Montag, 2. Juni 2008
„Das hätte dem Impfgedanken geschadet“
Der Münchner Epidemiologe Rüdiger von Kries über seine Vorbehalte gegen die HPV-Impfung, den Zweck einer Windpockenimpfung und die Entscheidungsprozesse in der Ständigen Impfkommission, der er seit langem angehört. Von ihm stammt eine Studie, die Hexavac, dem ehemaligen meist verwendeten Sechsfach-Impfstoff für Babys, eine signifikant erhöhte Rate von unerwarteten plötzlichen Todesfällen im zweiten Lebensjahr attestierte.

Ruediger von Kries

Ehgartner: Wie man hört wurde in der STIKO heftig über die Empfehlung für eine allgemeine Windpockenimpfung ab dem ersten Lebensjahr gestritten. Schließlich wurde – als erstes Land Europas - doch eine positive Empfehlung gegeben. Was waren dafür die Argumente?

Kries: Ich war lange gegenüber der Windpockenimpfung skeptisch. Muss man wirklich gegen Varizellen impfen? Die Varizellen Impfung macht in erster Linie das Leben einfacher – schwere Morbidität und Mortalität sind selten. Man wird darauf achten müssen, hohe Durchimpfungsraten zu erzielen um eine ausreichende Herdenimmunität zu erreichen. Das ist nur möglich, wenn es einen Kombi-Impfstoff gibt. Der ist jetzt am Markt. Und jetzt kann man sagen: why not?
Es gibt Komplikationen bei Windpocken, sogar Todesfälle. Beispielsweise bei Kindern, die an Windpocken erkrankt sind, als sie gerade die Chemotherapie gegen Leukämie bekamen. Und die sind dann gestorben. Solche Todesfälle können nur über Herdimmunität verhindert werden - wenn es keine Varizellen mehr gibt – oder wenn die Kinder vor der Chemotherapie geimpft worden sind.

Ehgartner: Wie beurteilen Sie das Risiko, dass die Windpocken-Impfung bei den Kindern zu einer Steigerung des Gürtelrose-Risikos bei Erwachsenen führt?

Kries: Es ist bekannt, dass Menschen, die seltener Kontakt zu Windpocken kranken Kindern haben, häufiger Gürtelrose bekommen. Wenn es in folge der Impfung keine Varizellen mehr gibt, wird das Immunsystem seltener geboostert, das ist schon klar. Wenn allerdings einmal alle Kohorten geimpft sind, werden diese wahrscheinlich seltener an Gürtelrose erkranken, weil die abgeschwächten Impfviren diese seltener auslösen. Wie sich das genau auswirken wird – und ob es ein Zeitfenster mit höherem Risiko gibt ist unklar.

Ehgartner: Die Impfstoff-Hersteller reagierten auf das Problem, indem sie auch noch eine Impfung gegen Gürtelrose für Erwachsene auf den Markt brachten. Diese Impfung ist nichts anderes als eine hoch dosierte Windpocken-Impfung und soll den Kontakt mit Windpocken-kranken Kindern simulieren. Die neue vierfach Impfung gegen Masern-Mumps-Röteln und Windpocken kostet nun doppelt so viel wie die alte MMR, nämlich 100 Euro. Die Gürtelrose Impfung nochmal das doppelte. Damit hat die Industrie aus einer überwiegend harmlosen Kinderkrankheit ein gutes Geschäft gemacht – sehen Sie das nicht so?

Kries: Dass Impfungen nicht gratis sind, das wissen wir. Man hat allerdings auch einen Benefit für die Gesellschaft. Windpocken machen keinen Spass und manchmal auch noch lebensgefährliche Komplikationen. Punkt. Dass man zweimal impfen muss, ja so ist das Leben. Vielleicht wird man auch mal dreimal impfen müssen. Nichts ist umsonst. Klar verdient die Industrie damit Geld. Aber das tun sie auch bei der Grippeimpfung. Und darüber redet kein Mensch, weil vor der Pandemie Grippe alle Angst haben.

Ehgartner: Eine Angst, die auch von den Experten heftig geschürt wird. So wie auch die Angst vor Krebs – mit dem gleichzeitigen Angebot einer so genannten Krebsimpfung gegen Humane Papillomaviren. Diese HPV-Impfung schlug nun mit Kosten von fast 500 Euro alle Rekorde und setzte sich gleich auf den ersten Platz der umsatzstärksten Arzneimittel.

Kries: Ja, über die exorbitanten Kosten der HPV-Impfung redet kaum jemand. Die wollen sie alle haben, obwohl diese in frühestens zwanzig Jahren einen messbaren Einfluss auf die Krebs-Sterblichkeit haben wird.
Dass wir in Deutschland das PAP Screening-Programm mit den weltweit häufigsten Untersuchungsangeboten und gleichzeitig eine der höchsten Raten an Cervix Karzinom haben, davon redet auch keiner. Die Inanspruchnahme des PAP Screenings ist sogar relativ hoch. 80 Prozent der Frauen gehen mindestens alle drei Jahre hin, das ist genauso viel wie in anderen Ländern. Also warum ist dann bei uns die Krebsrate höher? Eine mögliche Erklärung wären Defizite beim Pap-screening. Verbesserungen in diesem Bereich könnten im hier und jetzt Krebserkrankungen verhindern.

Ehgartner: Offenbar haben Sie sich mit diesen Einwänden in der STIKO nicht durchgesetzt. Denn deren Empfehlung war es ja, welche die Kassen zur Kostenübernahme zwang. Bei der Sechsfachimpfung Hexavac trugen ihre Ergebnisse jedoch sehr dazu bei, dass über eine Marktrücknahme diskutiert wurde. Hexavac zeigte in ihrer Studie im Vergleich zum zweiten Produkt Infanrix hexa eine höhere Neigung zu schweren – manchmal tödlichen Nebenwirkungen.

Kries: Es wurde darüber diskutiert, ob man Hexavac vom Markt nehmen soll. Ich habe mich sehr dafür ausgesprochen. Auch wenn die Evidenz nicht glashart war. Doch unter dem Vorsatz in erster Linie keinen Schaden zuzufügen, hätte man Hexavac sofort zurücknehmen sollen als sich das Signal zeigte. Es gab einen Alternativ-Impfstoff, also auch keine innere Notwendigkeit, Hexavac unbedingt auf dem Markt zu halten. Bewiesen ist es anderseits nicht, dass Hexavac die Todesfälle verursacht hat.

Ehgartner: Hexavac wurde dann mit dem Argument vom Markt genommen, dass die Langzeitwirkung der Hepatitis B Komponente fraglich sei. Das klingt sehr nach einer Ausrede.

Kries: Ob der genannte Grund ein willkommener Anlass für die Marktrücknahme war, kann ich nur spekulieren. Doch stellen Sie sich vor, man hätte öffentlich verkündet, dass Hexavac wegen der Todesfälle vom Markt genommen wird. Das hätte sicher zu sehr viel mehr Verunsicherung geführt und dem Impfgedanken mehr geschadet.


Dieses Interview wurde im September 2007 geführt und ist in meinem aktuellen Buch "Lob der Krankheit" zitiert.

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Dienstag, 27. Mai 2008
Freitag auf Ö1 ab 9,05 Uhr
Für alle, die mich auch mal hören und nicht immer nur lesen wollen, ein Hörfunk-Tipp:

Freitag den 30. Mai Uhr bin ich Studiogast in der Sendereihe "Kontext" ab 9,05 Uhr im Programm Österreich 1.
Im Gespräch mit Wolfgang Ritschl stelle ich mein Buch "Lob der Krankheit" vor.

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Donnerstag, 22. Mai 2008
Alte Freunde - Neue Feinde
In der aktuellen Ausgabe des österr. Nachrichtenmagazins profil habe ich die Coverstory zur "neuen Sicht des Immunsystems" geschrieben.

Darin beschreibe ich einige wichtige Thesen meines aktuellen Buches "Lob der Krankheit"
http://www.ehgartners.info

Hier ist ein link zum Haupttext der Story:

http://www.news.at/articles/0820/560/206050.shtml

Hier nun eine etwas ausführlichere Version des Interviews mit Prof. Graham Rook:

Graham Rook, 62, ist Professor am Zentrum für Infektionskrankheiten und Internationale Gesundheit am Windeyer Institut für Medizinwissenschaften der University College Medical School in London. Er prägte den Ausdruck „Old Friends-Hypothesis“ als Weiterentwicklung der Hygiene-Hypothese.

Graham Rook, 62, ist Professor am Zentrum für Infektionskrankheiten und Internationale Gesundheit am Windeyer Institut für Medizinwissenschaften der University College Medical School in London. Er prägte den Ausdruck „Old Friends-Hypothesis“ als Weiterentwicklung der Hygiene-Hypothese.


„Wir haben wenig Alternativen“

Der Londoner Immunologe Graham Rook im Gespräch mit Bert Ehgartner zur Frage, warum sich das Immunsystem nicht gegen Parasiten wehrt, sondern lieber mit ihnen Freundschaft schließt


Ehgartner: Sie haben für die Hygiene-Hypothese den Namen Old-Friends-Hypothese kreiiert. Warum?

Rook: Es ist ein viel besserer Name, weil es eigentlich nichts mit Hygiene zu tun hat. Während der letzten 40.000 Jahre haben wir uns technologisch enorm entwickelt. Wenn uns kalt wurde, erfanden wir den Pelzmantel und unzählige andere Dinge. Wir haben stets auf einen Mangel reagiert. Doch wenn unser Immunsystem Bedürfnisse hatte, merkten wir das nicht. Die Old-Friends Hyothese sagt nun, dass spezielle Würmer und Bakterien, die immer da waren in schlammigem Trinkwasser oder in der Nahrung und mit denen jedes Lebewesen infiziert war, schlussendlich für unser Immunsystem auch eine eminent wichtige physiologische Rolle übernommen haben.

Ehgartner: Inwiefern sind Würmer für uns notwendig?

Rook: Das faszinierendste Beispiel dafür lieferte kürzlich eine argentinische Forschergruppe in einer Studie mit Mulitple-Sklerose Patienten. Sie gaben einem Teil von ihnen Würmer und daraufhin hatte diese im Lauf der fünfjährigen Beobachtungsphase kaum noch Symptome. Die Würmer hatten ein Signal an das Immunsystem übermittelt, das massenhaft regulierende Lymphozyten aktivierte. Und damit wurde der autoaggressive Mechanismus der zu MS führt abgeschwächt.

Ehgartner: Warum reagiert das Immunsystem nicht gegen die Würmer? Immerhin sind sie doch Parasiten und können Menschen schädigen.

Rook: Das Immunsystem reagiert ja. Aber nur in der Anfangsphase. Wenn sie einmal etabliert sind, ist der Aufwand jedoch zu groß, sie wieder loszuwerden. Da würde eine Bekämpfung der Würmer mehr Schaden anrichten, als die Würmer selber. Sie kennen sicher die Horror-Bilder von Menschen, die an Elephantiasis leiden, an grauenhaften Wucherungen. Wir wissen mittlerweile, dass die Ursache darin liegt, dass es hier nicht gelingt, den Immunresponse gegen die Wurminfektion abzuschalten. Das Immunsystem wird mit den Würmern nicht fertig. Ein Kampf verursacht viel mehr Schaden, deshalb schlägt es den Weg der Symbiose ein.

Ehgartner: Sind es nun die Würmer selbst, die das Immunsystem besänftigen und seine Aktivität herunter regulieren? Quasi als eine Art evolutionäre Strategie, um nicht angegriffen zu werden.

Rook: Ja sie machen das. Ein erfolgreicher Parasit wird seinen Wirt immer am Leben halten. Den Menschen zu töten ist das letzte, was ein Parasit im Sinn hat. Und dem Immunsystem erscheint es als legitim, lieber die Produktion von Wurmeiern zuzulassen, wenn die Alternative Elephantiasis lautet. Würmer aktivieren Regulationsmechanismen, die Fehlreaktionen, wie sie bei Allergien und Autoimmunkrankheiten bestehen, beseitigen oder abschwächen. Und das aufregende dabei ist, dass wir in den klinischen Studien sehen, dass das tatsächlich funktioniert. Wenn ich Multiple Sklerose hätte, würde ich in die Slums von Argentinien übersiedeln, um mir die nötige Dosis an Würmern zu besorgen. Die wissenschaftlichen Versuche am Menschen werden aber auch immer zahlreicher. Etwa mit Hakenwürmern von denen keinerlei Gefahr ausgeht.

Ehgartner: In der Nähe von Hamburg gibt es eine erste Firma in Europa, die sich darauf spezialisiert hat, Würmer zu züchten.

Rook: Ja, sie kooperieren mit US-amerikansichen Forschern, die Therapien auf Basis von Schweine-Peitschenwürmern anbieten. Natürlich kommt hier auch heftige Kritik, ob wir völlig verrückt wären, Menschen mit Würmern zu behandeln. Aber ich halte das gar nicht für verrückt. Denn wir haben wenig Alternativen.

Ehgartner: Weiß man, welche Mechanismen die Würmer hier konkret aktivieren?

Rook:Im Zentrum stehen die dentritischen Zellen. Sie sind es, die den Lymphozyten vermitteln, ob es sich bei Fremdkörpern um Freund oder Feind handelt. Sie benutzen dafür ein Erkennungssytem, das hunderte von Rezeptoren abtestet und daraufhin die Entscheidung fällt, welche Signale weitergegeben werden. Hunderte von Molekülen des Wurms werden also in dieser Entscheidungsfindung verarbeitet. Und das bestimmt den Regulationsprozess. Das ist viel zu kompliziert, um auf einige wenige Moleküle zu reduzieren. Wenn wir das nachbauen wollten, müssten wir gleich einen künstlichen Wurm erschaffen. Warum also nicht gleich den echten nehmen, den es ohnehin gibt.

Ehgartner: Welche Vorteile hat denn das Immunsystem vom Kontakt mit Bakterien. Warum wurden aus Scharotzern und potenziellen Krankheitserregern im Lauf der Evolution alte Freunde?

Rook: Alles was im Lauf der Evolution lange genug anwesend ist, wird in das Genom eingebaut. Nehmen sie beispielsweise Bakterien, die an siedend heißen giftigen Quellen am Boden des Pazifik leben. Wenn sie davon eine Probe an einen Bioinformatik-Experten geben, um dessen Gene zu analysieren, so wird er nach wochenlangen Tests zu dem Resultat kommen, dass dieser Organismus Enzyme hat, die hohen Temperaturen standhhalten und dass er Schwefel einatmet, so wie andere Lebewesen Sauerstoff. Die Umwelt, in der ein Lebenwesen existiert, wird in das Genom eingebaut. Oder um ein noch krasseres Beispiel zu geben: Als vor langer Zeit in unserer Atmosphäre Sauerstoff entstand wurden dadurch die meisten Lebewesen getötet. Manchen gelang es in Sauerstoff-freie Umgebung zu flüchten und andere passten sich an. Und was geschah: Wir wurden vom Sauerstoff abhängig. Wir bauchen ihn, um zu leben. Wenn also etwas immer da ist, werden sich die Gene darauf einstellen und brauchen das in der Folge auch. Unser Immunsystem wurde dadurch überrascht, dass einige seiner alten Freunde plötzlich nicht mehr da waren.

Ehgartner: Wird der Kontakt zu Bakterien auch als Signal benützt, das naive Immunsystem des Ungeborenen in seiner sterilen Umgebung bei der Geburt umzustellen.

Rook: Es wurde oft darauf hingewiesen, dass es kein Zufall sein kann, dass der Geburtskanal so nahe am Anus liegt, wo das Baby sofort mit einem Schwall von Bakterien begrüßt wird. Bei Delphinen ist es etwa üblich, dass sie auf das neugeborene Baby koten. 90 Prozent aller unserer Zellen sind tatsächlich Bakterienzellen. Der Kontakt zu Bakterien war immer da. Bloß in den letzten 100 Jahren ging er – für unser Immunsystem völlig überraschend, schrittweise verloren.

Ehgartner: Was empfehlen sie denn den Familien, um dieses Manko aufzuholen? Die Kinder im Schweinestall spielen lassen?

Rook: Nein. Es geht um ein gesundes Mittelmaß. Wenn ein Kind draußen im Dreck wühlt und dann reinläuft, um sich mit den schmutzigen Fingern Essen zu nehmen, so tut es schon gut, das als Eltern etwas gelassener zu sehen. Zu wissen, dass das seiner Gesundheit eher nützt als schadet. Kontakt mit Dreck wäre nicht schlecht. Aber wie soll man das in unserer Gesellschaft umsetzen: Mit der täglichen Mist-Lieferung ins zwölfte Stockwerk? Das ist wenig praktikabel. Hier ist die Wissenschaft gefordert, Lösungen zu finden.

Ehgartner: Wie kann man diese Kenntnisse jetzt nützen für bessere Medikamente gegen Allergien oder Autoimmunkrankheiten?

Rook: Um diese komplizierten Erkennungsmuster zu kopieren wäre es besser man verwendet die originalen Moleküle, also die Bakterien oder die Würmer selbst.

Ehgartner: Nun weiß man ja, welche Signalstoffe hier produziert werden. Interleukin 10 beispielsweise oder TGF beta. Wären das nicht auch geeignete Wirkstoffe?

Rook: Nein. Denn man will diese Immunregulation ja nicht die ganze Zeit. Diese immunregulatorischen Zellen haben ja ihre ganz besondere Spezifität. Die sind ja nicht die ganze Zeit aktiv, sondern immer in Abhängigkeit zum Kontakt mit den Antigenen. Wenn man den puren Stoff nimmt, so würde man einen unverhältnismäßigen Effekt auslösen und bestimmte Mechanismen ständig unterdrücken. Man muss dem System erlauben, dann zu handeln, wenn es nötig ist. Und das weiß das System selbst am besten. Wenn sie hingege einen isolierten Wirkstoffn von außen zuführen, dann wissen sie nie, wann es Zeit ist, den Impuls wieder abzuschalten.

Ehgartner: Gibt es denn Beweise für den Einfluss der dentritischen Zellen auf die Regulation des Immunsystems?

Rook: Ja, es gibt Menschen mit einem genetischen Defekt, die einen bestimmten Transkriptionsfaktor mit Namen FOX-D3 nicht bilden können, der für die Bildung regulatorischer T-Zellen nötig ist. Und bei diesen Menschen finden sie sowohl Allergien als auch alle Formen von Autoimmunkrankheiten.

Ehgartner: Was meinen Sie denn, wie sehr die Hygiene-Hypothese mittlerweile im Mainstream der Wissenschaft etabliert ist?

Rook: Das ist für mich recht schwierig zu beantworten, weil alle Menschen die ich kenne, die Stärke der Argumente kennen, die für unsere Sicht sprechen. Aber nächsten Samstag fliege ich nach Honolulu zur Weltkonferenz der Kinderärzte. Und ich halte da einen einstündigen Vortrag im größten Kongress-Saal mit mehreren tausend Plätzen. Also dürften wir doch schon im Zentrum der Wissenschaft angekommen sein.

Ehgartner: Wie sehen Sie den Einfluss der Antibiotika-Überverschreibung auf das Immunsystem?

Rook: Sie haben einen enormen Effekt auf die Darmflora und es ist jedesmal eine Herausforderung, wieder eine gesunde Neubesiedelung zustande zu bringen. Wir haben in uns zehnmal so viele Bakterienzellen wie wir menschliche Zellen haben. Die Bakterienflora gilt genauso als Organ wie etwa die Nieren. Das ist Teil unseres Organismus.

Ehgartner: Es gibt schon eine Reihe von Nahrungsmitteln, wo gesunde Bakterien enthalten sind. Laktobazillen im Joghurt beispielsweise. Werden das die Arzneimittel der Zukunft?

Rook: Das Problem ist, dass es in der Nahrungsmittelindustrie kaum Regulationen gibt, obwohl Firmen wie Danone hier viel in die Forschung investieren. Aber wir haben gefunden, dass die meisten Laktobazillen, die hier verwendet werden, überhaupt keine Wirkung haben. Nicht alle Laktobazillen sind in der Lage, die regulatorischen Prozesse einzuleiten. Hier ist aber einiges unterwegs, um die geeignete Dosis und die geeigneten Stämme zu finden.

Ehgartner: Das Hauptproblem bei Allergien und Autoimmunkrankheiten ist, dass man langsam weiß, dass die Einflüsse in der Kindheit wesentlich sind. Doch gibt es auch Hoffnung für Erwachsene?

Rook: Wir wissen, dass es bei Kindern auf die ersten drei Jahre ankommt. Hier wird das System aufgebaut. Und hier sollten wir Fehler in vermeiden. Doch es gibt langsam auch Hoffnung für Erwachsene, wie die Studien mit den Würmern zeigen. Die Effekte sind aber jedenfalls größer in der Kindheit.

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Dienstag, 20. Mai 2008
intellectual conflict of interest
Kürzlich habe ich bei einem Symposium Russell Harris von der U.S. Preventive Services Task Force getroffen.

Prof. Russell Harris, U.S. Preventive Services Task Force, University of North Carolina (Foto: Ehgartner)

Ich habe mit ihm ein Interview geführt und wir kamen u.a. auf die problematische Grenzlinie zwischen "objektiver" Wissenschaft und den conflicts of interest zu sprechen. Weil ja die meisten hervorragenden Experten in bestimmten Beziehungen zur Industrie stehen, gibt es ab einer gewissen Liga niemand mehr, der noch nie Geld für einen Vortrag, eine wissenschaftliche Arbeit, oder ähnliches erhalten hat.

Harris vertrat dabei die Ansicht, dass man die finanziellen Beziehungen natürlich offen legen müsse. Er persönlich halte die "intellectual conflicts of interest" aber für noch wesentlich bedeutsamer.

Bei ihrer Arbeitsgruppe (die USPSTF publiziert evidence-based Empfehlungen zu allen Vorsorge-Maßnahmen) ist es Pflicht, diese vorgefassten Einstellungen offen anzugeben. Diese Personen sind dann von der Beratung zum jeweiligen Thema ausgeschlossen.

"Es wäre verlorene Zeit, mit Menschen in einen Diskussionsprozess zu gehen, die nicht wirklich in jede Richtung offen sind", sagte Harris. "Denn unsere Aufgabe ist es, die vorhandene Evidenz objektiv zu prüfen - und nicht, die anderen Kollegen von unserer Meinung zu überzeugen."

Würden diese Maßstäbe auf das Impfwesen angewendet, stünden wohl die meisten Kommissionsmitglieder "draußen vor der Türe".

Fred Zepp, der Mainzer Kollege von Ex-STIKO Boss H-J Schmitt - und im Gegensatz zu diesem immer noch in der STIKO, sagte mir, dass es bei Impfungen natürlich völlig unmöglich wäre, Experten zu finden, die keine Beziehungen zur Industrie haben. "Sonst müssen Sie Hausfrauen in die STIKO setzen."

Ich denke, dass Zepp unrecht hat: Zu denken, dass nur Impfexperten in der Lage sind, dieses Fachgebiet intellektuell zu erfassen, zeugt von gewaltiger Selbstüberschätzung.
Harris fand z.B. gar nichts dabei, Hausfrauen, Konsumentenschützer, Ökonomen in so eine Kommission dazu zu nehmen. "Denn wenn die Fakten am Tisch liegen, geht es um deren Abwägung - und da ist eine vorgefasste Meinung wesentlich hinderlicher als ein nicht so ausgeprägtes Expertenwissen."

Durchgesetzt hat sich diese Sichtweise bislang noch nicht.
Bei Impfkommissionen ist es sogar glatt umgekehrt:

Hier ist eine vorgefasste Meinung nämlich Aufnahmebedingung.

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Montag, 5. Mai 2008
Wie Quecksilber auf Nervenzellen wirkt
Quecksilber war über Jahrzehnte eines der meist verwendeten Konservierungsmittel bei biologischen Arzneimitteln (z.B. Augentropfen). Unter dem Namen Thiomersal (bzw. engl: Thimerosal) war es auch fester Bestandteil in den meisten Kinderimpfungen.
Erst seit etwa 2001 ist es in den Industrieländern möglich, die Kinder weitgehend mit Quecksilber-freien Produkten zu impfen.
In den Entwicklungsländern wird das hoch giftige Metall - auf Betreiben der WHO - jedoch nach wie vor routinemäßig als Konservierungsmittel eingesetzt.

Hier ein Video der Universität Calgary, das die schädliche Wirkung von Quecksilber auf Nervenzellen eindrucksvoll illustriert (Quick Time öffnet sich):

http://movies.commons.ucalgary.ca/showcase/curtains.php?src=http://apollo.ucalgary.ca/mercury/movies/Lor2_QTS_700kb_QD.mov&screenwidth=512&screenheight=400&curtains=no

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Dienstag, 29. April 2008
Klaus Hartmann zur Moral der STIKO
Hier ein weiteres Interview, das ich für mein eben erschienenes Buch "Lob der Krankheit - Warum es gesund ist, ab und zu krank zu sein" (siehe: --> http://www.ehgartners.info ) führte.
Im ersten Teil sprach ich mit dem langjährigen STIKO-Vorsitzenden Heinz-Josef Schmitt, der letzten Herbst nicht ganz überraschend auf die Seite der Impfstoff-Hersteller zu Novartis-Vaccines gewechselt ist. In der zehn Jahre dauernden Ära von H.-J. Schmitt wurden von der STIKO so viele Impfstoffe in den offiziellen Impfplan genommen, wie nie zuvor. Darunter die heftig umstrittenen Empfehlungen für die Windpocken-Impfung im Babyalter, die Pneumokokken- oder die HPV-Impfung.
Interview, Teil 1:
http://med.blogger.de/stories/1103381/
Interview, Teil 2:
http://med.blogger.de/stories/1103792/

Dies hier ist nun die gekürzte Version eines Interviews mit Dr. Klaus Hartmann, einem der führenden deutschen Experten zu Impfschadensfällen und Komplikationen. Zuvor war er ein Jahrzehnt beim Paul Ehrlich Institut (PEI) tätig.

Dr. Klaus Hartmann
<br />
www.impfstoffsicherheit.de

Das Gespräch wurde im Oktober letzten Jahres geführt und ist in Auszügen im Buch veröffentlicht.

Ehgartner: Der langjährige STIKO-Vorsitzende Schmitt war ein Meister in der Verflechtung seiner geschäftlichen Beziehungen mit seiner wissenschaftlichen bzw. beratenden Tätigkeit…

Hartmann: Das kann man wohl sagen, er war oftmals tätig für GlaxoSmithKline als Leiter von klinischen Prüfungen. Das ist eine sehr hoch dotierte Position, wenn sie eine große Impfstoff-Studie als Leiter der Prüfung betreuen. Das ist ja kein Geheimnis. Er hat viel für die Industrie gearbeitet. Der Schmitt gibt das aber auch ganz offen zu.

Ehgartner: Er bekam vergangenes Jahr - noch als STIKO-Chef - einen Preis „zur Förderung des Impfgedankens“, der mit 10.000 Euro dotiert war und von einem Impfstoff-Hersteller finanziert wurde. Daraus entsteht schon eine eigenartige Optik, vor der er sich aber nicht zu fürchten schien?

Hartmann: Ja, das ist schon interessant, dass er so etwas in seiner Eigenschaft als STIKO Vorsitzender annimmt.

Ehgartner: Er ist auch der Koordinator einer Gruppe Europäischer Impfexperten, dem so genannten „Summit of Independent European Vaccination Experts“ (SIEVE)

Hartmann: Die fliegen auf Industriekosten irgendwo hin, wo sie sich zum Thema Impfstoffsicherheit zusammensetzen. Sie kommen dort zur gemeinsamen Überzeugung, dass Impfen unglaublich sicher ist und man keine eigenen Sicherheitsstudien braucht. Das sind meist die Ergebnisse dieser Konferenzen und Schmitt ist immer dabei.

Ehgartner: Bei der Erklärung zu den finanziellen Interessenskonflikten gibt die SIEVE-Gruppe an, dass sie von der Stiftung Präventive Pädiatrie finanziell unterstützt werden und es keine sonstige Förderquelle gibt.

Hartmann: Diese Stiftung ist zum Großteil von der Industrie finanziert, um Impfstoff-Studien zu machen.
Hier wird aber nur schwer eine Transparenz zu schaffen sein. Gerade auch im Umfeld der STIKO ist das aber wirklich bedenklich: Ein STIKO-Vorsitzender, der bei einer Institution beschäftigt ist, die aus der Industrie finanziert wird. Das ist ja absurd. Wie soll der unbefangen im Auftrag des Gesundheitsministeriums entscheiden, welche Impfung aus medizinischen Gründen sinnvoll und notwendig ist? An so einer Impfempfehlung der STIKO hängen ja für die Industrie Milliardenumsätze dran. Wenn so jemand – auch nur teilweise von der Industrie bezahlt wird, so ist das absurd.

Ehgartner: Die Empfehlung für den HPV-Impfstoff brachte Gardasil (Anm: das erste zugelassene Produkt) im heurigen Jahr schon Umsätze von fast einer halben Milliarde und wurde vom Fleck weg zum bestverkauften Arzneimittel in Deutschland…

Hartmann: Diese ganz starke Lobbyarbeit des Herstellers gab es auch schon in den USA. Die wollten einführen, dass jedes Mädchen gezwungen wird, sich impfen zu lassen. Das ist wohl etwas am wackeln, weil eine Menge unerwünschter Reaktionen inklusive drei Todesfällen im Meldesystem aufgetaucht sind. Die Verpflichtung kippt wahrscheinlich.

Ehgartner: Es wurde in den letzten Jahren auch fast jeder Gynäkologen Kongress finanziell gesponsert.

Hartmann: Dabei sind die Gynäkologen noch am skeptischsten gegenüber HPV, weil sie ihre eigene Zervix-Vorsorge ein bisschen in Gefahr sehen, die ja eine ihrer Einkunftsquellen ist.

Ehgartner: Das PAP Screening steht in Deutschland nicht unbedingt zum besten. Trotz einer relativ hohen Test-Frequenz ist der Rückgang der Krebszahlen nicht so gut wie in anderen Ländern.

Hartmann: Das kann man ja verbessern. Wir müssen die Vorsorge weiterlaufen lassen, weil ja auch nicht alle krebserregenden Viren durch die Impfung abgedeckt werden. Das ist aber schwierig, weil viele Leute sagen werden: Na, ich bin ja geimpft – jetzt geh ich nicht mehr zur Vorsorge. Es ist sogar möglich, dass wir über diesen Effekt ein Ansteigen der Zervix-Krebsrate bekommen.

Ehgartner: Wie stehen Sie zur Empfehlung der allgemeinen Windpockenimpfung, die nun schon einige Jahre gilt?

Hartmann: Das ist auch reines Pharma-Marketing. Da müssen Sie schon lange suchen, bis Sie ein Kind finden, dass durch eine Windpocken-Erkrankung einen schweren Schaden davon trägt.
Die Kinderärzte sagten, man könne ja gegen vieles impfen. Aber doch nicht gegen Windpocken. „So ein Kind muss doch auch mal irgendwie eine Art von normaler Krankeit durchmachen, dass sein Organismus das mal kennen lernt. Und da sind die Windpocken ideal.“
Also kam das Argument, man müsse das volkswirtschaftlich sehen, durch die Reduktion der Pflegetage der Eltern, hieß es, zahlt sich das aus.
Und jetzt wird’s von den Herstellern bald nur noch den Vierfach-Impfstoff (Anm: Kombi gegen Masern, Mumps, Röteln und Windpocken) am Markt geben. Sie werden bald keinen anderen mehr kriegen. Und dann müssen alle gegen Windpocken impfen.

Ehgartner: Wie ist hier die Position des PEI?

Hartmann: Die machen keine Empfehlungen, das macht nur die STIKO am Robert Koch Institut in Berlin. Die STIKO ist völlig autark. Die Personen werden vom Ministerium ausgewählt. Das sind verdiente Leute, die sich ums Impfen einen Namen gemacht haben. Das PEI prüft nur die Zulassungsanträge und macht die Risikoüberwachung.

Ehgartner: Eigentlich müsste hier von der Gesundheitsministerin eine Offensive ausgehen, um endlich die wirkliche Unabhängigkeit der STIKO zu gewährleisten.

Hartmann: Ja, auf jeden Fall. Es gibt ja auch eine Menge Kritik. Das Ministerium ist jedenfalls informiert.

Ehgartner: In Österreich haben wir ein Nebenwirkungs-Meldesystem bei Impfstoffen, das den Namen nicht verdient. Wie steht es damit in Deutschland?

Hartmann: Das dient eher zur Beruhigung und zum Vorzeigen. Das ist in Wahrheit aber völliger Humbug. Die Melderate ist gering. Die Ärzte sind recht schlecht über mögliche Impfreaktionen aufgeklärt. Sie wissen auch gar nicht, dass es beispielsweise zeitverzögerte autoimmune Komplikationen nach Impfungen geben kann. Davon haben die nie gehört. Sie melden so etwas nicht. Und nun haben wir große Computer stehen und hochvernetzte Experten, die die Meldungen verarbeiten könnten, aber es kommt nichts. Und da ist auch kein Interesse erkennbar, hier an dieser Input-Seite etwas zu tun. Denn da müssten sie ja mal etwas Aufklärung bei der Ärzteschaft machen, was es für seltene Komplikationen gibt, auf was man achten muss und was man wirklich melden muss. Auch Sachen, die man selber gar nicht zuordnen kann. Man müsste der Ärzteschaft auch vermitteln, dass sich niemand blamiert, der eine Meldung an das Amt schickt, von einem Vorfall den man nicht versteht. Denn genau das müsste gemeldet werden. Wir sind jedenfalls weit entfernt davon, dass wir auf Grund der jetzigen Meldepraxis wissenschaftlich gültige Aussagen machen könnten.

Ehgartner: Wie wird denn so ein Nebenwirkungsverdacht in der Praxis im Normalfall behandelt?

Hartmann: Der erste Weg des Arztes, wenn er nicht weiter weiß, führt normalerweise zu dem Referenten der Pharmafirma, der immer zu ihm kommt und ihn berät. Und der sagt dann vielleicht: „Ach ne, Quatsch, sowas haben wir in den Studien nie gesehen, das hat mit der Impfung nichts zu tun.“ Und dann ist das Problem ausdiskutiert. So ist die Praxis. Das läuft in Deutschland hanebüchen schlecht.
Und wenn man ein wenig versucht, darauf hinzuweisen, dann kommt der Prof. Schmitt und erzählt, dass moderne hochgereinigte Impfstoffe überhaupt keine Nebenwirkungen mehr machen.

Ehgartner: Bei Hexavac (Anm: im Herbst 2005 vom Markt genommener Sechsfach-Impstoff für Säuglinge) kam die Mehrzahl der Todesfälle, die zur Einleitung einer Untersuchung führten, von einem einzigen Arzt

Hartmann: Ja vom Pathologen Prof. Randolph Penning vom Institut für Rechtsmedizin in München. Der hat die Kinder obduziert, der hat die Gehirne gesehen. Ich habe mit ihm noch telefoniert. Er sagte, so ein Gehirn habe ich echt noch nicht gesehen. Das war so massiv geschwollen, einen Tag nach der Hexavac Impfung. Und er hat das auch publiziert. Da gab es einen Skandal drum. Er wurde angegriffen. Auch von Schmitt und anderen industrienahen Wissenschaftlern. Den haben sie so runter gemacht: dass er eigentlich gar keine Ahnung hätte von Pathologie. Er hat dann noch eine Publikation gemacht, sich verteidigt und ist bei seiner Meinung geblieben: dass das eben Komplikationen von Hexavac waren.
Der Münchner Epidemiologe Rüdiger von Kries fand dann auch das signifikante Signal im zweiten Lebensjahr. Da war dann auch das Geschrei groß: signifikantes Risiko für Tod, das kann doch wohl nicht sein. Es war aber so.
Und dann ist Hexavac ja verschwunden. Kurz nachdem eine Studie von RKI und PEI initiiert wurde zur genauen Untersuchung aller Todesfälle im ersten und zweiten Lebensjahr (Anm: dabei handelt es sich um die Token-Studie). Drei Wochen danach wurde Hexavac vom Markt genommen unter einem völlig an den Haaren herbeigezogenen Vorwand. Irgendwas muss man ja sagen, warum es den Impfstoff nicht mehr gibt. Und da sagte man eben etwas von der Langzeitwirksamkeit der Hepatitis B Komponente. Die sei nicht gewährleistet gewesen. Eine ganz komische Begründung.
Ich denke, wenn die Studie vorbei ist, Ende 2008 und gezeigt hat, dass beim zweiten Sechsfach Impfstoff Infanrix kein Risiko zu erkennen ist, dann wird auch Hexavac vermutlich wieder auftauchen: mit verbesserter Langzeit-Wirkung gegen Hepatitis B.

Ehgartner: Der Cochrane-Impfexperte Tom Jefferson wunderte sich im Gespräch mit mir, warum beim Impfen so eigene wissenschaftliche Gesetze herrschen, warum hier so eine penetrante Sorglosigkeit an den Tag gelegt wird. Was ist ihre Meinung dazu?

Hartmann: Sehen Sie mal die wirtschaftliche Seite. Das ist ja kein Nischenbereich mehr, so wie früher. Das ist ja inzwischen eines der ganz großen Geschäfte geworden. Sie haben einen Markt, der ist ganz anders als bei anderen Arzneimitteln. Sie haben keinen generischen Wettbewerb. Sie haben einen Patentschutz der läuft ewig, wenn sie einen Impfstoff entwickelt haben. Sie haben eine relativ unproblematische Zulassung, müssen ja nur die Antikörpertiter nachweisen und keine klinische Wirksamkeit. Sie brauchen keine langfristig angelegten Endpunkt-Studien, wie für ein Herz-Kreislauf-Mittel. Da muss man ja wirklich zeigen, dass man weniger Herzinfarkte hat. Das ist ja beim Impfen alles nicht.

Ehgartner: Man muss auch keine Placebo kontrollierten Studien machen, weil das unethisch wäre…

Hartmann: Genau. Das sind alles so Dinge, die sind relativ einfach. Die Zulassung, da haben Sie so einen massiv voreingenommenen Schmitt, der da eine Empfehlung organisiert. Da wird so viel Geld damit verdient, dass dieses System auch mit Absicht so gepflegt wird. Und da fließt auch mit Sicherheit einiges an Geld rein, dass das immer weiter so läuft. Da können Sie ganz sicher sein, dass das kein Zufall ist. Das ist ein sehr durchdachtes System. Und jeder, der da ein bisschen dagegen angeht, dem wird auch massiv wissenschaftlich der Ruf geschädigt.

Ehgartner: Tom Jefferson sagte, es wird ein sehr unangenehmer Druck aufgebaut, bis hin zu massiven Drohungen.

Hartmann: Ja, wenn Sie etwas Kritisches sagen, dann können Sie fest davon ausgehen. Schädigung des wissenschaftlichen Rufes ist da wohl noch die feinste Variante. Man will sich dieses Geschäft nicht so einfach madig machen lassen.

Ehgartner: Haben Sie selbst diesbezüglich schon mal Probleme bekommen?

Hartmann: Nein. Ich fordere halt bei jeder Gelegenheit, dass man für eine neue Impfung langfristig angelegte Sicherheitsstudien mitlaufen lassen muss. Damit man sieht, ob die Geimpften einen Vorteil gegenüber den Nicht-Geimpften haben. Und ob der Vorteil auch nach fünf oder zehn Jahren noch besteht. Das müsste man irgendwann mal machen, wenn man Daten haben will, die vernünftig sind. Wir werden sehen, vielleicht kommen ja noch die Zeiten, wo man so was wirklich machen muss.

Ehgartner: Einstweilen geht’s noch in die Gegenrichtung. Speziell auch wenn man sich ansieht, was mittlerweile als Placebo verwendet wird.

Hartmann: Bei Gardasil hat man die Aluminiumhydroxid-Lösung als Placebo genommen. Gerade jetzt, wo ja die Diskussion dahin geht, ob die Adjuvantien bei den unerwünschten Wirkungen eine mächtige Rolle spielen. Dass man also gar nicht sagen kann, ob das Problem mehr beim Antigen oder beim Adjuvans liegt. Und dann nimmt man das als Placebo und verkündet noch stolz: gegen Placebo ist der Impfstoff 100prozentig sicher. Das ist absurd. Wer so etwas genehmigt, der gehört nach Hause geschickt.

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Donnerstag, 24. April 2008
WHO verschätzte sich bei Grippe-Impfmix
Mit Jahresbeginn setzte heuer in Europa und den USA eine recht heftige Grippewelle ein.
In der 3. Jännerwoche gab es allein in Wien 16.000 Neuerkrankte, das stieg nach Schätzungen der Influenza-Experten bis zur ersten Februarwoche noch weiter an auf 28.000 Neuerkrankungen. Dann verflüchtigte sich der Spuk wieder.

Die letzte derart heftige Influenza gab es zuletzt 2003/2004.

Damals hatte die Influenza Europa und die USA so intensiv erwischt, dass Zweifel aufkamen, ob der Impfstoff überhaupt eine Wirkung zeigte. Denn unter den Kranken waren fast genau so viele Geimpfte wie Ungeimpfte.
Anders als in Europa gingen die Behörden in den USA dieser Frage recht gründlich nach. Und erste Untersuchungen der CDC kamen zu recht ernüchternden Resultaten. Tatsächlich: Die auch in guten Jahren recht bescheiden wirksame Impfung bot diesmal einen Schutz von weniger als 20%.

Dies lag daran, dass 2003/04 der Panama-Stamm erwartet wurde. Doch gekommen ist leider der Virentyp Fuji.
http://www.nytimes.com/2004/01/15/health/15FLU.html?pagewanted=print&position=

Die Influenza-Surveillance der WHO hatte auch Fuji vorhergesagt. Doch die Viren erwiesen sich als so aggressiv, dass es nicht gelang, sie auf den lebenden Hühnerembryonen anzuzüchten. Anstatt sich zu vermehren, killten sie ihren Wirt.

Dem Run auf die Impfung tat dies jedoch keinen Abbruch. Im Gegenteil. In der nächsten Saison, 2004/2005 ließen sich - wegen der Grippe-Panik nach den Erfahrungen des Vorjahres so viele Menschen impfen wie schon lange nicht. Zu allem Überfluss wurden auch noch einige Impffabriken aus hygienischen Gründen von den Behörden geschlossen. Der halbe Jahresbedarf der USA fiel damit flach.
Die Leute standen Schlange, wenn irgendwo noch Restposten auftauchten.

2005/2006 schraubten die Impfstoff-Hersteller ihre Kontingente auf Rekordhöhen. Die Grippe-Wellen blieben jedoch, ebenso wie 06/07 weitgehend aus.

Nun gab es also wieder mal eine richtige große Surfwelle, die uns die Viren massenhaft ins Land schwemmte.

An sich wären das gute Nachrichten für die Grippe-Geimpften - denn damit hätten Sie ja einen ordentlichen Gesundheitsvorteil gehabt gegenüber den Impfmuffeln.

Leider ist das nicht so sicher. Denn so wie zuletzt 2004 mehren sich auch jetzt wieder die Hinweise, dass just dann, wenn die Grippewelle einmal rollt, im Impfstoff die falschen Virenstämme verwendet wurden.

Dieses mal wüteten der Influenza A-Typ "Brisbane" und der B-Typ "Florida". Und abermals waren die Impfstämme leider auf andere Weltgegenden getauft. Bot der A-Typ noch eine magere Kreuzprotektion waren die Geimpften gegen den B-Typ vollkommen schutzlos, was zusammen in einer recht mageren Wirksamkeit von 44% mündete.
http://www.cdc.gov/mmwr/preview/mmwrhtml/mm5715a1.htm

Mal sehen, welche Erfahrungen in diesem Zusammenhang die Bediensteten der Uniklinik Graz machten. Dort hatte sich die Anstaltsleitung für die Impfaktion gegen Influenza etwas Besonderes einfallen lassen: Wer sich impfen ließ, bekam eine Autobahn-Jahres-Vignette gratis, also ein Geschenk im Wert von mehr als 80 Euro.
Anstatt bescheidener 15% stürmte diesmal mehr als die Hälfte der Ärzte, Krankenschwestern und des Verwaltungspersonals die Impfabteilung. Fast 4000 Medizinberufler ließen sich impfen.

Ich bin schon neugierig auf die Erfahrungen, die hier gemacht wurden. - Und ob sich die teure Aktion zumindest in der Reduktion der Krankenstandstage gerechnet hat. Ein gutes Jahr haben sich die Grazer für ihre Aktion aber scheinbar nicht ausgesucht.

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Dienstag, 22. April 2008
Vortrag und Buchpräsentation
Für alle Interessenten, die es nicht weit nach St. Pölten haben, ist folgender Termin gedacht:

Bert Ehgartner präsentiert sein soeben im Verlag Lübbe erschienenes Buch "Lob der Krankheit - Warum es gesund ist, ab und zu krank zu sein".

Wann: DI, 29. April 2008, 19 Uhr

Wo: Pielachtalhalle Ober-Grafendorf (Kleiner Festsaal), Raiffeisengasse 9

Eintritt: 7.- (bei Voranmeldung), 9.-Euro (Abendkasse)

Voranmeldung bitte hier
oder unter 0664/73556464
beim Veranstalter Mag. Martin Wöber

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