Donnerstag, 18. Dezember 2008
Sie wollen nur unser Bestes
Beim Streit um Gesundheitsreform, Pensionserhöhung, Pflegegeld oder "Hacklerregelung" wurde um jeden Euro gefeilscht, bis sich die Regierungskoalition in Österreich selbst sprengte. Bei den Banken wird nun nicht mehr gekleckert, sondern ungeniert geklotzt.
Das inspirierte Attac zu einem netten Spot.

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Mittwoch, 10. Dezember 2008
Ansteckende Lebensfreude
lachende FrauKann ein fröhlicher Nachbar, die ganze Umgebung mit Lebensfreude infizieren? Warum werden die Freunde von Dicken selber dick? Und sind Kopfschmerzen ansteckend? In der aktuellen Ausgabe des britischen Ärzteblattes (BMJ) ist ein amüsanter Schlagabtausch im Gange, ob sich soziale Phänomene Epidemie-artig ausbreiten können, oder ob das Unfug ist.

Framingham, ein Ort in der Nähe von Boston im US-Bundesstaat Massachusetts, gilt als die besterforschte Gemeinde der Welt. Seit 1948 unterzieht sich ein Großteil der Bürger freiwillig ärztlichen Untersuchungen, sowie einem ausufernden Fragenkatalog über alle Bereiche des Lebens.
Über die Framingham-Studien wurden zahllose Risikofaktoren identifiziert, darunter so berühmte wie Rauchen, Cholesterin oder Übergewicht.

Der unglaubliche Datensschatz inspiriert die Wissenschaftler auch immer wieder zu - auf den ersten Blick absurden - Gedankenspielen. So wurden die Framinghamer Bürger beispielsweise auch gebeten, die Namen und Adressen ihrer Freunde bekannt zu geben. Weil diese zum Großteil auch Studienteilnehmer sind, ergab sich ein soziales Netzwerk aus 4739 Personen, über die (fast) alles bekannt war. Statistikerherz, was willst du mehr?

Nicholas Christakis, Soziologe an der Harvard Medical School und der Politologe James Fowler von der Universität von Kalifornien in San Diego interessierten sich für das Lebensglück der Einwohner, das über die Antworten auf mehrere Fragen in einer Skala festgelegt wurde.
Dabei stellte sich heraus, dass Lebensfreude tatsächlich ansteckend ist, und sich über das soziale Netz in Beruf, Nachbarschaft und Freundeskreis epidemisch ausbreitet.
Seltsamerweise ist der eigene Ehepartner dabei am wenigsten infektiös. Die Chance, dass das Glück von Mann oder Frau aufeinander übersprang, betrug nur recht magere acht Prozent. Wenn ein glücklicher Bruder oder eine happy sister in der Nähe lebte, stieg die Chance auf das eigene Lebensglück immerhin um 14 Prozent. Die intensivste Ansteckungsgefahr geht hingegen von den unmittelbaren Nachbarn aus. Wenn diese über den gemeinsamen Gartenzaun regelmäßig gute Stimmung verbreiten, so steigt die eigene Lebensfreude gleich um satte 34 Prozent.

"Alles Blödsinn", entgegneten der Finanzfachmann Ethan Cohen-Cole sowie Jason Fletcher, Public Health Experte an der Yale University. Soziale Faktoren seien keinesfalls ansteckend, sondern würden durch gemeinsame Lebensumstände erklärt.
Die beiden nahmen sich dazu drei solche Phänomene: die Hautkrankheit Akne, die Körpergröße und Kopfschmerzen. Sowohl Akne als auch Kopfschmerzen gelten als nicht ansteckend. Und dennoch kam bei der Auswertung dasselbe raus, wie bei der Lebensfreude: Das persönliche Umfeld übt einen enormen Einfluss aus. Freunde mit Akne erhöhen das eigene Aknerisiko um 62 Prozent. Die Migräne der Freundin springt zu 47 Prozent über. Und sogar die Körpergröße färbt zu 20 Prozent ab.
Was steckt hier also dahinter? Suchen sich große Menschen nur annähernd gleich groß gewachsene Freunde und bleiben ebenso unter sich, wie die Kleineren?
Keinesfalls, lautet die Antwort der Autoren. Die Antwort liegt vielmehr in den Einflussfaktoren aus Alter, ethnischer Herkunft, Ausbildung und sonstigem Sozialmilleu. Latinos seien nunmal im Schnitt etwas kleiner als "Kaukasier", wie Angehöriger weißer Hautfarbe im angloamerikanischen Sprachraum wissenschaftlich bezeichnet werden. Auch die Neigung zu Akne hängt mit der Herkunft zusammen. Und bei Kopfschmerzen steigt das Risiko eben mit Bildung und Einkommen. So unspektakulär ließen sich diese Phänomene erklären.
Und auch das Deutsche Ärzteblatt lässt sich von dieser miesen Stimmung anstecken:
"Tatsächlich dürfte der Unterhaltungswert solcher Studien für die Medien größer sein als der wissenschaftliche Erkenntnisgewinn."

Ich bin mir da nicht so sicher. Denn hat schon einmal jemand untersucht, worin das Wesen von Störgrößen besteht?
Warum haben denn Menschen aus Familien mit höherer Bildung und Einkommen eher Kopfschmerzen?
Etwa deswegen, weil sie mehr über Kopfschmerzen reden und damit die Aufmerksamkeit und die Sensibiliät für das "Nachspüren" eigener Kopfschmerzen erhöhen?
Wer hier erst mal die Schmerz-Schwelle ordentlich runter gefahren hat, wird schon minimalste Kopfschmerzen wahr nehmen und allein durch die Aufmerksamkeit werden auch die Schmerzen intensiver. Und wenn sich diese dann auch noch für ein bestimmtes Argumentationsmuster eignen (Z.B: Absage einer unliebsamen Einladung, Sexverweigerung, Beenden oder Aufschieben von Arbeit, Schwänzen der Schule), so kann sich Kopfschmerzen rasch verselbständigen und unbewusst internalisiert werden.
Ein Hinweis auf den enormen Einfluss psychischer Faktoren ist auch die hohe Empfänglichkeit von Kopfschmerzen auf Plazebo-Therapie.

Wer diese Phänomene als simple statistische Störgrößen abtut, greift meiner Meinung nach gewaltig zu kurz.

Denn es ist nunmal eine Tatsache, dass Beispiele wirken. Ein Freundeskreis, in dem geraucht wird, erhöht die Rückfallsquote enorm. Während ein Freundeskreis, in dem alle stark übergewichtig sind, wohl auch eine Menge dafür nötiger Einstellungen und Lebensgewohnheiten vermittelt.

Dass sich diese Negativschleifen allerdings am Beispiel der Lebensfreude auch ins Gegenteil umkehren lassen, das ist für mich die positive wissenschaftliche Erkenntnis des Tages.

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Dienstag, 9. Dezember 2008
Statine als Balsam für kranke Blutgefäße
54 Prozent weniger Herzinfarkte, 48 Prozent weniger Schlaganfälle, ein Minus von 20 Prozent bei der Gesamt-Sterblichkeit. Wahrlich kein schlechtes Ergebnis für ein Cholesterin senkendes Medikament. Das beste kommt aber noch: Die Studienteilnehmer hatten gar keinen hohen Cholesterinspiegel.

aorta.jpgDie fast 18.000 Probanden, die in 26 Ländern für die JUPITER-Studie rekrutiert wurden, mussten als Teilnahmebedingung nämlich genau das Gegenteil vorweisen: Einen normalen Cholesterinspiegel mit einem LDL-Wert unter 130 mg/dl. Dafür aber sollten die beteiligten Männer (älter als 50) und Frauen (älter als 60) einen erhöhten Wert eines anderen Risikomarkers haben: C-reaktives Protein sollte über dem Grenzwert von 2,0 mg/l liegen.
C-reaktives Protein gilt ganz allgemein als Hinweis auf eine bestehende chronische Entzündung im Körper. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um Arteriosklerose, die mit Abstand häufigste Todesursache in den Industrieländern.
Langsam setzt sich die Erkenntnis durch, dass es nicht ein paar wenige Ursachen für die krankhaften Veränderungen, Verletzungen und Ablagerungen der Arterienwände (siehe Foto, © CDC/Dr. Edwin P. Ewing, Jr.) gibt, sondern zahlreiche. Die wichtigsten negativen Einflüsse sind Rauchen, schlechte Ernährung sowie Stress. Rauchen hat jedoch einen derart überragend negativen Einfluss, dass sich Raucher zumindest keinen Stress mehr wegen schlechter Ernährung machen müssen. (Dies nur als kleinen Trost für die Giftler unter Euch.)

Astra Zeneca, Hersteller des getesteten Statins (Crestor) und natürlich auch Financier der Studie, freute sich sehr. Und auch auf der Tagung, wo die Arbeit präsentiert wurde, machte sich laut Deutschem Ärzteblatt heftige Jubelstimmung breit. Das sei die "wichtigste Studie des Jahrzehnts" und werde "die gesamte Kardiologie" verändern.

Natürlich gibt es gegen vorzeitige Euphorie auch berechtigte Einwände. So klingt die Risikoreduktion wesentlich bescheidener wenn der Vergleich in absoluten, statt in relativen Zahlen angegeben wird: Demnach waren in der Statin-Gruppe 83 Personen (0,9 Prozent), in der Placebogruppe 157 Personen (1,8 Prozent) von den vordefinierten Endpunkten (Herzinfarkt, Schlaganfall, Herztod) betroffen. Die absolute Risikoreduktion betrug also "nur" 0,9 Prozent.
Dieser hoch signifikante Unterschied gab den Ausschlag, um die Studie nach 1,9 Jahren vorzeitig abzubrechen. Eigentlich war eine Laufzeit von 4 Jahren vorgesehen.
Dieser Unterschied bedeutet aber auch, dass man immerhin 120 Personen 1,9 Jahre lang mit Statinen behandeln muss, um einen einzigen kardiovaskulären Vorfall zu vermeiden.
Wie lange dieser Vorfall vermieden wird - ob es sich dabei um einige Jahre oder nur um wenige Monate handelt, wurde mit JUPITER nicht geklärt.
Dafür lässt es sich recht einfach ausrechnen, dass die Vermeidung/Verzögerung einer einzigen Herzattacke (bzw. eines Schlaganfalles) mit Crestor Kosten von mehr als 250.000 Euro verursacht.
Bei der kurzen Laufzeit der Studie ist zudem noch unklar, wie schwer die Nebenwirkungen der Therapie wiegen. Schon jetzt zeigte sich ein signifikant negativer Einfluss auf die Neu-Entstehung von Diabetes. Und das obwohl nur gesunde Personen als Probanden zugelassen wurden. Wie sich der Masseneinsatz des Medikaments bei den in der "Normalwelt" meist multimorbiden älteren Menschen auswirkt, ist schwer abschätzbar.
Zudem zeigen aktuelle Arbeiten, dass die radikale Senkung von Cholesterin auch mit anderen Risiken, etwa von Depressionen oder Krebs assoziiert ist.
Der Kardiologe Mark A. Hlatky von der Stanford University warnte in seinem Editorial im New England Journal of Medicine denn auch eindringlich vor einer zu euphorischen Aufnahme dieser Ergebnisse, auch wenn sie zweifellos bemerkenswert wären.

Mir erscheint an dieser Studie zusätzlich interessant, dass sich damit die Bedeutung eines hohen Cholesterinspiegels weiter relativiert.
Lange Zeit wurde der Cholesterin senkende Effekt der Statine ja als deren eigentlicher Wirkmechanismus betrachtet.
Nun zeigt sich immer mehr, dass in Wahrheit ihre entzündungshemmenden Eigenschaften den wesentlichen Vorteil der Statine darstellen und diese scheinbar völlig unabhängig von hohem oder normalem Cholesterin bestehen.
Nachdem viel Hirnschmalz in die Klärung der Frage investiert wurde, wie Statine in den Cholesterin-Stoffwechsel eingreifen, steht dieselbe Arbeit beim Mechanismus der Entzündungsabläufe in den Arterien noch zum Großteil bevor.
Klar aber dürfte schon jetzt sein: Einfache Antworten - wie z.B. die Ablagerung von fettigen Plaques als Folge von fettigem Essen - haben endgültig ausgedient.

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Sonntag, 7. Dezember 2008
Verbieten wir die Vitamine!
vitamine.jpgDass Vitaminpillen und -zusätze kaum einen positiven Effekt haben, steht seit Jahren fest. Im aktuellen JAMA beweist nun abermals eine große Studie den fehlenden Nutzen. Einzig das Risiko für Hirnblutungen steigt signifikant. Warum entsorgen wir den Dreck nicht endlich?

Zu Beginn der 90er Jahre war die Vitaminwelt noch in Ordnung. Die so genannten „freien Radikale" waren als wichtige Auslöser von Arteriosklerose, Krebs und diversen Alterungsprozessen überführt worden.
Doch die Retter waren gleich mit identifiziert: die Vitamine A, C und E, die als „Radikalenfänger" ausschwärmen und die Blutgefäße und Zellwände vor den schädlichen Oxidationsprozessen schützen sollten, indem sie selber mit den freien Radikalen Verbindungen eingehen und auf diese Weise neutralisieren.
Ernährungswissenschafter und Ärztegesellschaften rieten deshalb zur vorbeugenden Vitaminkur, am besten über frisches Obst und Gemüse, fünf Portionen pro Tag.
„Daran hält sich aber in der Praxis nicht einmal ein Zehntel der Bevölkerung", klagten die Vitamin-Verfechter, und empfahlen Mitte der neunziger Jahre das Gießkannenprinzip: „Vitaminzusätze sollten so wie Impfungen der gesamten Bevölkerung verabreicht werden - auch jenen, die es sich nicht leisten können", formulierte es beispielsweise Lester Packer, führender Antioxidantien-Experte der Universität Berkeley/CA.
Wie die meisten seiner Kollegen hielt es Packer nicht für nötig, eine Obergrenze einzuziehen. Problematisch sei nur der Mangel: „Denn Antioxidantien sind selbst hundertfach über der empfohlenen Tagesdosis nicht giftig."
Die Presse verbreitete die Hoffnung der Experten mit euphorischen Berichten. Vitamine als Antioxidantien waren bald in aller Munde - meist in Form von Pillen und Mulitvitamin-Säften. Bis heute ist es ungeheuer mühsam, im Supermarkt Produkte einzukaufen, denen keine künstlichen Vitamine zugesetzt sind. Speziell bei Kinder-Nahrungsmitteln und bei Tiernahrung.

Und das obwohl die Vitamin-Euphorie mittlerweile längst als wissenschaftlicher Irrweg gilt. Unveränderte Jubellieder zur Vitaminkur kommen heute nur noch von dubiosen Geschäftemachern wie dem Vitaminguru Dr. Rath oder ähnlichen wissenschaftlichen Ignoranten.

In der Realität zeigen die Studien entweder gar keinen Effekt - oder einen negativen.

• Den Beginn machten die löblichen Ansätze, unverbesserlichen Rauchern mit Betacarotin Kapseln (Vitamin A) zumindest einen kleinen Teil des gesundheitlichen Schadens abzufangen. Dumm nur, dass das nicht funktionierte. Eine der Arbeiten musste sogar abgebrochen werden, weil die Raucher im Vitamin-Arm der Studie ein um 46 Prozent höheres Lungenkrebs-Risiko hatten, wie in der Kontrollgruppe mit Placebo-Pillen.

• Noch trister ist die Bilanz bei Vitamin E, das als große Hoffnung, sowohl für Diabetiker als auch zur Krebsvorsorge galt. Leider zeigte sich bei Diabetikern ein Nulleffekt - auch nach sieben Jahren Einnahme. Lediglich ihr Risiko auf eine unheilbare Herzschwäche stieg signifikant (Hope-Studie). In der Krebsvorsorge derselbe Nulleffekt. Und bei Patienten die bereits an Krebs erkrankt waren, kehrte sich die Therapie ins Gegenteil: Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren, denen nach der Strahlenbehandlung hohe Dosen Vitamin E verabreicht wurden, zeigten eine beinahe dreifach höhere Rate an Zweittumoren.

• Vitamin D Pillen wurden erfolglos zur Vorsorge gegen Knochenbrüche getestet (Record-Studie)

• B-Vitamine: Die im Sommer 2005 präsentierte norwegische NORVIT-Studie beobachtet seit 1998 knapp 3.800 Herzinfarkt-Patienten, die zur Infarktvorsorge die als herzschützende Stoffe geltenden Vitamine B6, B12 und Folsäure einnahmen oder eben ein Placebo bekamen. Keine der Vitaminkombinationen brachte den Teilnehmern Vorteile. Jene, die eine Kombination aus den Vitaminen B6 und Folsäure eingenommen hatten, hatten sogar ein um 20 Prozent höheres Risiko eines neuerlichen Infarkts oder Schlaganfalls.

• Am günstigsten ist die Bilanz noch bei Vitamin C. Hier zeigen sich zumindest keine auffälligen negativen Ergebnisse. Wir scheinen Vitamin C sogar in Hochdosen recht gut zu vertragen. Dünnpfiff sorgt notfalls für einen raschen Export. Und hier und da finden sich sogar vereinzelt positive Ergebnisse (z.B. bei Sportlern).

Die derzeit aktuellste Arbeit ist im Journal der amerikanischen Ärztegesellschaft (JAMA) erschienen.
Dabei handelt es sich um den Endbericht einer placebo-kontrollierten Studie, an der mehr als 14.000 männliche Ärzte teilnahmen, die zu Studienbeginn im Jahr 1997 mindestens 50 Jahre alt waren. Geprüft wurde die Frage, ob die regelmäßige Einnahme von Vitamin C bzw. Vitamin E - Präparaten günstige Auswirkungen auf die Vermeidung kardiovaskulärer Erkrankungen hat.
Die Antwort war in jeglicher Beziehung negativ. Weder weniger Herzinfarkte, noch weniger Schlaganfälle, noch ein geringeres Sterberisiko. Die beiden Vitamine lieferten sich beinahe einen Paarlauf. Kein einziges Ergebnis war signifikant.
Mit Ausnahme des Risikos auf Hirnblutungen. Hier wurde in der Vitamin E - Gruppe ein Risikoanstieg um 74 Prozent beobachtet.

Mittlerweile weiß man auch etwas mehr über die biologischen Zusammenhänge.
Vitamin E ist etwa ein sehr guter Radikalenfänger und senkt dadurch das Oxidationsrisiko in den Zellmembranen was als eine der Hauptursachen für Herzinfarkt und Schlaganfall gilt. Allerdings werden aus den intakten Vitamin E Molekülen nach getaner Arbeit selber Radikale, die z.B. bei der Oxidation des LDL-Cholesterins eine negative Rolle spielen können, vor allem bei zu hoher Dosierung. Und das ist bisher wohl unterschätzt worden.

Warum, frage ich mich, zeigen all diese Ergebnisse keinerlei Auswirkungen auf die Praxis?
Warum ist nach wie vor ein hoher Teil der Supermarkt-Ware Vitamin-verseucht?
Warum greifen hier die Behörden nicht ein?

Verbieten wir doch endlich die - im besten Fall sinnlosen, oft aber gesundheitsschädlichen - künstlichen Vitamine.

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Samstag, 6. Dezember 2008
Neues Diagnose-Verfahren bestätigt Hirnschäden bei ADHS
ADHS-Kind.jpgMit einem neuartigen Verfahren der Magnet-Resonanz-Tomografie gelang es nun, Hirnveränderungen bei Kindern mit Aufmerksamkeitsdefizit Hyperaktivitäts Störung (ADHS) bildlich darzustellen. Offen bleibt die Frage, was diese Anomalien verursacht.

Das Team des "Kennedy Krieger Institute" in Baltimore/Md. verglich die Gehirnstrukturen von 47 ADHS-Kindern mit jenen von 66 Kindern ohne Entwicklungsstörung. Dabei fanden sich bei den Knaben eindeutige Formunterschiede und ein verringertes Volumen im Bereich der Basalganglien. Die betroffene Hirnregion ist besonders bei der Kontrolle der Motorik involviert. Bei Mädchen wurde keine signifikanten Veränderungen festgestellt, was abermals auf den starken Einfluss des Geschlechts bei dieser Krankheit hinweist. Die Arbeit wurde im "American Journal of Psychiatry" publiziert.
Die Ergebnisse hatten sich auch in vorangegangenen Studien bereits angekündigt. Allerdings brauchte es das neue technische Verfahren, um die Volumsbestimmung zu präzisieren. Zuvor hatten die Messungenauigkeiten konkrete Aussagen nicht möglich gemacht, auch wenn bereits ein Trend sichtbar war.

Ob die Hirnveränderungen von Geburt an bestehen, oder ob sie, beispielsweise über entzündliche Prozesse oder Vergiftungen im frühen Lebensalter hervorgerufen werden, ist unklar - und bezeichnet das Grundrätsel von ADHS. Seit Jahrzehnten wird heftig über alle möglichen Ursachen dieser Störung diskutiert. Manchmal sogar über die Frage, ob es sich dabei überhaupt um eine Störung handelt, oder ob nicht bloß eine gestörte Gesellschaft mit "den besonders aktiven und frechen Kindern" nicht mehr zurecht kommt - und diese deshalb "mit Psychopharmaka ruhigstellt".
Aussagen wie diese kommen meist von Personen, die noch nie näheren Kontakt mit ADHS-Betroffenen hatten.

Wesentlich ernsthafter sind wissenschaftliche Überlegungen, die ADHS zum Krankheitsbereich des Autistischen Spektrums zuzählen. Auch hier gibt es etwa das selbe Geschlechterverhältnis (dreimal mehr betroffene Knaben als Mädchen), die selbe Bedeutung der genetischen Komponente, und etwa das selbe Manifestationsalter.
Bei Autismus besteht das Kernproblem in einer "Vernetzungsstörung" im Gehirn, wo bestimmte wichtige Areale nicht miteinander in Kontakt sind, isolierte Areale aber à la "Rain Man" besonders hoch entwickelt sein können.
ADHS wäre somit ein Spezialform von Autismus. Welche Krankheit sich manifestiert, hängt demnach von Art und Ausmaß der Hirnschädigungen ab.

Nach dieser These muss also irgendwo ein Umwelteinfluss bestehen. Die erbliche Komponente wirkt sich bloß in einer höheren Empfänglichkeit für die Auswirkungen dieses unbekannten Faktors aus.
Für dieses Argument spricht, dass sich eine Erbkrankheit über die Jahrhunderte in der Prävalenz recht stabil verhält, sich die Fallzahlen bei Autismus und Hyperaktivität aber im Lauf der letzten Jahrzehnte vervielfacht haben. Von Autismus ist heute laut Untersuchungen der US-Behörde CDC etwa eines von 150 Kindern betroffen. An ADHS leiden etwa 4 Prozent der Kinder in Deutschland. Im Schnitt befindet sich also bereits in jeder Schulklasse ein Zappelphilipp.
Worin aber besteht dieser fatale Umwelteinfluss?

Manche vermuten den Schuldigen in der fortgeschrittenen Reizüberflutung im Kindesalter mit Dauerfernsehen, Computerspielen und Mobiltelefonen. Andere in der Strukturlosigkeit mancher Familien oder in den überfordernden Leistungs-Ansprüchen der Schule. Ältere Thesen identifizierten Erziehungsfehler, Vernachlässigung oder frühkindliche Traumata als Auslöser. Dass daraus organische Hirnschäden entstehen, wäre allerdings ungewöhnlich.
Im Journal Lancet thematisierte vor einem Jahr eine Studie den Einfluss von Lebensmittel-Zusätzen auf Hyperaktivität. Als problematisch erwiesen sich dabei bestimmte Farbstoffe sowie das Konservierungsmittel Natriumbenzoat (E 211)
Mir persönlich erschiene es wichtig, endlich auch den möglichen Einfluss der Impfungen im Babyalter unvoreingenommen zu untersuchen. Konkret geht es dabei um die Aluminiumsalze, die in zwei Drittel der derzeitigen Kinderimpfungen als Hilfsstoffe enthalten sind. Dass diese Substanzen beträchtliches toxisches Potenzial haben, zeigte erst kürzlich eine kanadische Studie.

Anstatt die Ursachensuche ernsthaft zu forcieren, beschäftigen sich Wissenschaft und Medizin aber lieber mit der Verwaltung und Vermarktung von ADHS. Ritalin und Co. sind heute Magaseller. Und die ADHS-Experten gut im Geschäft.

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Freitag, 5. Dezember 2008
Ärzte als Komplizen der Konzerne
Kürzlich stellte der "Bittere Pillen"-Autor Hans Weiss sein neues Buch "Korrupte Medizin" vor, in dem er zeigt, wie bereitwillig sich Ärzte von Pharmafirmen bezahlen und einspannen lassen. Wie sie sich dafür rechtfertigen, habe ich selbst am Beispiel der österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (ÖGAM) erfahren.

"Wie korrupt sind Ärzte?", fragte das Nachrichtenmagazin profil auf seiner Titelseite und beschrieb den Wallraff-Ansatz des neuen Buches: korrupte-medizin-cover.jpg
Weiss hatte ungewöhnliche Methoden gewählt, um an brisante Informationen zu kommen. Er absolvierte eine sechsmonatige Ausbildung zum Pharmavertreter und gründete auf dem Papier eine Beratungsfirma für die Arzneimittelindustrie, um sich eine neue Identität zu verschaffen. Mal trat er als Arzt auf, mal als Pharma-Consultant oder als Export-Import-Händler und verwendete außer seinem Autoren- auch seinen Geburtsnamen Johann Alois Weiss, das Pseudonym Peter Merten sowie den erfundenen Firmennamen „Solutions - Pharma-Consulting".
Weiss zeigte, wie einfach es ist, nahezu jeden Arzt in Kampagnen einzuspannen, die auf die eine oder andere Weise der Promotion von Medikamenten dienen. Zahlreiche Spitzenmediziner ließen sich problemlos bestechen. Große Beraterfirmen sammeln Daten über Ärzte und verkaufen sie Pharma-Konzernen. Die teilen Ärzte in Verschreibungsklassen ein und starten ihr aggressives Marketing, schreibt Hans Weiss. "Jeder Arzt wird von der Firma danach beurteilt, nützt mir der was, wie viel bringt er mir, wenn ich den einkaufe. Ein Drittel aller niedergelassenen Ärzte in Deutschland liefert genaueste Auskünfte über sich selber und liefern damit der Pharmabranche selber den Strick, an dem sie dann wie Marionetten baumeln", erklärte er im ORF-Morgenjournal.
Die Komplizenschaft zwischen Pharma-Industrie und Ärzten bezahlen die Patienten, führt Hans Weiss aus. Denn, so seine Kritik, Medikamente seien viel zu teuer, die Wirkstoffe kosten einen Bruchteil des Verkaufspreises. "Die 2,6 Milliarden Euro, die die Krankenkassen in Österreich für Medikamente ausgeben, sind in Wirklichkeit nur rund 50 Millionen Euro wert."
Ein konkretes Beispiel, wie diese "Kooperation" zwischen Ärzten und Industrie in der Praxis abläuft, haben Kurt Langbein und ich in der TV-Sendung "Report Spezial" dokumentiert, die vor zwei Wochen im ORF ausgestrahlt wurde.
Wir drehten dazu am Internisten-Kongress in Graz, wo u. a. heftig für den umstrittenen Cholesterinsenker Inegy geworben wurde. Dazu lag am Firmenstand ein Stapel mit Konsensus Berichten der Österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin auf, in der ein Überblick zur Evidenz-basierten Prävention, Diagnostik und Therapie der chronisch koronaren Herzkrankheit gegeben wurde.
ÖGAM-Vorsitzender Erwin Rebhandl beschreibt in einer Kolumne der Zeitschrift "periskop" den Zweck solcher Konsensus-Statements so:
Erwin Rebhandl.jpg
Das Konsensus-Statement der ÖGAM versteht sich als wissenschaftliche Publikation und stellt einen praxisorientierten Leitfaden dar, der dem Allgemeinmediziner in präziser und klar strukturierter Form als Orientierungshilfe dienen soll, um die Patientenbetreuung zu optimieren und auch die Kooperation und Kommunikation mit den Spezialisten weiter zu verbessern.
Ob das im März 2008 veröffentlichte KHK Papier dazu dient, die Patientenbetreuung zu optimieren, ist zweifelhaft. Denn in erster Linie dient es dazu, den praktischen Ärzten die Verschreibung des Wirkstoffes Ezetimib (enthalten in Inegy) schmackhaft zu machen. Ganze 25 Mal wird der vom US-Konzern Schering-Plough entwickelte Cholesterinsenker im ÖGAM-Bericht erwähnt. Dreimal sogar falsch geschrieben ("Ezitimib"). Und die Botschaft ist klar: Sobald es nicht gelingt, den angestrebten niedrigen LDL-Wert mit der Verschreibung von Statinen zu erreichen, sollte sofort das Statin-Ezetimib Kombi-Präparat Inegy eingesetzt werden.

"Wir können diese Papiere nur dann produzieren, wenn wir finanzielle Unterstützung von der Industrie haben", erklärte dazu ÖGAM-Chef Erwin Rebhandl im Report-Spezial. "Wir versuchen, wo es geht, mehrere Firmen als Sponsoren zu gewinnen, um eben das zu vermeiden, dass ein Produkt zu stark gepusht wird."

Beim KHK Papier scheint diese Ausgewogenheit etwas gelitten zu haben. Wohl deshalb weil es sich bei den beiden Sponsoren um die Hersteller von Inegy, Schering-Plough und MSD handelte.

"Es ist sicher nicht optimal, dass es nur einen einzigen Sponsor gegeben hat", gibt sich Rebhandl zerknirscht. "Aber wenn wir nur einen finden, müssen wir schauen, dass wir das trotzdem umsetzen können."

Was eigentlich genau umsetzen?

Erraten: Es geht um das Image der ÖGAM. Ein Gegengeschäft: Hier ein wenig Pharmawerbung, dafür kann die ÖGAM ihren Mitgliedern gegenüber den Eindruck vermitteln, dass es sich dabei um eine hoch aktive, öffentlich präsente Ärztevereinigung handelt, bei der es sich lohnt Mitgliedsbeitrag zu bezahlen.

Die PR-Vertretung der ÖGAM erfolgt seit vielen Jahren über die Agentur Welldone, bzw. von "peri-consulting". Zwei Firmen, die in der berühmten Lazarettgasse 19 in Wien logieren und an denen Peter Riedl maßgeblich beteiligt ist. Näheres zu diesem wohl umtriebigsten Pharma-Lobbyisten Österreichs und seinen diversen Firmen findet sich hier oder hier. Erst kürzlich gelang "peri" das Kunststück, eine Kampagne zu fahren, in der sich die Spitzen der Kassen bereitwillig selbst ins Knie schießen.

Im selben Haus befindet sich weiters die Firma "Update Europe", die sich auf Ärztefortbildung konzentriert. Auch sie gehört den Welldone Besitzern. Auf der Website der ÖGAM wird für die Ärzte-Krone geworben: „ÖGAM-News finden Sie in der Ärzte-Krone". Auch an diesem Verlag ist der Welldone Geschäftsführer mit 20% beteiligt. 10% hält der Leiter des Gesundheitsressorts der Kronen Zeitung Dr. Wolfgang Exel.
Die Ärzte vertreten aber auch gleich die Patienten mit. „Der Österreichische Patient" heißt eine Initiative der ÖGAM, die ebenfalls in der Lazarettgasse logiert.

Die Vertreter von Welldone bieten die Leistungen der ÖGAM offensiv den Pharmafirmen an. Uns liegt dazu eine Preisliste vor.
Ein "Pharma-Scan" oder "Newsletter" (wird auch auf der ÖGAM-Homepage veröffentlicht) kommt laut Liste auf 10.500 Euro. (exkl. Honorar für Experten) Konsensus-Berichte kosten 20.300 Euro (nur schriftliche Aktualisierung, Modifikation). Wenn ein Meeting vorgesehen ist, steigt der Preis auf 22.450 (excl. Honorare, Spesen der Teilnehmer, Chair, Unterkunft, Catering, Technik).

Die Preise stammen von 2005 und sind seither möglicherweise angehoben worden. ÖGAM-Vorsitzender Erwin Rebhandl betont, dass das Geld jedoch nicht von seiner Gesellschaft kassiert wird, sondern bei "unserer Agentur" bleibt. Schließlich müsse diese ja auch viel Hintergrund-Arbeit leisten. Update Europe, besorge etwa die Literaturrecherchen.

Dabei werden aber scheinbar Rückschläge für das zu bewerbende Medikament nobel zurückgehalten. Bei Erscheinen des ÖGAM-Papiers war beispielsweise seit zwei Monaten die Ergebnisse der ENHANCE-Studie bekannt. Sie sollte eigentlich zeigen, dass Ezetimb das Wachstum der Gefässablagerungen (Plaque) reduzieren kann. Stattdessen wuchsen die Ablagerungen bei Patienten, die Ezetimb zusammen mit Simvastatin als Cholesterinsenker erhalten hatten, sogar stärker als in der Kontrollgruppe mit Simvastatin allein.
Schließlich mussten auf Aufforderung der FDA Depressionen als weitere mögliche Nebenwirkung in den Beipackzettel dieser Medikamente aufgenommen werden. Im Sommer kamen erste Gerüchte auf, dass Inegy weitere schwere Nebenwirkungen hat. Sie hatten ihren Ursprung in Zwischenauswertungen der SEAS-Studie, die dann Anfang September veröffentlich wurde. Seither wird diskutiert, ob Ingey möglicherweise das Krebsrisiko erhöht.

Das ÖGAM Papier ist vollständig frei von derlei unangenehmen Nachrichten.
Rebhandl rechtfertigt das so: "Ein Papier kann immer nur den Stand bei Fertigstellung sozusagen repräsentieren. Manchmal passierts, dass das eben sehr knapp zusammen kommt und eine Information, die rauskommt, nicht mehr hineingegeben werden konnte, weil der Herstellungsprozess schon im laufen war."

Auf die Idee, dazu einen Newsletter herauszubringen und auf diese beunruhigende Entwicklung hinzuweisen, kam die ÖGAM ebenso wenig, wie einen simplen Hinweis auf der eigenen Homepage zu posten.
Möglicherweise fanden sich dafür keine Sponsoren.

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Donnerstag, 4. Dezember 2008
Warum schreit die Schimpansin beim Sex?
chimpcry.jpg
Es geht nicht darum, die eigene Fruchtbarkeit zu bewerben, es geht auch nicht darum die Primatenbullen in den Wettkampf um die besseren Gene zu treiben. Die geräuschvolle Extase ist pure Überlebensstrategie.

Grunzen im Stakkato, schrille Schreie oder ein postkoitales Trompetensolo, zahlreiche Tiere geben ihrer Lust am Sex recht lautstark Ausdruck. Und so wie bei Löwen oder Elephanten sind es auch bei den Schimpansen vorwiegend die Weibchen, die den Ton angeben.
Doch was steckt dahinter? Handelt es sich dabei um pure weltverlorene Lustschreie, oder haben die Tiere Kontrolle über ihr Verhalten? Und falls es stimmt, dass weniger die Extase als die Strategie bestimmt, wie laut sie Stöhnen, was konkret bezwecken sie damit?

Diese existenziell wichtigen Fragen wollten Simon Townsend von der schottischen St. Andrews University und Klaus Zuberbühler vom Leipziger Max Planck Insitut für Evolutionäre Anthropologie ein für alle mal lösen. Also machten sie sich auf nach Uganda in ein Reservat für wilde Schimpansen und werteten exakt 287 zwischenaffliche Sexaffären penibel auf ihre akustischen und sozialen Begleitumstände aus.
Die Ergebnisse ihrer zehn Monate langen Feldforschung wurden kürzlich im Journal PloS ONE
veröffentlicht.

Bisher galt als anerkannte These, dass die Schimpansen-Weibchen mit ihren Schreien den Primatenbullen rundum lautstark signalisieren, dass sie fruchtbar sind. Die schrillen Lustlaute sind im Wald in einem Umkreis von 60 Meter nicht zu überhören. Damit, so die These, treiben die Weibchen die Männchen in einen Sex-Wettbewerb, verkürzen die Zeit bis zur nächsten Kopulation, wobei dann die gesündesten Spermien mit dem besten Erbgut das Rennen machen.
Gleichzeitig entstünde aus dieser Paarungsstrategie genügend Konfusion, um zu verschleiern, welches der Männchen nun tatsächlich die Vaterschaft für sich verbuchen kann. Dies ist durchaus von evolutionärer Bedeutung, weil Kindsmord bei Schimpansen ein häufiges Phänomen ist, die Männchen jedoch weniger gefährlich sind, wenn sie den Nachwuchs für eigene Brut halten.

Soweit die Theorie. In der Praxis ergab sich ein ganz anderes Bild. Denn hier zeigte sich, dass es in Wahrheit die Beziehung zwischen den Weibchen war, die den Ausschlag gab. „Der Wettkampf zwischen den Weibchen ist hart und enorm gefährlich", erklärt Simon Townsend. Immer wieder beobachteten die Wissenschaftler, dass es zu Störungen bei den Schäferstündchen kam und das kopulierende Paar getrennt wurde. Während die Männchen dabei halbwegs moderat eingriffen, attackierten Weibchen ihre Rivalinnen gezielt mit wüsten Tritten und gefährlichen Bissen. „Speziell wenn die Ressourcen knapp sind, ist der weibliche Konkurrenzkampf enorm", schreiben die Autoren, „und auf einem Paarungsmarkt mit so hoher Promiskuität werden auch Männchen und ihr Sperma zu einer begrenzten Ressource."

Deshalb verhielten sich Weibchen beim Sex eher leise, wenn Geschlechtsgenossinnen in der Nähe waren. Fühlten sie sich hingegen unbeobachtet oder waren nur Männchen im Publikum, so wurde es rasch recht laut, speziell wenn es mit einem hochrangigen Schimpansen-Bullen zur Sache ging.
Geräuschintensiver Sex bleibt den Männchen scheinbar in guter Erinnerung, und damit auch die Sympathie zu ihren Partnerinnen, was auch Schutz bei späteren Krisen inkludiert. Mehrfach wurden Bullen dabei beobachtet, wie sie kämpfende Schimpansen-Weibchen trennten oder Jungtiere vor Angriffen schützten.

Anders als bei bestimmten Affen oder auch bei Ratten hatten die Schreie bei den Schimpansen jedoch gar nichts mit der Anzeige von Fruchtbarkeit zu tun. Möglicherweise, so die Wissenschaftler, wäre eine derartige Botschaft auch kontraproduktiv, weil sie dadurch von bestimmten Männchen während ihrer fruchtbaren Phase mit Beschlag belegt würden und so die Vaterschaft nicht mehr verschleiern könnten. Das wäre jedoch gefährlich, weil die Liebe meist nicht lange währt und die allzu intensive Zuneigung eines einzelnen Lovers zu viele andere im Rudel eifersüchtig macht, was den Nachwuchs in Lebensgefahr bringt.

Wenn es den Weibchen jedoch gelänge, sich über intensiven Sex die bleibende soziale Unterstützung möglichst vieler hochrangiger Männchen zu sichern - ohne sich gleichzeitig mit den anderen Weibchen anzulegen, wäre das, so das Resultat der Primatenforscher, die erfolgreichste Strategie.

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Mittwoch, 3. Dezember 2008
Jeder fünfte Brustkrebs heilt von selbst
22 Prozent aller Fälle von Brustkrebs, die in den Mammographie-Programmen entdeckt und dann über Chirurgie, Bestrahlung oder Chemotherapie behandelt werden, wären von selbst wieder verschwunden. So lautet das Ergebnis einer spektakulären Studie aus Norwegen.

Mammographie

Überall in Europa war die Einführung von organisierten Früherkennungsuntersuchungen mittels Mammographie von einem enormen Anstieg der Brustkrebs-Rate begleitet. An sich eine logische Folge, die auch erwartet wurde. Denn, so das Dogma der Krebstherapie, "früh entdeckte Tumoren sind leichter heilbar". Später müssten diese Krebsfälle dann allerdings - weil geheilt - den Frauen erspart bleiben.
Ob dieser logisch klingende Schluss auch in der Realität hält, ist seit vielen Jahren heftig umstritten. Speziell Peter Goetzsche, der Direktor des Nordischen Cochrane-Zentrums in Kopenhagen ist hier vermehrt als Häretiker aufgetreten und hat allzu optimistische Annahmen kräftig erschüttert. Besonders gegen den Strich gehen ihm die Werbemaßnahmen für die offiziellen Screening Kampagnen, die mit objektiver Information über Nutzen und Risiken wenig zu tun haben.
Berühmt wurden die Kernsätze seiner 2006 publizierten Cochrane Review zu den Folgen des organisierten Mammographie-Screenings:
This means that for every 2000 women invited for screening throughout 10 years, one will have her life prolonged. In addition, 10 healthy women, who would not have been diagnosed if there had not been screening, will be diagnosed as breast cancer patients and will be treated unnecessarily. It is thus not clear whether screening does more good than harm. Women invited to screening should be fully informed of both benefits and harms.
Per-Henrik Zahl hat mit seinem Kollegen Jan Maehlen vom Norwegischen Institut für Public Health in Oslo nun eine weitere Facette in die Diskussion eingebracht. Nämlich die Frage, wie sich Brustkrebs verhält, wenn er gar nicht behandelt würde.

Dazu gingen die beiden recht raffiniert vor. Sie verglichen eine Kohorte von rund 120.000 Frauen im Alter zwischen 50 und 64 Jahren, die ab 1996 am ersten organisierten norwegischen Mammographie-Screening teilnahmen mit einer Kontrollgruppe von Frauen, die in den Jahren davor noch ohne Screening auskommen mussten. Die Altersgruppe wurde so gewählt, dass die Frauen der Kontrollgruppe im Jahr 1996, wenn die erste Gruppe gerade mit dem Screening begann ihre letzte Untersuchung absolvierten.
Damit hatte also auch die Kontrollgruppe am Ende der Untersuchungsperiode einmal ein Bruströntgen.
Die beiden Gruppen unterschieden sich hinsichtlich der Häufigkeit von invasivem Brustkrebs dramatisch:
In der Screening-Gruppe wurde bei 660 (pro 100.000) Frauen die Diagnose gestellt, in der Kontrollgruppe ohne Früherkennungsprogramm waren es nur 384 Krebsfälle.
Zwei Jahre vergingen und "der nicht entdeckte Krebs in der Kontrollgruppe hatte die Chance klinisch evident zu werden", schreiben die Autoren. Tatsächlich verkleinerte sich die Differenz zwischen den beiden Gruppen. Mit 1268 vs. 810 Fällen blieb dennoch die Krebsrate in der Screening Gruppe um 57 Prozent höher.
Nach sechs Jahren schließlich erhielten auch die Frauen in der Kontroll-Gruppe ihre erste Einladung zum Mammographie-Termin. Für die Frauen in der Screening-Gruppe war dies bereits der dritte Termin. Und nun wurden auch in der Kontrollgruppe viele Krebsfälle neu diagnostiziert. Dennoch blieb noch immer ein Unterschied von 22 Prozent aufrecht (2580 vs. 2152 Fälle).
Dieser Unterschied blieb auch nach weiteren zwei Jahren bei einem zusätzlichen Mammographie-Termin in beiden Gruppen konstant.

Was passierte also mit diesen 22 Prozent an Krebsfällen, die spurlos verschwanden? Das ist die Kernfrage, die sich aus dieser in der aktuellen Ausgabe der "Archives of Internal Medicine" publizierten Forschungsarbeit ergibt.
Der kalifornische Public Health Experte Robert M. Kaplan und der Ulmer Gesundheitsökonom Franz Porzsolt warnen in ihrem Kommentar, die Ergebnisse der Norweger auf die leichte Schulter zu nehmen. "Hier könnte sich eine Erklärung für Phänomene finden, die Wissenschaftler schon seit langem beunruhigen." Randomisierte klinische Studien bestätigen beispielsweise nur sehr selten die propagierten Vorteile des Screenings. Den Effekt über eine große gut gemachte Arbeit zu objektivieren, sei, so die beiden, "zwar wissenschaftlich notwendig, ethisch aber kaum durchsetzbar", zumal sich "ethische Bedenken häufig auf vorgefassten Meinungen basieren, aber nur selten auf Evidenz."

Die Studienautoren betonen, dass sich aus ihrer Arbeit keine Schlüsse ableiten lassen, ob Mammographie die Krebssterblichkeit reduziert. "Unsere Ergebnisse bringen aber neue Einsichten auf das wichtigste mit Mammographie verbundenen Schadenspotenzial, nämlich die Entdeckung und Behandlung von Krebsfällen, die sich von selbst zurückgebildet hätten."

Es ist dies nicht die erste Arbeit, mit der Per-Henrik Zahl und sein Team den Glauben an die heilsame Kraft der Früherkennung erschüttern. Die Medizinstatistiker publizierten bereits 2004 eine Studie, in der sie zeigen, wie sich die Einführung der Reihenuntersuchung in Norwegen auf die Zahl der Brustkrebserkrankungen ausgewirkt hat. Norwegen eignet sich sehr gut für einen Vergleich, weil das organisierte Screening im Jahr 1996 zunächst nur in fünf Bundesländern eingeführt wurde, die zusammen 40 Prozent der norwegischen Bevölkerung ausmachen. Der Unterschied war beträchtlich. Denn in den fünf Screeningländern stieg die Häufigkeit von Brustkrebs um 54 Prozent an.
Dass eine Früherkennungsmaßnahme die Zahl der entdeckten Krebsfälle erhöht, liegt in der Natur der Sache. Dies sollte allerdings dadurch kompensiert werden, dass dann in den späteren Jahren deutlich weniger Fälle von Brustkrebs gefunden werden. Schließlich, so die Grundthese der Früherkennung, sind diese Fälle ja schon zuvor, im leichter heilbaren Frühstadium entdeckt worden und müssen deshalb später fehlen. Soweit die Theorie, die sich in diesem Fall aber als reichlich grau entpuppte. Denn Per-Henrik Zahl fand keinen Rückgang der Krebszahlen im höheren Alter, der den enormen Anstieg von 54 Prozent auch nur annähernd ausgeglichen hätte.
Um zu sehen, ob es sich bei diesem Ergebnis um eine norwegische Besonderheit handelte, besorgten sich die Wissenschaftler auch noch die Zahlen aus Schweden, wo das Screening bereits zehn Jahre früher, zur Mitte der Achtzigerjahre, eingeführt wurde. Drei Viertel aller Frauen in der Zielgruppe der 50- bis 69-Jährigen nahmen dort das Angebot an. Zuvor lag in Schweden der jährliche Anstieg der Brustkrebsrate bei 0,8 Prozent. Mit der Einführung des Screenings ergab sich auch beim skandinavischen Nachbar ein plötzlicher radikaler Anstieg der Krebsrate um 45 Prozent. Auch hier fanden die Wissenschaftler keinen nachfolgenden Rückgang in der Gruppe der 70- bis 74-jährigen Frauen. Erst in der Gruppe der 75- bis 80-Jährigen ergab sich eine bescheidene Verringerung der Krebshäufigkeit um 12 Prozent. Damit konnte der extreme Anstieg in den jüngeren Jahren aber nicht im Mindesten ausgeglichen werden.
Das Resümee der Autoren fällt denn auch reichlich düster aus: „Ohne Screening wäre ein Drittel aller Fälle von invasivem Brustkrebs zu Lebzeiten der Frauen nie entdeckt worden." Jede dritte Brustkrebspatientin in Norwegen und Schweden hätte sich ihr Schicksal also erspart, wenn sie den Aufforderungen der Behörden zur Mammografie nicht gefolgt wäre.
Und das, schreiben die Autoren, bezieht sich nur auf die Entdeckung von „echtem" Krebs. Die Röntgenuntersuchungen finden nämlich besonders leicht sogenannte Krebsvorstufen, die sich möglicherweise irgendwann einmal zu invasivem Krebs weiterentwickeln. Würde das auch noch berücksichtigt, läge die Steigerungsrate sogar bei 80 Prozent.

Im Vergleich zu diesen Ergebnissen, sind die aktuellen Resultate ja nachgerade beruhigend. Zahl und Co. geben allerdings zu bedenken, dass die ermittelten 22 Prozent „verschwundener" Brustkrebsfälle den Effekt auch unterschätzen könnte. Dann nämlich, wenn der Einfluss des so genannten „wilden Screening" in der Auswertung berücksichtigt würde. Gaben doch etwa die Hälfte der Frauen aus der Kontrollgruppe an, dass sie zuvor bereits mindestens einmal eine Mammographie - ganz ohne offizielles Programm - durchführen ließen.

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„Grippe-Experten beraten die Bevölkerung wie Staubsaugervertreter"
Die Grippe-Impfungen wirken schlecht. Bei Millionen von Tamiflu-Packungen, die 2005, am Höhepunkt der Vogelgrippe-Hysterie angeschafft wurden, läuft demnächst das Haltbarkeitsdatum ab. Zum Glück ist weit und breit keine Pandemie im Anmarsch. Der Cochrane-Impfexperte Tom Jefferson hält die ganze Influenza-Vorsorge für einen schlechten Aprilscherz.

Kürzlich ist im österr. Nachrichtenmagazin profil ein Artikel von mir zur Influenza-Vorsorge erschienen. Ein ähnlicher Artikel auch zuvor in der Beilage "Gesund" der Berliner Morgenpost
tjefferson.jpg Hier bringe ich die ungekürzte Fassung des Interviews, das ich mit dem britischen Epidemiologen Tom Jefferson geführt habe. Er hat als Koordinator der Cochrane-Vaccine-Field die gesamte Evidenz zur Grippe-Impfung aufgearbeitet. Das größte Wirksamkeitsloch fand sich bei Senioren, sowie bei Babys und Kleinkindern. Auf seiner persönlichen Homepage hat Jefferson eine "Pandemie-Clock" eingerichtet, die in der Art eines Countdowns die Tage bis zum Ausbruch der katastrophalen Influenza-Pandemie herunter zählt. Auf "Null" springt sie jährlich am 1. April.


Ehgartner: In den letzten beiden Jahren haben mehrere aufwendige Studien Ihre Analysen zur schlechten Wirksamkeit der Grippe-Impfung bestätigt. Hat sich damit ihre Sichtweise international durchgesetzt?

Jefferson: Nein, denn zu den Entscheidungsträgern ist das gar nicht durchgedrungen. Diese haben ja auch keinerlei Notiz von unseren Übersichtsarbeiten im Journal Lancet genommen. Darf ich noch mal in Erinnerung rufen, dass wir dafür nicht eine oder zwei oder drei Studien geprüft haben, sondern wir haben alle verfügbaren Daten der letzten 50 Jahre zur Wirksamkeit und Sicherheit der Grippe-Impfung in unsere Analysen aufgenommen.

Ehgartner: Wie war denn die Qualität dieser Studien?

Jefferson: Großteils sehr schlecht - die Laufzeit war meist viel zu kurz, auf Nebenwirkungen wurde kaum geachtet. Das Hauptproblem lag allerdings in der Interpretation der Daten. Meist standen diese nämlich in direktem Gegensatz zu den Schlussfolgerungen der Autoren. Die Grippe-Impfung ist scheinbar zu einer Art Gospel geworden, wo vor allem der Glaube zählt.

Ehgartner: Liegt das daran, dass die meisten Studien von den Herstellern selbst finanziert werden?

Jefferson: Zum einen natürlich. Aber es wäre zu einfach, die Schuld allein der Pharmaindustrie zu geben. Sie verkaufen Impfungen, weil das ihr Geschäft ist. Das wirkliche Problem sind - wie ich sie nenne - die schlechten Lehrer: so genannte Impfexperten, die die Bevölkerung beraten wie Staubsaugervertreter, die ihre Ware anbringen wollen.

Ehgartner: Was wäre denn das Problem, wenn die Grippe-Impfung weniger gut wirkt als andere Impfungen? Das ist doch immerhin besser als gar kein Schutz.

Jefferson: Weltweit werden viele Milliarden in die Influenza-Vorsorge investiert. Das ist eine Menge Geld, das die Politiker auf Basis guter wissenschaftlicher Evidenz sinnvoll einsetzen sollten. Zuerst muss man prüfen, ob der Impfstoff wirkt, als nächstes ob er sicher ist. Was wir derzeit haben ist die perfekte Ungewissheit. Wir wissen nicht, ob Impfen besser oder gleich oder sogar schlechter ist, als gar nichts zu tun. Impfungen sind pharmazeutische Interventionen, die - wie alle Arzneimittel - auch Schaden anrichten können. Wir brauchen endlich große, unabhängig finanzierte Studien über mehrere Grippe-Saisonen, in der die Impfstoffe gegen Placebo getestet werden. Nur so können wir Sicherheit gewinnen. Und die Kosten wären verschwindend im Vergleich zu dem, was wir derzeit - völlig ins Blaue hinein - ausgeben.

Ehgartner: Mediziner und Behördenvertreter meinen, eine derartige Studie wäre unethisch, weil jene, die in die Placebogruppe gelost würden, keinen Schutz vor Grippe haben.

Jefferson: Derzeit wird Gesundheitspolitik betrieben, ohne dass es dafür irgend eine wissenschaftliche Basis gibt. Das nenne ich unethisch.
Nehmen sie beispielsweise die Empfehlung des Robert-Koch-Institut zur Frage, ob schwangere Frauen Grippe geimpft werden dürfen. Darin heißt es: "Zur Influenza-Impfung in der Schwangerschaft wird seitens der pharmazeutischen Unternehmen darauf verwiesen, dass gezielte Studien zur Sicherheit der Impfung bei Schwangeren fehlen, Schäden aber nicht bekannt sind, die Impfung ist daher nicht kontraindiziert". Man weiß also nichts, empfiehlt die Impfung aber trotzdem. Leute, die solche Richtlinien herausgeben, sollten schnellstens von ihren Posten entfernt werden.


Tom Jefferson, 54, ist Koordinator der Cochrane-Vaccine-Field, und hat in den letzten drei Jahren eine Serie von Metaanalysen zur Influenza Vorsorge bzw Therapie mit Neuraminidase Inhibitoren (Tamiflu, Relenza) veröffentlicht. Hier findet sich eine Literatur-Übersicht. Hier eine deutsche Zusammenfassung der Analyse Ergebnisse zur antiviralen Therapie.
Tom Jefferson lebt mit seiner Familie in Rom.

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