. Sie hatten ihren Ursprung in Zwischenauswertungen der SEAS-Studie, die dann Anfang September veröffentlich wurde. Seither wird diskutiert, ob Ingey möglicherweise das Krebsrisiko erhöht.

Das ÖGAM Papier ist vollständig frei von derlei unangenehmen Nachrichten.
Rebhandl rechtfertigt das so: "Ein Papier kann immer nur den Stand bei Fertigstellung sozusagen repräsentieren. Manchmal passierts, dass das eben sehr knapp zusammen kommt und eine Information, die rauskommt, nicht mehr hineingegeben werden konnte, weil der Herstellungsprozess schon im laufen war."

Auf die Idee, dazu einen Newsletter herauszubringen und auf diese beunruhigende Entwicklung hinzuweisen, kam die ÖGAM ebenso wenig, wie einen simplen Hinweis auf der eigenen Homepage zu posten.
Möglicherweise fanden sich dafür keine Sponsoren.

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Donnerstag, 4. Dezember 2008
Warum schreit die Schimpansin beim Sex?
chimpcry.jpg
Es geht nicht darum, die eigene Fruchtbarkeit zu bewerben, es geht auch nicht darum die Primatenbullen in den Wettkampf um die besseren Gene zu treiben. Die geräuschvolle Extase ist pure Überlebensstrategie.

Grunzen im Stakkato, schrille Schreie oder ein postkoitales Trompetensolo, zahlreiche Tiere geben ihrer Lust am Sex recht lautstark Ausdruck. Und so wie bei Löwen oder Elephanten sind es auch bei den Schimpansen vorwiegend die Weibchen, die den Ton angeben.
Doch was steckt dahinter? Handelt es sich dabei um pure weltverlorene Lustschreie, oder haben die Tiere Kontrolle über ihr Verhalten? Und falls es stimmt, dass weniger die Extase als die Strategie bestimmt, wie laut sie Stöhnen, was konkret bezwecken sie damit?

Diese existenziell wichtigen Fragen wollten Simon Townsend von der schottischen St. Andrews University und Klaus Zuberbühler vom Leipziger Max Planck Insitut für Evolutionäre Anthropologie ein für alle mal lösen. Also machten sie sich auf nach Uganda in ein Reservat für wilde Schimpansen und werteten exakt 287 zwischenaffliche Sexaffären penibel auf ihre akustischen und sozialen Begleitumstände aus.
Die Ergebnisse ihrer zehn Monate langen Feldforschung wurden kürzlich im Journal PloS ONE
veröffentlicht.

Bisher galt als anerkannte These, dass die Schimpansen-Weibchen mit ihren Schreien den Primatenbullen rundum lautstark signalisieren, dass sie fruchtbar sind. Die schrillen Lustlaute sind im Wald in einem Umkreis von 60 Meter nicht zu überhören. Damit, so die These, treiben die Weibchen die Männchen in einen Sex-Wettbewerb, verkürzen die Zeit bis zur nächsten Kopulation, wobei dann die gesündesten Spermien mit dem besten Erbgut das Rennen machen.
Gleichzeitig entstünde aus dieser Paarungsstrategie genügend Konfusion, um zu verschleiern, welches der Männchen nun tatsächlich die Vaterschaft für sich verbuchen kann. Dies ist durchaus von evolutionärer Bedeutung, weil Kindsmord bei Schimpansen ein häufiges Phänomen ist, die Männchen jedoch weniger gefährlich sind, wenn sie den Nachwuchs für eigene Brut halten.

Soweit die Theorie. In der Praxis ergab sich ein ganz anderes Bild. Denn hier zeigte sich, dass es in Wahrheit die Beziehung zwischen den Weibchen war, die den Ausschlag gab. „Der Wettkampf zwischen den Weibchen ist hart und enorm gefährlich", erklärt Simon Townsend. Immer wieder beobachteten die Wissenschaftler, dass es zu Störungen bei den Schäferstündchen kam und das kopulierende Paar getrennt wurde. Während die Männchen dabei halbwegs moderat eingriffen, attackierten Weibchen ihre Rivalinnen gezielt mit wüsten Tritten und gefährlichen Bissen. „Speziell wenn die Ressourcen knapp sind, ist der weibliche Konkurrenzkampf enorm", schreiben die Autoren, „und auf einem Paarungsmarkt mit so hoher Promiskuität werden auch Männchen und ihr Sperma zu einer begrenzten Ressource."

Deshalb verhielten sich Weibchen beim Sex eher leise, wenn Geschlechtsgenossinnen in der Nähe waren. Fühlten sie sich hingegen unbeobachtet oder waren nur Männchen im Publikum, so wurde es rasch recht laut, speziell wenn es mit einem hochrangigen Schimpansen-Bullen zur Sache ging.
Geräuschintensiver Sex bleibt den Männchen scheinbar in guter Erinnerung, und damit auch die Sympathie zu ihren Partnerinnen, was auch Schutz bei späteren Krisen inkludiert. Mehrfach wurden Bullen dabei beobachtet, wie sie kämpfende Schimpansen-Weibchen trennten oder Jungtiere vor Angriffen schützten.

Anders als bei bestimmten Affen oder auch bei Ratten hatten die Schreie bei den Schimpansen jedoch gar nichts mit der Anzeige von Fruchtbarkeit zu tun. Möglicherweise, so die Wissenschaftler, wäre eine derartige Botschaft auch kontraproduktiv, weil sie dadurch von bestimmten Männchen während ihrer fruchtbaren Phase mit Beschlag belegt würden und so die Vaterschaft nicht mehr verschleiern könnten. Das wäre jedoch gefährlich, weil die Liebe meist nicht lange währt und die allzu intensive Zuneigung eines einzelnen Lovers zu viele andere im Rudel eifersüchtig macht, was den Nachwuchs in Lebensgefahr bringt.

Wenn es den Weibchen jedoch gelänge, sich über intensiven Sex die bleibende soziale Unterstützung möglichst vieler hochrangiger Männchen zu sichern - ohne sich gleichzeitig mit den anderen Weibchen anzulegen, wäre das, so das Resultat der Primatenforscher, die erfolgreichste Strategie.

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Mittwoch, 3. Dezember 2008
Jeder fünfte Brustkrebs heilt von selbst
22 Prozent aller Fälle von Brustkrebs, die in den Mammographie-Programmen entdeckt und dann über Chirurgie, Bestrahlung oder Chemotherapie behandelt werden, wären von selbst wieder verschwunden. So lautet das Ergebnis einer spektakulären Studie aus Norwegen.

Mammographie

Überall in Europa war die Einführung von organisierten Früherkennungsuntersuchungen mittels Mammographie von einem enormen Anstieg der Brustkrebs-Rate begleitet. An sich eine logische Folge, die auch erwartet wurde. Denn, so das Dogma der Krebstherapie, "früh entdeckte Tumoren sind leichter heilbar". Später müssten diese Krebsfälle dann allerdings - weil geheilt - den Frauen erspart bleiben.
Ob dieser logisch klingende Schluss auch in der Realität hält, ist seit vielen Jahren heftig umstritten. Speziell Peter Goetzsche, der Direktor des Nordischen Cochrane-Zentrums in Kopenhagen ist hier vermehrt als Häretiker aufgetreten und hat allzu optimistische Annahmen kräftig erschüttert. Besonders gegen den Strich gehen ihm die Werbemaßnahmen für die offiziellen Screening Kampagnen, die mit objektiver Information über Nutzen und Risiken wenig zu tun haben.
Berühmt wurden die Kernsätze seiner 2006 publizierten Cochrane Review zu den Folgen des organisierten Mammographie-Screenings:
This means that for every 2000 women invited for screening throughout 10 years, one will have her life prolonged. In addition, 10 healthy women, who would not have been diagnosed if there had not been screening, will be diagnosed as breast cancer patients and will be treated unnecessarily. It is thus not clear whether screening does more good than harm. Women invited to screening should be fully informed of both benefits and harms.
Per-Henrik Zahl hat mit seinem Kollegen Jan Maehlen vom Norwegischen Institut für Public Health in Oslo nun eine weitere Facette in die Diskussion eingebracht. Nämlich die Frage, wie sich Brustkrebs verhält, wenn er gar nicht behandelt würde.

Dazu gingen die beiden recht raffiniert vor. Sie verglichen eine Kohorte von rund 120.000 Frauen im Alter zwischen 50 und 64 Jahren, die ab 1996 am ersten organisierten norwegischen Mammographie-Screening teilnahmen mit einer Kontrollgruppe von Frauen, die in den Jahren davor noch ohne Screening auskommen mussten. Die Altersgruppe wurde so gewählt, dass die Frauen der Kontrollgruppe im Jahr 1996, wenn die erste Gruppe gerade mit dem Screening begann ihre letzte Untersuchung absolvierten.
Damit hatte also auch die Kontrollgruppe am Ende der Untersuchungsperiode einmal ein Bruströntgen.
Die beiden Gruppen unterschieden sich hinsichtlich der Häufigkeit von invasivem Brustkrebs dramatisch:
In der Screening-Gruppe wurde bei 660 (pro 100.000) Frauen die Diagnose gestellt, in der Kontrollgruppe ohne Früherkennungsprogramm waren es nur 384 Krebsfälle.
Zwei Jahre vergingen und "der nicht entdeckte Krebs in der Kontrollgruppe hatte die Chance klinisch evident zu werden", schreiben die Autoren. Tatsächlich verkleinerte sich die Differenz zwischen den beiden Gruppen. Mit 1268 vs. 810 Fällen blieb dennoch die Krebsrate in der Screening Gruppe um 57 Prozent höher.
Nach sechs Jahren schließlich erhielten auch die Frauen in der Kontroll-Gruppe ihre erste Einladung zum Mammographie-Termin. Für die Frauen in der Screening-Gruppe war dies bereits der dritte Termin. Und nun wurden auch in der Kontrollgruppe viele Krebsfälle neu diagnostiziert. Dennoch blieb noch immer ein Unterschied von 22 Prozent aufrecht (2580 vs. 2152 Fälle).
Dieser Unterschied blieb auch nach weiteren zwei Jahren bei einem zusätzlichen Mammographie-Termin in beiden Gruppen konstant.

Was passierte also mit diesen 22 Prozent an Krebsfällen, die spurlos verschwanden? Das ist die Kernfrage, die sich aus dieser in der aktuellen Ausgabe der "Archives of Internal Medicine" publizierten Forschungsarbeit ergibt.
Der kalifornische Public Health Experte Robert M. Kaplan und der Ulmer Gesundheitsökonom Franz Porzsolt warnen in ihrem Kommentar, die Ergebnisse der Norweger auf die leichte Schulter zu nehmen. "Hier könnte sich eine Erklärung für Phänomene finden, die Wissenschaftler schon seit langem beunruhigen." Randomisierte klinische Studien bestätigen beispielsweise nur sehr selten die propagierten Vorteile des Screenings. Den Effekt über eine große gut gemachte Arbeit zu objektivieren, sei, so die beiden, "zwar wissenschaftlich notwendig, ethisch aber kaum durchsetzbar", zumal sich "ethische Bedenken häufig auf vorgefassten Meinungen basieren, aber nur selten auf Evidenz."

Die Studienautoren betonen, dass sich aus ihrer Arbeit keine Schlüsse ableiten lassen, ob Mammographie die Krebssterblichkeit reduziert. "Unsere Ergebnisse bringen aber neue Einsichten auf das wichtigste mit Mammographie verbundenen Schadenspotenzial, nämlich die Entdeckung und Behandlung von Krebsfällen, die sich von selbst zurückgebildet hätten."

Es ist dies nicht die erste Arbeit, mit der Per-Henrik Zahl und sein Team den Glauben an die heilsame Kraft der Früherkennung erschüttern. Die Medizinstatistiker publizierten bereits 2004 eine Studie, in der sie zeigen, wie sich die Einführung der Reihenuntersuchung in Norwegen auf die Zahl der Brustkrebserkrankungen ausgewirkt hat. Norwegen eignet sich sehr gut für einen Vergleich, weil das organisierte Screening im Jahr 1996 zunächst nur in fünf Bundesländern eingeführt wurde, die zusammen 40 Prozent der norwegischen Bevölkerung ausmachen. Der Unterschied war beträchtlich. Denn in den fünf Screeningländern stieg die Häufigkeit von Brustkrebs um 54 Prozent an.
Dass eine Früherkennungsmaßnahme die Zahl der entdeckten Krebsfälle erhöht, liegt in der Natur der Sache. Dies sollte allerdings dadurch kompensiert werden, dass dann in den späteren Jahren deutlich weniger Fälle von Brustkrebs gefunden werden. Schließlich, so die Grundthese der Früherkennung, sind diese Fälle ja schon zuvor, im leichter heilbaren Frühstadium entdeckt worden und müssen deshalb später fehlen. Soweit die Theorie, die sich in diesem Fall aber als reichlich grau entpuppte. Denn Per-Henrik Zahl fand keinen Rückgang der Krebszahlen im höheren Alter, der den enormen Anstieg von 54 Prozent auch nur annähernd ausgeglichen hätte.
Um zu sehen, ob es sich bei diesem Ergebnis um eine norwegische Besonderheit handelte, besorgten sich die Wissenschaftler auch noch die Zahlen aus Schweden, wo das Screening bereits zehn Jahre früher, zur Mitte der Achtzigerjahre, eingeführt wurde. Drei Viertel aller Frauen in der Zielgruppe der 50- bis 69-Jährigen nahmen dort das Angebot an. Zuvor lag in Schweden der jährliche Anstieg der Brustkrebsrate bei 0,8 Prozent. Mit der Einführung des Screenings ergab sich auch beim skandinavischen Nachbar ein plötzlicher radikaler Anstieg der Krebsrate um 45 Prozent. Auch hier fanden die Wissenschaftler keinen nachfolgenden Rückgang in der Gruppe der 70- bis 74-jährigen Frauen. Erst in der Gruppe der 75- bis 80-Jährigen ergab sich eine bescheidene Verringerung der Krebshäufigkeit um 12 Prozent. Damit konnte der extreme Anstieg in den jüngeren Jahren aber nicht im Mindesten ausgeglichen werden.
Das Resümee der Autoren fällt denn auch reichlich düster aus: „Ohne Screening wäre ein Drittel aller Fälle von invasivem Brustkrebs zu Lebzeiten der Frauen nie entdeckt worden." Jede dritte Brustkrebspatientin in Norwegen und Schweden hätte sich ihr Schicksal also erspart, wenn sie den Aufforderungen der Behörden zur Mammografie nicht gefolgt wäre.
Und das, schreiben die Autoren, bezieht sich nur auf die Entdeckung von „echtem" Krebs. Die Röntgenuntersuchungen finden nämlich besonders leicht sogenannte Krebsvorstufen, die sich möglicherweise irgendwann einmal zu invasivem Krebs weiterentwickeln. Würde das auch noch berücksichtigt, läge die Steigerungsrate sogar bei 80 Prozent.

Im Vergleich zu diesen Ergebnissen, sind die aktuellen Resultate ja nachgerade beruhigend. Zahl und Co. geben allerdings zu bedenken, dass die ermittelten 22 Prozent „verschwundener" Brustkrebsfälle den Effekt auch unterschätzen könnte. Dann nämlich, wenn der Einfluss des so genannten „wilden Screening" in der Auswertung berücksichtigt würde. Gaben doch etwa die Hälfte der Frauen aus der Kontrollgruppe an, dass sie zuvor bereits mindestens einmal eine Mammographie - ganz ohne offizielles Programm - durchführen ließen.

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„Grippe-Experten beraten die Bevölkerung wie Staubsaugervertreter"
Die Grippe-Impfungen wirken schlecht. Bei Millionen von Tamiflu-Packungen, die 2005, am Höhepunkt der Vogelgrippe-Hysterie angeschafft wurden, läuft demnächst das Haltbarkeitsdatum ab. Zum Glück ist weit und breit keine Pandemie im Anmarsch. Der Cochrane-Impfexperte Tom Jefferson hält die ganze Influenza-Vorsorge für einen schlechten Aprilscherz.

Kürzlich ist im österr. Nachrichtenmagazin profil ein Artikel von mir zur Influenza-Vorsorge erschienen. Ein ähnlicher Artikel auch zuvor in der Beilage "Gesund" der Berliner Morgenpost
tjefferson.jpg Hier bringe ich die ungekürzte Fassung des Interviews, das ich mit dem britischen Epidemiologen Tom Jefferson geführt habe. Er hat als Koordinator der Cochrane-Vaccine-Field die gesamte Evidenz zur Grippe-Impfung aufgearbeitet. Das größte Wirksamkeitsloch fand sich bei Senioren, sowie bei Babys und Kleinkindern. Auf seiner persönlichen Homepage hat Jefferson eine "Pandemie-Clock" eingerichtet, die in der Art eines Countdowns die Tage bis zum Ausbruch der katastrophalen Influenza-Pandemie herunter zählt. Auf "Null" springt sie jährlich am 1. April.


Ehgartner: In den letzten beiden Jahren haben mehrere aufwendige Studien Ihre Analysen zur schlechten Wirksamkeit der Grippe-Impfung bestätigt. Hat sich damit ihre Sichtweise international durchgesetzt?

Jefferson: Nein, denn zu den Entscheidungsträgern ist das gar nicht durchgedrungen. Diese haben ja auch keinerlei Notiz von unseren Übersichtsarbeiten im Journal Lancet genommen. Darf ich noch mal in Erinnerung rufen, dass wir dafür nicht eine oder zwei oder drei Studien geprüft haben, sondern wir haben alle verfügbaren Daten der letzten 50 Jahre zur Wirksamkeit und Sicherheit der Grippe-Impfung in unsere Analysen aufgenommen.

Ehgartner: Wie war denn die Qualität dieser Studien?

Jefferson: Großteils sehr schlecht - die Laufzeit war meist viel zu kurz, auf Nebenwirkungen wurde kaum geachtet. Das Hauptproblem lag allerdings in der Interpretation der Daten. Meist standen diese nämlich in direktem Gegensatz zu den Schlussfolgerungen der Autoren. Die Grippe-Impfung ist scheinbar zu einer Art Gospel geworden, wo vor allem der Glaube zählt.

Ehgartner: Liegt das daran, dass die meisten Studien von den Herstellern selbst finanziert werden?

Jefferson: Zum einen natürlich. Aber es wäre zu einfach, die Schuld allein der Pharmaindustrie zu geben. Sie verkaufen Impfungen, weil das ihr Geschäft ist. Das wirkliche Problem sind - wie ich sie nenne - die schlechten Lehrer: so genannte Impfexperten, die die Bevölkerung beraten wie Staubsaugervertreter, die ihre Ware anbringen wollen.

Ehgartner: Was wäre denn das Problem, wenn die Grippe-Impfung weniger gut wirkt als andere Impfungen? Das ist doch immerhin besser als gar kein Schutz.

Jefferson: Weltweit werden viele Milliarden in die Influenza-Vorsorge investiert. Das ist eine Menge Geld, das die Politiker auf Basis guter wissenschaftlicher Evidenz sinnvoll einsetzen sollten. Zuerst muss man prüfen, ob der Impfstoff wirkt, als nächstes ob er sicher ist. Was wir derzeit haben ist die perfekte Ungewissheit. Wir wissen nicht, ob Impfen besser oder gleich oder sogar schlechter ist, als gar nichts zu tun. Impfungen sind pharmazeutische Interventionen, die - wie alle Arzneimittel - auch Schaden anrichten können. Wir brauchen endlich große, unabhängig finanzierte Studien über mehrere Grippe-Saisonen, in der die Impfstoffe gegen Placebo getestet werden. Nur so können wir Sicherheit gewinnen. Und die Kosten wären verschwindend im Vergleich zu dem, was wir derzeit - völlig ins Blaue hinein - ausgeben.

Ehgartner: Mediziner und Behördenvertreter meinen, eine derartige Studie wäre unethisch, weil jene, die in die Placebogruppe gelost würden, keinen Schutz vor Grippe haben.

Jefferson: Derzeit wird Gesundheitspolitik betrieben, ohne dass es dafür irgend eine wissenschaftliche Basis gibt. Das nenne ich unethisch.
Nehmen sie beispielsweise die Empfehlung des Robert-Koch-Institut zur Frage, ob schwangere Frauen Grippe geimpft werden dürfen. Darin heißt es: "Zur Influenza-Impfung in der Schwangerschaft wird seitens der pharmazeutischen Unternehmen darauf verwiesen, dass gezielte Studien zur Sicherheit der Impfung bei Schwangeren fehlen, Schäden aber nicht bekannt sind, die Impfung ist daher nicht kontraindiziert". Man weiß also nichts, empfiehlt die Impfung aber trotzdem. Leute, die solche Richtlinien herausgeben, sollten schnellstens von ihren Posten entfernt werden.


Tom Jefferson, 54, ist Koordinator der Cochrane-Vaccine-Field, und hat in den letzten drei Jahren eine Serie von Metaanalysen zur Influenza Vorsorge bzw Therapie mit Neuraminidase Inhibitoren (Tamiflu, Relenza) veröffentlicht. Hier findet sich eine Literatur-Übersicht. Hier eine deutsche Zusammenfassung der Analyse Ergebnisse zur antiviralen Therapie.
Tom Jefferson lebt mit seiner Familie in Rom.

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Montag, 2. Juni 2008
„Das hätte dem Impfgedanken geschadet“
Der Münchner Epidemiologe Rüdiger von Kries über seine Vorbehalte gegen die HPV-Impfung, den Zweck einer Windpockenimpfung und die Entscheidungsprozesse in der Ständigen Impfkommission, der er seit langem angehört. Von ihm stammt eine Studie, die Hexavac, dem ehemaligen meist verwendeten Sechsfach-Impfstoff für Babys, eine signifikant erhöhte Rate von unerwarteten plötzlichen Todesfällen im zweiten Lebensjahr attestierte.

Ruediger von Kries

Ehgartner: Wie man hört wurde in der STIKO heftig über die Empfehlung für eine allgemeine Windpockenimpfung ab dem ersten Lebensjahr gestritten. Schließlich wurde – als erstes Land Europas - doch eine positive Empfehlung gegeben. Was waren dafür die Argumente?

Kries: Ich war lange gegenüber der Windpockenimpfung skeptisch. Muss man wirklich gegen Varizellen impfen? Die Varizellen Impfung macht in erster Linie das Leben einfacher – schwere Morbidität und Mortalität sind selten. Man wird darauf achten müssen, hohe Durchimpfungsraten zu erzielen um eine ausreichende Herdenimmunität zu erreichen. Das ist nur möglich, wenn es einen Kombi-Impfstoff gibt. Der ist jetzt am Markt. Und jetzt kann man sagen: why not?
Es gibt Komplikationen bei Windpocken, sogar Todesfälle. Beispielsweise bei Kindern, die an Windpocken erkrankt sind, als sie gerade die Chemotherapie gegen Leukämie bekamen. Und die sind dann gestorben. Solche Todesfälle können nur über Herdimmunität verhindert werden - wenn es keine Varizellen mehr gibt – oder wenn die Kinder vor der Chemotherapie geimpft worden sind.

Ehgartner: Wie beurteilen Sie das Risiko, dass die Windpocken-Impfung bei den Kindern zu einer Steigerung des Gürtelrose-Risikos bei Erwachsenen führt?

Kries: Es ist bekannt, dass Menschen, die seltener Kontakt zu Windpocken kranken Kindern haben, häufiger Gürtelrose bekommen. Wenn es in folge der Impfung keine Varizellen mehr gibt, wird das Immunsystem seltener geboostert, das ist schon klar. Wenn allerdings einmal alle Kohorten geimpft sind, werden diese wahrscheinlich seltener an Gürtelrose erkranken, weil die abgeschwächten Impfviren diese seltener auslösen. Wie sich das genau auswirken wird – und ob es ein Zeitfenster mit höherem Risiko gibt ist unklar.

Ehgartner: Die Impfstoff-Hersteller reagierten auf das Problem, indem sie auch noch eine Impfung gegen Gürtelrose für Erwachsene auf den Markt brachten. Diese Impfung ist nichts anderes als eine hoch dosierte Windpocken-Impfung und soll den Kontakt mit Windpocken-kranken Kindern simulieren. Die neue vierfach Impfung gegen Masern-Mumps-Röteln und Windpocken kostet nun doppelt so viel wie die alte MMR, nämlich 100 Euro. Die Gürtelrose Impfung nochmal das doppelte. Damit hat die Industrie aus einer überwiegend harmlosen Kinderkrankheit ein gutes Geschäft gemacht – sehen Sie das nicht so?

Kries: Dass Impfungen nicht gratis sind, das wissen wir. Man hat allerdings auch einen Benefit für die Gesellschaft. Windpocken machen keinen Spass und manchmal auch noch lebensgefährliche Komplikationen. Punkt. Dass man zweimal impfen muss, ja so ist das Leben. Vielleicht wird man auch mal dreimal impfen müssen. Nichts ist umsonst. Klar verdient die Industrie damit Geld. Aber das tun sie auch bei der Grippeimpfung. Und darüber redet kein Mensch, weil vor der Pandemie Grippe alle Angst haben.

Ehgartner: Eine Angst, die auch von den Experten heftig geschürt wird. So wie auch die Angst vor Krebs – mit dem gleichzeitigen Angebot einer so genannten Krebsimpfung gegen Humane Papillomaviren. Diese HPV-Impfung schlug nun mit Kosten von fast 500 Euro alle Rekorde und setzte sich gleich auf den ersten Platz der umsatzstärksten Arzneimittel.

Kries: Ja, über die exorbitanten Kosten der HPV-Impfung redet kaum jemand. Die wollen sie alle haben, obwohl diese in frühestens zwanzig Jahren einen messbaren Einfluss auf die Krebs-Sterblichkeit haben wird.
Dass wir in Deutschland das PAP Screening-Programm mit den weltweit häufigsten Untersuchungsangeboten und gleichzeitig eine der höchsten Raten an Cervix Karzinom haben, davon redet auch keiner. Die Inanspruchnahme des PAP Screenings ist sogar relativ hoch. 80 Prozent der Frauen gehen mindestens alle drei Jahre hin, das ist genauso viel wie in anderen Ländern. Also warum ist dann bei uns die Krebsrate höher? Eine mögliche Erklärung wären Defizite beim Pap-screening. Verbesserungen in diesem Bereich könnten im hier und jetzt Krebserkrankungen verhindern.

Ehgartner: Offenbar haben Sie sich mit diesen Einwänden in der STIKO nicht durchgesetzt. Denn deren Empfehlung war es ja, welche die Kassen zur Kostenübernahme zwang. Bei der Sechsfachimpfung Hexavac trugen ihre Ergebnisse jedoch sehr dazu bei, dass über eine Marktrücknahme diskutiert wurde. Hexavac zeigte in ihrer Studie im Vergleich zum zweiten Produkt Infanrix hexa eine höhere Neigung zu schweren – manchmal tödlichen Nebenwirkungen.

Kries: Es wurde darüber diskutiert, ob man Hexavac vom Markt nehmen soll. Ich habe mich sehr dafür ausgesprochen. Auch wenn die Evidenz nicht glashart war. Doch unter dem Vorsatz in erster Linie keinen Schaden zuzufügen, hätte man Hexavac sofort zurücknehmen sollen als sich das Signal zeigte. Es gab einen Alternativ-Impfstoff, also auch keine innere Notwendigkeit, Hexavac unbedingt auf dem Markt zu halten. Bewiesen ist es anderseits nicht, dass Hexavac die Todesfälle verursacht hat.

Ehgartner: Hexavac wurde dann mit dem Argument vom Markt genommen, dass die Langzeitwirkung der Hepatitis B Komponente fraglich sei. Das klingt sehr nach einer Ausrede.

Kries: Ob der genannte Grund ein willkommener Anlass für die Marktrücknahme war, kann ich nur spekulieren. Doch stellen Sie sich vor, man hätte öffentlich verkündet, dass Hexavac wegen der Todesfälle vom Markt genommen wird. Das hätte sicher zu sehr viel mehr Verunsicherung geführt und dem Impfgedanken mehr geschadet.


Dieses Interview wurde im September 2007 geführt und ist in meinem aktuellen Buch "Lob der Krankheit" zitiert.

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Dienstag, 27. Mai 2008
Freitag auf Ö1 ab 9,05 Uhr
Für alle, die mich auch mal hören und nicht immer nur lesen wollen, ein Hörfunk-Tipp:

Freitag den 30. Mai Uhr bin ich Studiogast in der Sendereihe "Kontext" ab 9,05 Uhr im Programm Österreich 1.
Im Gespräch mit Wolfgang Ritschl stelle ich mein Buch "Lob der Krankheit" vor.

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Donnerstag, 22. Mai 2008
Alte Freunde - Neue Feinde
In der aktuellen Ausgabe des österr. Nachrichtenmagazins profil habe ich die Coverstory zur "neuen Sicht des Immunsystems" geschrieben.

Darin beschreibe ich einige wichtige Thesen meines aktuellen Buches "Lob der Krankheit"
http://www.ehgartners.info

Hier ist ein link zum Haupttext der Story:

http://www.news.at/articles/0820/560/206050.shtml

Hier nun eine etwas ausführlichere Version des Interviews mit Prof. Graham Rook:

Graham Rook, 62, ist Professor am Zentrum für Infektionskrankheiten und Internationale Gesundheit am Windeyer Institut für Medizinwissenschaften der University College Medical School in London. Er prägte den Ausdruck „Old Friends-Hypothesis“ als Weiterentwicklung der Hygiene-Hypothese.

Graham Rook, 62, ist Professor am Zentrum für Infektionskrankheiten und Internationale Gesundheit am Windeyer Institut für Medizinwissenschaften der University College Medical School in London. Er prägte den Ausdruck „Old Friends-Hypothesis“ als Weiterentwicklung der Hygiene-Hypothese.


„Wir haben wenig Alternativen“

Der Londoner Immunologe Graham Rook im Gespräch mit Bert Ehgartner zur Frage, warum sich das Immunsystem nicht gegen Parasiten wehrt, sondern lieber mit ihnen Freundschaft schließt


Ehgartner: Sie haben für die Hygiene-Hypothese den Namen Old-Friends-Hypothese kreiiert. Warum?

Rook: Es ist ein viel besserer Name, weil es eigentlich nichts mit Hygiene zu tun hat. Während der letzten 40.000 Jahre haben wir uns technologisch enorm entwickelt. Wenn uns kalt wurde, erfanden wir den Pelzmantel und unzählige andere Dinge. Wir haben stets auf einen Mangel reagiert. Doch wenn unser Immunsystem Bedürfnisse hatte, merkten wir das nicht. Die Old-Friends Hyothese sagt nun, dass spezielle Würmer und Bakterien, die immer da waren in schlammigem Trinkwasser oder in der Nahrung und mit denen jedes Lebewesen infiziert war, schlussendlich für unser Immunsystem auch eine eminent wichtige physiologische Rolle übernommen haben.

Ehgartner: Inwiefern sind Würmer für uns notwendig?

Rook: Das faszinierendste Beispiel dafür lieferte kürzlich eine argentinische Forschergruppe in einer Studie mit Mulitple-Sklerose Patienten. Sie gaben einem Teil von ihnen Würmer und daraufhin hatte diese im Lauf der fünfjährigen Beobachtungsphase kaum noch Symptome. Die Würmer hatten ein Signal an das Immunsystem übermittelt, das massenhaft regulierende Lymphozyten aktivierte. Und damit wurde der autoaggressive Mechanismus der zu MS führt abgeschwächt.

Ehgartner: Warum reagiert das Immunsystem nicht gegen die Würmer? Immerhin sind sie doch Parasiten und können Menschen schädigen.

Rook: Das Immunsystem reagiert ja. Aber nur in der Anfangsphase. Wenn sie einmal etabliert sind, ist der Aufwand jedoch zu groß, sie wieder loszuwerden. Da würde eine Bekämpfung der Würmer mehr Schaden anrichten, als die Würmer selber. Sie kennen sicher die Horror-Bilder von Menschen, die an Elephantiasis leiden, an grauenhaften Wucherungen. Wir wissen mittlerweile, dass die Ursache darin liegt, dass es hier nicht gelingt, den Immunresponse gegen die Wurminfektion abzuschalten. Das Immunsystem wird mit den Würmern nicht fertig. Ein Kampf verursacht viel mehr Schaden, deshalb schlägt es den Weg der Symbiose ein.

Ehgartner: Sind es nun die Würmer selbst, die das Immunsystem besänftigen und seine Aktivität herunter regulieren? Quasi als eine Art evolutionäre Strategie, um nicht angegriffen zu werden.

Rook: Ja sie machen das. Ein erfolgreicher Parasit wird seinen Wirt immer am Leben halten. Den Menschen zu töten ist das letzte, was ein Parasit im Sinn hat. Und dem Immunsystem erscheint es als legitim, lieber die Produktion von Wurmeiern zuzulassen, wenn die Alternative Elephantiasis lautet. Würmer aktivieren Regulationsmechanismen, die Fehlreaktionen, wie sie bei Allergien und Autoimmunkrankheiten bestehen, beseitigen oder abschwächen. Und das aufregende dabei ist, dass wir in den klinischen Studien sehen, dass das tatsächlich funktioniert. Wenn ich Multiple Sklerose hätte, würde ich in die Slums von Argentinien übersiedeln, um mir die nötige Dosis an Würmern zu besorgen. Die wissenschaftlichen Versuche am Menschen werden aber auch immer zahlreicher. Etwa mit Hakenwürmern von denen keinerlei Gefahr ausgeht.

Ehgartner: In der Nähe von Hamburg gibt es eine erste Firma in Europa, die sich darauf spezialisiert hat, Würmer zu züchten.

Rook: Ja, sie kooperieren mit US-amerikansichen Forschern, die Therapien auf Basis von Schweine-Peitschenwürmern anbieten. Natürlich kommt hier auch heftige Kritik, ob wir völlig verrückt wären, Menschen mit Würmern zu behandeln. Aber ich halte das gar nicht für verrückt. Denn wir haben wenig Alternativen.

Ehgartner: Weiß man, welche Mechanismen die Würmer hier konkret aktivieren?

Rook:Im Zentrum stehen die dentritischen Zellen. Sie sind es, die den Lymphozyten vermitteln, ob es sich bei Fremdkörpern um Freund oder Feind handelt. Sie benutzen dafür ein Erkennungssytem, das hunderte von Rezeptoren abtestet und daraufhin die Entscheidung fällt, welche Signale weitergegeben werden. Hunderte von Molekülen des Wurms werden also in dieser Entscheidungsfindung verarbeitet. Und das bestimmt den Regulationsprozess. Das ist viel zu kompliziert, um auf einige wenige Moleküle zu reduzieren. Wenn wir das nachbauen wollten, müssten wir gleich einen künstlichen Wurm erschaffen. Warum also nicht gleich den echten nehmen, den es ohnehin gibt.

Ehgartner: Welche Vorteile hat denn das Immunsystem vom Kontakt mit Bakterien. Warum wurden aus Scharotzern und potenziellen Krankheitserregern im Lauf der Evolution alte Freunde?

Rook: Alles was im Lauf der Evolution lange genug anwesend ist, wird in das Genom eingebaut. Nehmen sie beispielsweise Bakterien, die an siedend heißen giftigen Quellen am Boden des Pazifik leben. Wenn sie davon eine Probe an einen Bioinformatik-Experten geben, um dessen Gene zu analysieren, so wird er nach wochenlangen Tests zu dem Resultat kommen, dass dieser Organismus Enzyme hat, die hohen Temperaturen standhhalten und dass er Schwefel einatmet, so wie andere Lebewesen Sauerstoff. Die Umwelt, in der ein Lebenwesen existiert, wird in das Genom eingebaut. Oder um ein noch krasseres Beispiel zu geben: Als vor langer Zeit in unserer Atmosphäre Sauerstoff entstand wurden dadurch die meisten Lebewesen getötet. Manchen gelang es in Sauerstoff-freie Umgebung zu flüchten und andere passten sich an. Und was geschah: Wir wurden vom Sauerstoff abhängig. Wir bauchen ihn, um zu leben. Wenn also etwas immer da ist, werden sich die Gene darauf einstellen und brauchen das in der Folge auch. Unser Immunsystem wurde dadurch überrascht, dass einige seiner alten Freunde plötzlich nicht mehr da waren.

Ehgartner: Wird der Kontakt zu Bakterien auch als Signal benützt, das naive Immunsystem des Ungeborenen in seiner sterilen Umgebung bei der Geburt umzustellen.

Rook: Es wurde oft darauf hingewiesen, dass es kein Zufall sein kann, dass der Geburtskanal so nahe am Anus liegt, wo das Baby sofort mit einem Schwall von Bakterien begrüßt wird. Bei Delphinen ist es etwa üblich, dass sie auf das neugeborene Baby koten. 90 Prozent aller unserer Zellen sind tatsächlich Bakterienzellen. Der Kontakt zu Bakterien war immer da. Bloß in den letzten 100 Jahren ging er – für unser Immunsystem völlig überraschend, schrittweise verloren.

Ehgartner: Was empfehlen sie denn den Familien, um dieses Manko aufzuholen? Die Kinder im Schweinestall spielen lassen?

Rook: Nein. Es geht um ein gesundes Mittelmaß. Wenn ein Kind draußen im Dreck wühlt und dann reinläuft, um sich mit den schmutzigen Fingern Essen zu nehmen, so tut es schon gut, das als Eltern etwas gelassener zu sehen. Zu wissen, dass das seiner Gesundheit eher nützt als schadet. Kontakt mit Dreck wäre nicht schlecht. Aber wie soll man das in unserer Gesellschaft umsetzen: Mit der täglichen Mist-Lieferung ins zwölfte Stockwerk? Das ist wenig praktikabel. Hier ist die Wissenschaft gefordert, Lösungen zu finden.

Ehgartner: Wie kann man diese Kenntnisse jetzt nützen für bessere Medikamente gegen Allergien oder Autoimmunkrankheiten?

Rook: Um diese komplizierten Erkennungsmuster zu kopieren wäre es besser man verwendet die originalen Moleküle, also die Bakterien oder die Würmer selbst.

Ehgartner: Nun weiß man ja, welche Signalstoffe hier produziert werden. Interleukin 10 beispielsweise oder TGF beta. Wären das nicht auch geeignete Wirkstoffe?

Rook: Nein. Denn man will diese Immunregulation ja nicht die ganze Zeit. Diese immunregulatorischen Zellen haben ja ihre ganz besondere Spezifität. Die sind ja nicht die ganze Zeit aktiv, sondern immer in Abhängigkeit zum Kontakt mit den Antigenen. Wenn man den puren Stoff nimmt, so würde man einen unverhältnismäßigen Effekt auslösen und bestimmte Mechanismen ständig unterdrücken. Man muss dem System erlauben, dann zu handeln, wenn es nötig ist. Und das weiß das System selbst am besten. Wenn sie hingege einen isolierten Wirkstoffn von außen zuführen, dann wissen sie nie, wann es Zeit ist, den Impuls wieder abzuschalten.

Ehgartner: Gibt es denn Beweise für den Einfluss der dentritischen Zellen auf die Regulation des Immunsystems?

Rook: Ja, es gibt Menschen mit einem genetischen Defekt, die einen bestimmten Transkriptionsfaktor mit Namen FOX-D3 nicht bilden können, der für die Bildung regulatorischer T-Zellen nötig ist. Und bei diesen Menschen finden sie sowohl Allergien als auch alle Formen von Autoimmunkrankheiten.

Ehgartner: Was meinen Sie denn, wie sehr die Hygiene-Hypothese mittlerweile im Mainstream der Wissenschaft etabliert ist?

Rook: Das ist für mich recht schwierig zu beantworten, weil alle Menschen die ich kenne, die Stärke der Argumente kennen, die für unsere Sicht sprechen. Aber nächsten Samstag fliege ich nach Honolulu zur Weltkonferenz der Kinderärzte. Und ich halte da einen einstündigen Vortrag im größten Kongress-Saal mit mehreren tausend Plätzen. Also dürften wir doch schon im Zentrum der Wissenschaft angekommen sein.

Ehgartner: Wie sehen Sie den Einfluss der Antibiotika-Überverschreibung auf das Immunsystem?

Rook: Sie haben einen enormen Effekt auf die Darmflora und es ist jedesmal eine Herausforderung, wieder eine gesunde Neubesiedelung zustande zu bringen. Wir haben in uns zehnmal so viele Bakterienzellen wie wir menschliche Zellen haben. Die Bakterienflora gilt genauso als Organ wie etwa die Nieren. Das ist Teil unseres Organismus.

Ehgartner: Es gibt schon eine Reihe von Nahrungsmitteln, wo gesunde Bakterien enthalten sind. Laktobazillen im Joghurt beispielsweise. Werden das die Arzneimittel der Zukunft?

Rook: Das Problem ist, dass es in der Nahrungsmittelindustrie kaum Regulationen gibt, obwohl Firmen wie Danone hier viel in die Forschung investieren. Aber wir haben gefunden, dass die meisten Laktobazillen, die hier verwendet werden, überhaupt keine Wirkung haben. Nicht alle Laktobazillen sind in der Lage, die regulatorischen Prozesse einzuleiten. Hier ist aber einiges unterwegs, um die geeignete Dosis und die geeigneten Stämme zu finden.

Ehgartner: Das Hauptproblem bei Allergien und Autoimmunkrankheiten ist, dass man langsam weiß, dass die Einflüsse in der Kindheit wesentlich sind. Doch gibt es auch Hoffnung für Erwachsene?

Rook: Wir wissen, dass es bei Kindern auf die ersten drei Jahre ankommt. Hier wird das System aufgebaut. Und hier sollten wir Fehler in vermeiden. Doch es gibt langsam auch Hoffnung für Erwachsene, wie die Studien mit den Würmern zeigen. Die Effekte sind aber jedenfalls größer in der Kindheit.

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Dienstag, 20. Mai 2008
intellectual conflict of interest
Kürzlich habe ich bei einem Symposium Russell Harris von der U.S. Preventive Services Task Force getroffen.

Prof. Russell Harris, U.S. Preventive Services Task Force, University of North Carolina (Foto: Ehgartner)

Ich habe mit ihm ein Interview geführt und wir kamen u.a. auf die problematische Grenzlinie zwischen "objektiver" Wissenschaft und den conflicts of interest zu sprechen. Weil ja die meisten hervorragenden Experten in bestimmten Beziehungen zur Industrie stehen, gibt es ab einer gewissen Liga niemand mehr, der noch nie Geld für einen Vortrag, eine wissenschaftliche Arbeit, oder ähnliches erhalten hat.

Harris vertrat dabei die Ansicht, dass man die finanziellen Beziehungen natürlich offen legen müsse. Er persönlich halte die "intellectual conflicts of interest" aber für noch wesentlich bedeutsamer.

Bei ihrer Arbeitsgruppe (die USPSTF publiziert evidence-based Empfehlungen zu allen Vorsorge-Maßnahmen) ist es Pflicht, diese vorgefassten Einstellungen offen anzugeben. Diese Personen sind dann von der Beratung zum jeweiligen Thema ausgeschlossen.

"Es wäre verlorene Zeit, mit Menschen in einen Diskussionsprozess zu gehen, die nicht wirklich in jede Richtung offen sind", sagte Harris. "Denn unsere Aufgabe ist es, die vorhandene Evidenz objektiv zu prüfen - und nicht, die anderen Kollegen von unserer Meinung zu überzeugen."

Würden diese Maßstäbe auf das Impfwesen angewendet, stünden wohl die meisten Kommissionsmitglieder "draußen vor der Türe".

Fred Zepp, der Mainzer Kollege von Ex-STIKO Boss H-J Schmitt - und im Gegensatz zu diesem immer noch in der STIKO, sagte mir, dass es bei Impfungen natürlich völlig unmöglich wäre, Experten zu finden, die keine Beziehungen zur Industrie haben. "Sonst müssen Sie Hausfrauen in die STIKO setzen."

Ich denke, dass Zepp unrecht hat: Zu denken, dass nur Impfexperten in der Lage sind, dieses Fachgebiet intellektuell zu erfassen, zeugt von gewaltiger Selbstüberschätzung.
Harris fand z.B. gar nichts dabei, Hausfrauen, Konsumentenschützer, Ökonomen in so eine Kommission dazu zu nehmen. "Denn wenn die Fakten am Tisch liegen, geht es um deren Abwägung - und da ist eine vorgefasste Meinung wesentlich hinderlicher als ein nicht so ausgeprägtes Expertenwissen."

Durchgesetzt hat sich diese Sichtweise bislang noch nicht.
Bei Impfkommissionen ist es sogar glatt umgekehrt:

Hier ist eine vorgefasste Meinung nämlich Aufnahmebedingung.

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