Mittwoch, 3. Juni 2009
Blog übersiedelt
Liebe Leser,



ab sofort blogge ich unter einer neuen Adresse.
Ich würde Sie ungern verlieren - also bitte folgen Sie mir in diese attraktive neue Blogger-Umgebung

... link (0 Kommentare)   ... comment


Freitag, 22. Mai 2009
Todesfalle Unterzucker
Lange Zeit galt die „gute Einstellung des Blutzuckers“ bei Typ 2 -Diabetikern als oberstes Therapie-Prinzip. Immer mehr Studien zeigen nun, dass radikale Zuckersenkung mindestens ebenso problematisch ist wie hohe Werte.

Diabetes

Kann man mäßig erhöhte Blutzucker-Spiegel tolerieren, oder haben Diabetiker einen konkreten gesundheitlichen Vorteil, wenn der Glukosegehalt ihres Blutes mit Hilfe von Medikamenten künstlich abgesenkt wird? Über viele Jahre galt es als Credo der Diabetologie, dass ein Patient umso besser „eingestellt“ war, je niedriger sein HbA1c lag. Dieser Wert gibt den Anteil des „verzuckerten Blutes“ im Mittel der letzten beiden Monate an und liegt bei Gesunden zwischen 4 und 6 Prozent. Diabetiker hingegen erreichen Werte von 9 Prozent und mehr, weil der Zuckerüberschuss im Blut von den Körperzellen nicht verarbeitet werden kann. Der „honigsüße Durchfluss“ („Diabetes mellitus“) führt zu schweren Durchblutungsstörungen der Gefäße, schädigt speziell Augen, Füße und Nieren und erhöht generell das Risiko für Herzkrankheiten. In fast allen Diabetes-Leitlinien wird deshalb ein HbA1c von weniger als 6,5 als Therapieziel angestrebt.

Die von den US-Gesundheitsbehörden organisierte ACCORD-Studie („Action to Control Cardiovascular Risk in Diabetes“) trieb dieses Prinzip auf die Spitze: Mit bis zu sechs verschiedenen Arzneimitteln sollte der Blutzucker der im Schnitt 62 Jahre alten Diabetiker auf das Niveau von Gesunden – mit HbA1c unter 6 Prozent – gesenkt werden. Die andere Hälfte der insgesamt mehr als 10.000 Teilnehmer wurde einem – gemessen an den Leitlinien – beinahe fahrlässig laschen Therapieschema zugewiesen. Hier war ein HbA1c von 7 bis 7,9 Prozent erlaubt.

Bereits vor Studienbeginn wurde festgelegt, dass die Notbremse gezogen wird, wenn während der geplanten Laufzeit von mehr als fünf Jahren die Sterblichkeit in einem der beiden Studienarme einen bestimmten Grenzwert übersteigt. Und tatsächlich war es im Februar des Vorjahres – nach nur 3,5 Jahren Laufzeit – so weit. Entgegen den Erwartungen der Experten traf es aber nicht den Studienarm der schlecht eingestellten Diabetiker, der abgebrochen werden musste, sondern die Intensivtherapie. Hier waren um 22 Prozent mehr Todesfälle aufgetreten.
Im Sommer wurden die Daten im „New England Journal of Medicine“ publiziert und seither hat die Branche der Diabetologen ein kontrovers diskutiertes Dauerthema, welches auch die zur Zeit in Leipzig stattfindende Jahrestagung der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) dominiert.

Relative Einigkeit besteht noch bei der Frage, woran die ACCORD-Teilnehmer gestorben sind. Die meisten dieser Personen wurden laut Studienprotokoll „dead in bed“ gefunden. „Möglicherweise spielten Unterzuckerungen hier eine tödliche Rolle“, vermutet Thomas Haak, Präsident der DDG und Chefarzt des Diabetes-Zentrums Bad Mergentheim. Eine Ausgangsthese, die auch Michael Stumvoll, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik III am Universitätsklinikum Leipzig, teilt. „Es tut mir Leid um alle, die in der ACCORD-Studie zu Tode gekommen sind“, sagt Stumvoll, „Andererseits hat uns das den Erkenntnis-Zuwachs gebracht, dass dieses blinde Absenken des Zuckers um jeden Preis ein Wahnsinn ist.“

Eine zu Jahresbeginn publizierte kleinere Studie mit 1791 Angestellten der US-Militärs („Veterans Affairs Diabetes Trial“) bestätigte den Verdacht. Hier waren alle Teilnehmer angewiesen, ihren Blutzucker mindestens zweimal täglich zu messen, einmal pro Woche sogar um drei Uhr nachts. Abermals zeigte sich kein Nutzen der Intensivtherapie. Statistisch hoch signifikant war hingegen der Unterschied bei den Fällen von schwerer Unterzuckerung (Hypoglykämie) mit einem Anteil von 8,5 gegenüber 3,1 Prozent in der Kontrollgruppe.

Hypoglykämie entsteht, wenn der Zuckerspiegel – meist in Folge einer Überdosierung von Diabetes-Pillen oder Insulin – zu stark abfällt. Das Management dieser schweren Komplikation ist fixer Bestandteil aller Diabetes Schulungen. Risikopersonen tragen ein eigenes Notfall-Set mit, um bei Bedarf sofort Glukagon, den hormonellen Gegenspieler von Insulin, spritzen zu können. „An einem hohen HbA1c stirbt akut keiner“, sagt Stumvoll, „am Hypo hingegen schon.“
Zum Zeitpunkt des Abbruchs der ACCORD-Studie hielten die intensiv therapierten Diabetiker bei einem durchschnittlichen HbA1c von 6,4 Prozent, gegenüber einem Wert von 7,5 in der Kontrollgruppe. Der HbA1c sagt – als gemittelter Zuckerwert der letzten acht Wochen – wenig über die kurzfristigen Schwankungen im Tagesverlauf aus. Doch je niedriger der Mittelwert, desto wahrscheinlicher wird ein Ausschlag nach unten.

Als Hypoglykämie gilt jeder Zuckerspiegel unter einen Wert von 2,2 mmol/l (40mg/dl). Die Patienten werden nervös, beginnen zu zittern, bekommen Schweißausbrüche und haben extremen Heißhunger. Wird kein Zucker zugeführt, verlieren sie zunehmend die Kontrolle über ihren Körper, beginnen zu schwanken und lallen wie Betrunkene. Die schwere Hypoglykämie ist mit großem Abstand der häufigste Notfall unter den diabetischen Akutkomplikationen. Bereits der erste Unterzucker kann zum Tod führen.
Besonders gefährdet sind langjährige Diabetiker mit gestörter Nierenfunktion. Doch auch wenn es gelingt, die Unterzuckerung zu beheben, bleiben Folgeschäden. Scheinbar toleriert das Gehirn als Zucker-Großverbraucher unter den Organen einen Mangel besonders schlecht. Eine Mitte April im Journal der US-Ärztegesellschaft publizierte Langzeit-Studie ergab, dass bei Personen, die wegen einer Unterzuckerung in die Klinik gebracht werden mussten, das Risiko auf nachfolgende Demenz um 42 Prozent, bei zwei derartigen Episoden sogar um 136 Prozent, anstieg.

Bereits im Oktober letzten Jahres reagierte die DDG auf die aktuellen Ergebnisse mit einer Anpassung der Leitlinie. Während die Therapie bei jüngeren Patienten und im Frühstadium der Diabetes weitgehend gleich bleibt, sollen ältere Diabetiker mit Begleitkrankheiten und schlechter Basis-Einstellung fortan nicht mehr drastisch unter einen HbA1c-Wert von 6,5 gesenkt werden. „Hier nehmen wir auch einen Wert unter 7 in Kauf“, erklärt Haak. Manche Diabetologen sehen auch bei noch höherem Blutzucker keinen akuten Handlungsbedarf. „Wenn ein 70jähriger Patient, der seit 15 Jahren Diabetes hat, mit einem Wert von 7,2 ein gutes Leben führt, dann lass ich den in Ruhe“, sagt Michael Stummvoll. „Ab 7,5 werde ich aber etwas unruhig.“
Der 80-jährige Nestor der deutschen Diabetologie, Hellmut Mehnert, schlug in einem Kommentar in der „Ärzte Zeitung“ kürzlich gar einen HbA1c-Wert von 8,0 vor, „um einen gewissen Schutz gegen die offenbar so verderblichen Hypoglykämien zu bieten.“ Und Thomas Pieber, Präsident der kommenden Jahrestagung der Europäischen Diabetesgesellschaft in Graz, will diesen Grenzwert für langjährige Diabetiker, die trotz schlechtem Zuckerwert relativ beschwerdefrei leben, sogar in den Leitlinien festhalten. „Dort muss stehen, dass es keine wissenschaftliche Basis dafür gibt, dass die medikamentöse Absenkung des Zuckerwertes unter einen HbA1c von 8 den Patienten nützt.“
DDG-Präsident Haak beobachtet die Vorstöße der Kollegen, aus den Ergebnissen der USA nun rundum eigene Therapieschemata abzuleiten, mit Skepsis. „Zuckerwert-Einstellungen über 7 müssten in ihrer Sicherheit erst mit Studien belegt werden.“ Die deutschen Leitlinien gehörten in ihrer Ausgewogenheit hingegen „mit zu den besten der Welt.“

Peter Sawicki, Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), spielt diesen Ball gleich wieder zurück und fordert eine Umkehr der Beweislast: „Seit nunmehr 40 Jahren zeigt Studie um Studie keinen positiven Effekt der medikamentösen Diabetes-Therapie.“ Irgendwann müsse man das doch zur Kenntnis nehmen, schimpft Sawicki. „Aber die Diabetologen verhalten sich nach dem Prinzip: Ich lass mir doch nicht durch irgendwelche Studien mein schönes Therapiekonzept versauen.“
Die meisten Fachgesellschaften im Bereich der Diabetes seien abhängig von der pharmazeutischen Industrie und diese profitiere eben sehr stark von den niedrigen Zielwerten, kritisiert Sawicki, weil mehr Medikamente in höheren Dosen eingesetzt würden.
DDG-Chef Haak begegnete derartigen Vorwürfen mit der Festlegung eines Verhaltenscodex. Dieser wird bei der Jahrestagung in die Statuten der Gesellschaft aufgenommen, „weil wir es leid sind, immer in die Schmuddelecke gedrängt zu werden, dass wir alle von der Pharmaindustrie bestochen sind.“ Laut Haak sichert der Codex nun, „dass Gelder, die von der Pharmaindustrie kommen - leistungsbezogen und transparent gezahlt werden und damit etwas Vernünftiges gemacht wird.“
Peter Sawicki würdigt das als einen prinzipiell positiven Schritt in die richtige Richtung. „Ich fürchte aber, es wird in der Praxis so dargelegt werden, dass man Dinge nach wie vor verschleiert.“

Das IQWiG wiederum gilt in der Branche als Kettenhund der Politik, der unter dem Vorwand der Evidenz basierten Medizin die modernsten, zugleich aber auch teuersten neuen Therapiekonzepte zunichte macht. Tatsächlich erschienen in diesem Jahr bereits zwei IQWiG-Gutachten, in denen hoffnungsvolle neue Substanzklassen, die das Risiko einer Unterzuckerung reduzieren, rundweg abqualifiziert wurden.
Als erstes traf es die Glitazone, so genannte Insulin Sensitizer, welche die Sensibilität der Körperzellen für natürliches und gespritztes Insulin erhöhen. In der Monotherapie dürfen sie derzeit nur eingesetzt werden, wenn die Patienten Metformin oder Sulfonylharnstoff, die beiden Klassiker der Diabetestherapie, nicht vertragen. Im IQWiG Gutachten, das im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses den Zusatznutzen gegenüber den Mitteln der ersten Wahl untersuchte, heißt es nun, dass Glitazone sowohl Vorteile (geringes Risiko einer Unterzuckerung) als auch Nachteile (Gewichtszunahme, erhöhtes Herzrisiko) haben. Vor einem allzu breiten Einsatz sollten noch die Ergebnisse von ausreichend großen und methodisch guten Langzeit-Studien abgewartet werden, die in den nächsten Jahren erscheinen.
Im März setzte das IQWiG mit einem skeptischen Abschlussbericht zum Nutzen der langwirksamen Insulinanaloga mit den derzeit zugelassenen Wirkstoffen Glargin und Detemir nach. Bei beiden Substanzen handelt es sich um gentechnisch hergestellte Varianten des Humaninsulin, die so verändert wurden, dass sie deutlich länger wirken und von Diabetikern nur ein oder zwei Mal täglich gespritzt werden müssen. Das IQWiG kam nach Prüfung der Studien zum Schluss, dass es für einen Vorteil der langwirksamen Insulinanaloga bislang keine sicheren Belege gäbe, auch wenn das Kölner Institut „Hinweise auf seltenere Unterzuckerungen“ zugestand.
Für Juni wird nun die Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses erwartet, ob die derzeit von rund einer halben Million Diabetikern verwendeten Insulinanaloga weiterhin von den Kassen bezahlt werden. Falls nicht, fürchten Diabetologen, dass sich die Unterzuckerungs-Problematik bei einer Rückkehr zu den alten Mitteln weiter verschärfen könnte. Als besonders problematisch gelten die Sulfonylharnstoffe. „Das ist eine recht unintelligente Substanz, die auch dann noch die Insulinproduktion ankurbelt, wenn der Zucker längst im Normalbereich ist“, sagt Stumvoll.

Seit 1995 sind sechs neue Wirkstoff-Klassen in den Leistungskatalog der Kassen aufgenommen worden. Neuere Mittel, wie etwa der synthetisch aus dem Speichel einer Echse hergestellte Wirkstoff Exenatide sind vergleichsweise wesentlich intelligenter und bremsen die Unterzuckerung rechtzeitig ab, ebenso ein kurz vor der Zulassung stehender Wirkstoff aus der Haut einer Kröte. Diese High-Tech Präparate treiben die Kostenkurve aber steil nach oben. Allein die Behandlung mit Exenatide würde pro Patient und Jahr mehr als 2000 Euro kosten, sechsmal so viel wie eine herkömmliche Insulin-Therapie.

Diabetes ist auch so längst zu einem der größten Ausgabenposten im Gesundheitssystem geworden. Mehr als zehn Millionen Deutsche sind offiziell betroffen. Nun droht Diabetes durch die demographische Entwicklung und die teuren neuen Medikamente zu einem gesamtwirtschaftlichen Katastrophenfall zu werden. „Inklusive Dunkelziffer und Vorstadien steuert ein Drittel der Bevölkerung unaufhaltsam auf Diabetes zu“, warnt Rüdiger Landgraf, der Vorsitzende der Deutschen Diabetiker Stiftung.
Derzeit verursacht die Behandlung der Diabetiker einen Aufwand von rund 30 Milliarden Euro. „Bis 2025 müssen wir mit einer Kostenexplosion auf bis zu 240 Milliarden Euro rechnen“, sagt Landgraf. „Das entspricht in etwa dem, was wir heute für das gesamte Gesundheitssystem in Deutschland ausgeben.“

... link (0 Kommentare)   ... comment


Montag, 11. Mai 2009
Cervarix vs. Gardasil: "Stärker und länger"
Bei der derzeit laufenden "25. Internationalen Papillomaviren Konferenz" in Malmö präsentierte GlaxoSmithKline erstmals einen direkten Vergleich zwischen dem eigenen HPV-Impfstoff Cervarix und dem Konkurrenzprodukt und Marktführer Gardasil von Merck. Ergebnis: Cervarix erzeugt deutlich mehr neutralisierende Antikörper und auch wesentlich mehr Gedächtniszellen. Mit der Botschaft "stärker und länger" will der Europäische Konzern mit Hauptsitz in Belgien nun gegen den US-Multi eine Aufholjagd um den Milliardenmarkt starten.

product cervarix
GSK setzt mit Cervarix zur Aufholjagd an

An der bislang noch unveröffentlichten Studie nahmen 1000 Frauen im Alter von 18 bis 45 Jahren teil. Im Zentrum der Untersuchung stand die Frage, wie stark der immunogene Effekt der beiden Impfungen ist. Davon, so die These, hängt die Wirkdauer wesentlich ab, und damit auch unmittelbar die Frage, ob die HPV-Impfung überhaupt in der Lage ist, den in der Werbung vermittelten Schutz vor der Ausbildung eines Zervix-Karzinoms zu bieten. Schließlich ist die Impfung derzeit für 12 bis 17 jährige Mädchen empfohlen, die Mehrzahl der tödlichen Krebsfälle tritt hingegen erst im Alter über 60 Jahren auf.

Gemessen an diesen Kriterien, ist Cervarix deutlich überlegen. Gegen HPV-16, den mit Abstand häufigsten Virentyp bilden sich mehr als doppelt so viele neutralisierende Antikörper wie in der Gardasil-Kontrollgruppe, gegen HPV-18 sogar sechsmal so viele. Zudem finden sich nahezu dreimal so viele Gedächtniszellen, die bei neuerlichem Kontakt mit den Viren die Antikörperproduktion gleich wieder starten könnten.

"Diese Studie liefert erstmals Beweise dafür, dass die beiden Impfstoffe nicht dieselbe Immun-Antwort erzeugen", freute sich GSK-Sprecher Thomas Breuer in der Presse-Aussendung und ist nun "zuversichtlich dass diese Resultate nun das Potenzial von Cervarix demonstrieren."

Nachdem beide Produkte auf der Antigen-Technologie der "virus-like-particles" basieren, muss dieser Unterschied durch einen anderen Bestandteil der Impfung bewirkt werden: die unterschiedlichen Adjuvantien.

Mehr als zwei Drittel aller Impfungen benötigen Adjuvantien, um überhaupt eine relevante Wirkung zu erzielen, weil das menschliche Immunsystem die abgetöteten Viren- oder Bakterienteile ansonsten gar nicht als Bedrohung auffassen, sondern folgenlos entsorgen würde. Wenn diese Antigene jedoch zusammen mit einem Hilfsstoff gegeben werden, der dem Immunsystem einen Schock versetzt, so werden im Zug der Alarmaktion auch die harmlosen Antigene für Täter gehalten - und über sie eine "immunologische Akte angelegt".

Doch Adjuvantien sind nicht unproblematisch. Um eine Immunreaktion auszulösen, müssen sie immer auch eine Gefahr darstellen. Aluminiumhydroxid, das bislang häufigste und am längsten verwendete Adjuvans sorgt an der Einstichstelle für einen begrenzten Gewebeschaden. Die geschädigten und sterbenden Zellen setzen Harnsäure frei, das als internes Alarmsignal die Immunreaktion auslöst.
Problematisch ist, dass Aluminium-haltige Adjuvantien immer auch die Art der Immunreaktion beeinflussen und - manchmal sogar nachhaltig - verändern. Aluminiumhydroxid manipuliert das Immunsystem in eine eher Th2-dominierte Richtung. Es forciert also eher die Antikörper-Bildung und nicht die Th1-gesteuerte zelluläre Immunität. Derzeit sind aber auch eine ganze Reihe neuer Adjuvantien in der Entwicklungs-Pipeline, die dem entgegen steuern sollen. Je nach Einsatzziel soll damit künftig das geeignete Adjuvans zur Verfügung stehen.

Merck verwendet als Gardasil-Adjuvans eine verstärkte Version von Aluminiumhydroxid. Cervarix ist hier schon einen gewaltigen Schritt voraus. Ihr Adjuvant System 04 (AS04) benötigt das Aluminium nur noch als eine Art biochemischen "Klebstoff", der das Antigen an Ort und Stelle hält, bis die Immunzellen kommen. Angelockt werden diese aber von einem Bestandteil, der aus der Hülle von Salmonellen isoliert wurde. Diese neue Komponente nennt sich chemisch Monophospholipid A und erinnert das Immunsystem wohl an eine massive Salmonellen-Invasion.
Demnach heftig erfolgt die Reaktion. Die GSK-Techniker mussten ihr Wundermolekül sogar künstlich kappen, weil es sonst zu toxisch gewesen wäre.

Haben wir es also mit einer medizinischen Erfolgsgeschichte zu tun?
Nicht unbedingt. Denn weder bei Gardasil noch bei Cervarix gibt es ausreichend veröffentlichte Daten zur Sicherheit ihrer Adjuvantien. Dies ist insofern unverständlich, weil es ja gerade diese Substanzen sind, die viel mehr noch als die Impf-Antigene selbst, massiv ins Immunsystem eingreifen, und sowohl Allergien als auch Autoimmunreaktionen auslösen, oder dieses Risiko zumindest verstärken können.

In den USA ist die Gesundheitsbehörde FDA bei Cervarix kräftig auf die Bremse gestiegen. In der Branche wird gemunkelt, dass AS04, das neuartige Adjuvantien-System der FDA suspekt war. GSK bestreitet jeglichen Zusammenhang, hält sich über die wahre Ursache aber bedeckt. Das vor mehr als zwei Jahren eingereichte Ersuchen um Zulassung ist jedenfalls noch immer nicht bewilligt. Erst mit Ende 2009, hofft GSK, soll nun mit den ebenfalls in Malmö präsentierten Phase III Daten über einen Beobachtungszeitraum von mehr als sieben Jahren, endlich der Markteintritt in den USA - und damit die ganz große Aufholjagd möglich werden.

In Europa gab es weder für Gardasil noch für Cervarix Probleme mit der Zulassung. Und wer hier im blog bereits etwas länger mitliest, weiß auch um meinen Ärger darüber, dass die Behörden keinerlei Einwände hatten, als in den großen Zulassungsstudien sowohl die Impfgruppen, als auch die "Placebogruppen" mit den potenziell problematischen Adjuvantien geimpft wurden. Damit war es natürlich unmöglich, sich zur Sicherheit und Verträglichkeit der Adjuvantien ein halbwegs objektives Bild zu machen.

Ist schon klar, dass manche Fakten nicht in die aufwändigen Werbe-Kampagnen passen könnten. Doch warum die Behörden dabei mitspielen ist mir ein Rätsel. Das Gesundheitsrisiko tragen nun die jungen Mädchen und Frauen, die sich vertrauensvoll impfen lassen.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Donnerstag, 7. Mai 2009
Milliarden für Influenza-Impfkampagne
Die USA geht den Weg zu einem Comeback ihres Schweinegrippe-Debakels von 1976 konsequent weiter. Laut einem Bericht der Washington Post überlegt die Regierung Obama nun einen "multibillion-dollar effort" um die Amerikaner im kommenden Herbst nicht nur mit 180 Millionen Impfdosen des normalen Influenza-Impfstoffes sondern auch noch mit bis zu 600 Millionen Dosen des Schweinegrippe-Impfstoffes A/H1N1 versorgen zu können.

mexican police

"They have never tried this before, and there is going to be a great deal of confusion," kommentierte das William Schaffner, der Leiter des Departments für Präventivmedizin an der Vanderbilt University School of Medicine.

Unklar ist etwa, ob gegen die Schweinegrippe eine oder zwei Injektionen nötig wären. Es ist auch nicht geklärt, ob eine derartige Menge überhaupt produziert werden kann, ohne die Herstellung der "normalen" saisonalen Influenza-Impfstoffe zu gefährden.

An der normalen Grippe erkranken laut WHO jährlich drei bis fünf Millionen Menschen, von denen 250.000 bis 500.000 sterben.
An Influenza A/H1N1 sind bislang weltweit 2.099 Menschen erkrankt, die Anzahl der bestätigten Todesfälle liegt zur Zeit bei 19, davon nur zwei außerhalb von Mexico. Bei beiden Fällen sollen schwere Begleiterkrankungen vorgelegen haben, auch wenn die CDC dazu keine Details mitteilte.

Streit um "Influenza-Partys"

Ein origineller Streit ist laut New York Times darüber entbrannt, ob es nicht eine gute Idee sei, sich wegen der derzeit überwiegend milden Verläufe gleich absichtlich anzustecken und damit gegen eine möglicherweise wesentlich gefährlichere Wiederkehr des Erregers im kommenden Winter immun zu sein. Schließlich habe auch die große Pandemie von 1918/19 gezeigt, dass jene, die bei der ersten milden Grippephase erkrankt waren, später, als der tödliche Krankheits-Schub erfolgte, geschützt waren. Die meisten Mediziner rieten empört vor derartigen "mittelalterlichen Methoden" ab.
Pandemie-Experte Michael Olesen, Leiter der Infektionsabteilung des Abbott Northwestern Hospital in Minneapolis kann dem Gedanken jedoch durchaus etwas abgewinnen. Als er von den Ausbrüchen in Mexico hörte, habe er sich gleich N95 Gesichtsmasken besorgt. An einer Grippe-Party werde er nicht teilnehmen, sagte Olesen, doch die Masken werde er in Risikosituationen nun auch nicht mehr tragen. "Ich nutze eben meine Chance", erklärt Olesen seine persönliche Passivtaktik. "Vielleicht gehts mir eine Woche elend, aber damit bin ich später nicht ernsthaft krank."

... link (4 Kommentare)   ... comment


Dienstag, 5. Mai 2009
Panikmache mit FSME
In diesem sehenswerten Beitrag der SWR Sendung Report geht es um Geschäftemacherei mit der FSME-Impfung in Deutschland und um verschwiegene Nebenwirkungen.

zecke in variationen

... link (1 Kommentar)   ... comment


Der war's!
child kissing pig

... link (0 Kommentare)   ... comment


Pandemic = Epidemie + Panic
Angesichts der bevorstehenden Ausrufung der höchsten Pandemie-Warnstufe durch die WHO erinnern sich auch in den USA immer mehr Mediziner und Politiker daran, dass die Schweinegrippe schon mal ein Thema war (siehe "Das Schweinegrippe-Debakel").
Der Kongress-Abgeordnete Ron Paul war damals einer von nur zwei Politikern, die gegen die staatlichen Maßnahmen - einer generellen Durchimpfung der Bevölkerung gegen die Schweinegrippe votierten.




Hier zum Ausgleich ein Beispiel für die Art von Information die von der US-Behörde CDC generell (abseits der Schweinegrippe) zum Thema Influenza geliefert wird.
Ein propagandistisches Plädoyer für die Impfung, das unter die Haut geht und als Konsequenz der Verweigerung den Tod der eigenen Kinder androht.
Natürlich ohne jegliche Hinweise über mögliche Nebenwirkungen der Impfung - oder über den laut Cochrane-Metaanalyse fehlenden Nachweis einer Wirkung der Grippe-Impfung im Alter zwischen sechs Monaten und zwei Jahren.

Zitat:
In children under the age of two, the efficacy of inactivated vaccine was similar to placebo.

In dieser britischen Studie wurde die Wirksamkeit der Influenza-Impfung bei Kindern zwischen 6 und 59 Monaten im Verlauf von zwei Influenza-Saisonen (2003/04 + 2004/05) getestet.

Zitat:
Significant influenza VE (vaccine effectiveness) could not be demonstrated for any season, age, or setting after adjusting for county, sex, insurance, chronic conditions recommended for influenza vaccination, and timing of influenza vaccination (VE estimates ranged from 7%-52% across settings and seasons for fully vaccinated 6- to 59-month-olds).

Von all diesen Fakten ist im Propaganda-Machwerk der CDC keine Rede. Hier wird stattdessen in übelster Manier - und als Hohn auf die Forderung nach "informierter Entscheidungsfindung" bei medizinischen Interventionen – Stimmung gemacht.
Und das von jener Behörde, die nun, im Verbund mit der WHO, auch bei der Influenza A/H1N1 (vormals Schweinegrippe) die weltweite Vorgehensweise bestimmt:

... link (0 Kommentare)   ... comment


Samstag, 2. Mai 2009
Die Gripperl-Pandemie
Es gibt derzeit wohl weltweit kein News-Portal, in dem die Influenza-Pandemie nicht Titelthema ist. Und das seit Wochen. Wir werden damit in einem Ausmaß belästigt, das der realen mit der Krankheit verbundenen Bedrohung diametral entgegen steht. Deshalb geben wir hier im blog zum Ausgleich Entwarnung und versuchen die Gründe zu verstehen, warum ein Großteil der weltweiten Influenza-Community im Verbund mit den Medien derzeit durchdreht.

Inserat bei Warntex.com
Jetzt bestellen: Das Schweinegrippe Pandemie-Set um nur 26,17 €


Die WHO überlegt angestrengt, ob die höchste Pandemie-Warnstufe 6 ausgerufen werden soll, beim Meeting der EU-Gesundheitsminister war die Grippe das beherrschende Thema und in Mexico-City wurde ein "War-Room" eingerichtet, in dem die Experten rund um die Uhr tagen und die positiven Virentests auf ihren Pandemie-Landkarten eintragen. Für diese Woche wird nun die Entscheidung erwartet, ob die groß angelegte Produktion eines eigenen Impfstoffes gegen A/H1N1 angeordnet wird. Man hat den Eindruck als stünden wir am Rande des Abgrunds. Und das angesichts einer Bedrohung, die in etwa die Zerstörungskraft eines Frühlingsschnupfens hat.

Besonders schlimm ist die Lage in Deutschland, wo laut Jörg Hacker, dem Präsidenten des Robert-Koch-Institutes nun eine "neue Situation eingetreten ist": Eine Krankenschwester hat sich bei einem Grippe-Patienten angesteckt. Zwar sind beide längst wieder wohlauf, doch Angela Merkel gab bekannt, dass fortan die Bundesregierung "bis auf weiteres jeden Mittwoch" über die Pandemie beraten werde.

Welche neue Pest treibt hier ihr Unwesen?

Zunächst waren in einem hysterischen Wettlauf die aus Mexico gemeldeten Todesfälle hochgeschnellt - und hielten bald bei deutlich über 100 Opfern. Hier wurde scheinbar jeder Phantast zitiert, der die Courage hatte, vor die Kameras zu treten. Tatsächlich war bei den Patienten aber gar nicht untersucht worden, ob sie überhaupt an der Influenza litten. Nun gab das Gesundheitsministerium bekannt, dass die Zahl der bestätigten Influenza Todesfälle bei 15 liegt.

Wir beobachten staunend das Krisen-Management eines Influenza-Apparates, der mit Milliardenaufwand aus Steuergeldern finanziert wird und derzeit alles Erdenkliche unternimmt, seine eigene Existenz zu rechtfertigen.
In fast allen Äußerungen dieser Experten klingt die kaum verhohlene Freude mit, dass es nun endlich eine Chance gibt, sich in Szene zu setzen. Und mit Stolz verweisen die Experten auf ihre eigene Rolle bei der Einrichtung von nationalen Pandemie-Plänen, sowie der Bevorratung mit Influenza Medikamenten und Grippe-Schutzmasken.
Das was Kritiker als rausgeschmissenes Geld bezeichnet haben, habe sich nunmehr - dank ihrem weisen Rat - als gut investierte Gesundheitsvorsorge erwiesen.

Über viele Jahre sind wir es gewöhnt, zur Grippe-Impf-Saison regelmäßig mit Horrorzahlen versorgt zu werden, deren Wahrheitsgehalt irgendwo zwischen Hänsel und Gretel im tiefen tiefen Wald verloren gegangen ist. Erst kürzlich - beim Runden Tisch zum Thema Schweinegrippe im ORF - wiederholte die Vizepräsidentin der Apothekerkammer Christiane Körner wieder mal das bekannten Influenza-Schauermärchen: Etwa 2.000 bis 4.000 Opfer fordere demnach die ganz normale Grippe in Österreich - und das jeden Winter. Auch das Robert Koch Institut spricht, je nach Laune, von jährlich 12.000 bis 15.000 Todesopfer, die auch schon mal auf 20.000 aufgerundet werden, wie die Zeit in ihrem dramatischen Bericht "Impf oder stirb!" in Erfahrung brachte.

Irgendwie scheint es, als habe diese Zahlen aber ohnehin nie jemand geglaubt.
Wie wäre es sonst möglich, dass die 15 bestätigten Todesfälle aus Mexico nun ein Vielfaches des Raumes einnehmen, den zuvor die Finanzkrise beanspruchte.

Die derzeitige Influenza-Epidemie ist wenig ansteckend, sie verursacht kaum Beschwerden mit nur geringem Fieber und sie heilt im Normalfall rasch wieder aus.

Doch sie bietet - auf Grund des kollektiven Traumas, das die „Spanische Grippe“ vom Nachkriegswinter 1919 hinterlassen hat, noch immer den Stoff aus dem die guten Horrorgeschichten geschnitzt werden.

So wurde in den Mexikanischen Medien viel über die Gemeinde La Gloria berichtet, wo von 2.155 Bewohnern 616 an der Influenza erkrankt seien. Diese Gemeinde, erklärten Experten, sei ein Zentrum der Schweineindustrie, die Zucht- und Mastställe lägen unmittelbar im Wohngebiet und mit hoher Wahrscheinlichkeit sei La Gloria der Ground Zero der Schweinegrippe: hier ist das Virus vom Schwein auf die Menschen übergesprungen.

Doch so wie die Horror-Todeszahlen erwies sich auch diese Nachricht bei näherer Untersuchung als bloße Mär. Der Direktor des Nationalen Zentrums für Epidemiologie in Mexico, Miguel Angel Lezana, erklärte nach einem Lokal-Augenschein Reportern der Washington Post, dass es wenig Belege dafür gibt, dass La Gloria tatsächlich die Brutstätte des aktuellen Virus ist: „Die Schweineställe sind weit von der Wohnsiedlung entfernt. Untersuchungen der Schweine ergaben keinerlei Hinweise auf Influenza.“ Zudem seien unter den hunderten „Influenza-Opfern“ von La Gloria in Wahrheit nur bei einem einzigen auch tatsächlich die Grippeviren gefunden worden: Bei einem fünfjährigen Buben, der längst wieder gesund ist.

Auf den Internet-Seiten der US-Gesundheitsbehörde CDC wird den Ärzten geraten, bei Verdachtsfällen sofort Relenza oder Tamiflu zu verschreiben. Den Patienten wird sogar die vorbeugende Einnahme der umstrittenen und Nebenwirkungs-reichen Medikamente empfohlen, falls sie in Kontakt mit Verdachtsfällen kämen.

Beim derzeit herrschenden Irrsinn ist es wohl zu erwarten, dass in der nächsten Woche - gegen alle Vernunft - die höchste Pandemie-Warnstufe ausgerufen wird, die auch den Startschuss zur Herstellung eines eigenen Pandemie-Impfstoffes bedeutet.
Nachdem schon bisher die Produktion von Vogelgrippe-Impfstoff von einigen Pannen und Katastrophen begleitet war, werden wir wohl auch in den nächsten Monaten noch einige Highlights des modernen Katastrophen-Managements mit verfolgen.
Relativ risikolos lässt sich jetzt schon prophezeien, dass die Bekämpfung der Pandemie jedenfalls deutlich mehr Opfer fordern wird, als die Pandemie selbst.

... link (1 Kommentar)   ... comment


Montag, 27. April 2009
Beruhigungsmittel Tamiflu
"Angst vor dem viralen Supergau", betitelt Focus online eine bange Story über die kommende Influenza-Pandemie. "Schweinegrippe-Virus springt auf USA über", lieferte Spiegel online erste Belege. Und Michael Kunze, Österreichs oberster Sozialmediziner sah sich in Interviews ob seiner Einschätzung der Gefährlichkeit von Influenza vollständig bestätigt. Hält er es doch nun für möglich, dass sich seine 2005 - anlässlich der Vogelgrippe-Hysterie - geäußerte Prognose, "in spätestens fünf Jahren kommt die weltweite Pandemie mit Millionen Todesopfern", doch noch als seriöse Warnung erweist.

Californische Nonnen gehen bei Schweinegrippe auf Nummer sicher
Kalifornische Nonnen haben ihre Virenschutzmasken aus der Seuchenvorratskammer geholt

Je nach Quelle sind in Mexico bereits "über 60 " (Spiegel) oder "mindestens 103" (Dow-Jones-Newswire) Menschen an der verdächtigen Virusvariante, gestorben. Mexicos Gesundheitsminister Jose Angel Cordova gab im Fernsehen bekannt, dass sich derzeit rund 500 Personen mit Verdacht auf Schweinegrippe in Krankenhäusern befinden.

Doch die Rettung naht: Der Basler Roche-Konzern kündigte heute an, dass umgehend die Produktion der berühmten Influenza-Pille Tamiflu wieder hoch gefahren wird. Und weil dieser Prozess bis zum Endprodukt acht Monate in Anspruch nimmt, zeige sich nun, so eine Firmensprecherin, dass jene Behörden und Institutionen, die rechtzeitig vorgesorgt haben, eben doch die Klügeren waren.

Wie ernst sind nun all diese Meldungen zu nehmen?

Steht wirklich eine tödliche Pandemie bevor - oder wird nach der Vogelgrippe nun die nächste Viren-Sau durchs Weltdorf getrieben, auf dass zumindest die Pharmaindustrie von der Finanzkrise verschont bleibe?

Zunächst fällt es schwer, bei den aus Mexico gemeldeten Todesfällen den sicheren Bezug zur Influenza herzustellen, wenn - laut WHO derzeit in Mexico gerade mal 18 Labor-bestätigte Krankheitsfälle vorliegen. Und das, obwohl die Grippewelle, angeblich bereits im März ihren Ausgang nahm.
In den USA halten die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) derzeit bei 20 bestätigten Fällen. Sie seien alle mild verlaufen, erklärte ein Behördensprecher, nur in einem Fall sei eine kurzfristige Hospitalisierung notwendig gewesen.

Sollten die Viren über der Grenze zu Mexico wesentlich schlimmere Infektionen auslösen? Das wäre eigenartig.

Einig sind sich die meisten Experten in der Empfehlung, sicherheitshalber eine Packung Tamiflu bereit zu halten.
Die CDC erklärte, dass Tamiflu (ebenso wie das zweite Mittel, Relenza) gegen die Schweingrippen-Variante des Influenza-A Typs H1N1 wirksam sei.

Doch was heißt das?
Aus klinischen Studien weiß man, dass Tamiflu die Symptome der Influenza abschwächt, den Krankheitsverlauf ein wenig verkürzt, ebenso die Zusatzkomplikationen.
Dies aber auch nur, wenn die Medikamente binnen 48 Stunden nach dem Einsetzen der ersten Symptome genommen werden.
Wie sich das zeitlich mit dem Rat der CDC vertragen soll, Medikamente nur nach definitiver Bestimmung durch
a) entweder real-time PCR oder
b) Virenkultur
einzunehmen, bleibt ein Rätsel, wenn nur die wenigsten Krankenhäuser in der Lage sind, diese Nachweise - noch dazu binnen kürzester Zeit zu erbringen.

Im realen Leben wird wohl jede Person, die über Tamiflu verfügt, das Mittel beim kleinsten Kribbeln im Hals sicherheitshalber einwerfen.

Ob das auch der Sicherheit dient, ist weniger sicher. Bislang konnte noch in keiner Studie gezeigt werden, dass Tamiflu die Sterblichkeit senkt. Auch bei Vogelgrippe-Patienten versagte Tamiflu. Hier wurde stets betont, dass die Medikamente zu spät eingenommen worden waren.

In Japan, dem Land mit der längsten Tradition in der Anwendung dieser Medikamente, gilt seit 2007 ein Tamiflu-Verbot für Teenager, nachdem es hier zu einer Reihe von mysteriösen Selbstmorden gekommen war. Auch in den USA wurden bei Kindern Halluzinationen, Verwirrtheit und Krampfanfälle berichtet.

Häufigste in den Zulassungsstudien beobachtete "normale" Nebenwirkungen waren Erbrechen (8%), Übelkeit (7,9%) und Bauchschmerzen (2,2%).

Wie es aussieht, werden die Viren auch schneller als befürchtet gegen die Mittel resistent - wie ein Artikel der New York Times zur Influenzasaison des zurückliegenden Winters zeigte:

Last winter, about 11 percent of the throat swabs from patients with the most common type of flu that were sent to the Centers for Disease Control and Prevention for genetic typing showed a Tamiflu-resistant strain. This season, 99 percent do.

“It’s quite shocking,” said Dr. Kent A. Sepkowitz, director of infection control at Memorial Sloan-Kettering Cancer Center in New York. “We’ve never lost an antimicrobial this fast. It blew me away.”


Das Schweinegrippe-Debakel

Wenn derzeit jede Option etwas trostlos erscheint, so wissen wir wenigstens, wie mit solchen Phänomenen nicht umzugehen ist. Die Vorfälle ereigneten sich vor mehr als 30 Jahren in den USA und gingen als großes Schweinegrippen-Debakel in die Medizingeschichte ein.

Damals, am 4. Februar 1976 starb ein junger Soldat in einer Kaserne in New Jersey an Grippe, 19 weitere waren krank und drei davon waren von denselben Viren befallen wie das Todesopfer. In der Laboranalye zeigte sich, dass diese Unterart der Grippeviren starke Ähnlichkeit mit jenen hatte, die normalerweise nur Schweine befällt.
Diese Nachricht schlug in der wissenschaftlichen Kommune der Infektionsexperten ein wie eine Bombe: War die Grippe von den Schweinen auf die Menschen übergesprungen? Handelte es sich hier um eine mutierte Abart jener Viren, die im Nachkriegswinter 1918/19 jene weltweite Katastrophe ausgelöst hatte, in dessen Verlauf mehr Menschen starben als zuvor in vier Kriegsjahren. Die Expertengremien tagten rund um die Uhr, die Zeit drängte und schließlich wurde gehandelt. Präsident Gerald Ford verkündete im Fernsehen, dass „jeder Mann, jede Frau und jedes Kind“ in einer konzertierten Aktion gegen die tödlichen Epidemie geimpft werde. Ansonsten – so die dramatische Hochrechnung – würden noch im selben Jahr 1976 rund eine Million Amerikaner sterben.

President Ford geht bei Schweinegrippe mit gutem Beispiel voran
President Gerald Ford geht mit Beispiel voran

Obwohl es in der Kaserne in New Jersey bei dem einen Todesfall blieb und weitere fünfhundert infizierte Soldaten mit der Grippe leicht fertig wurden, lief die Produktion des im Hauruck-Verfahren zugelassenen Impfstoffes das ganze Jahr über auf Hochtouren, um im Herbst, wenn das tödliche Virus zweifellos wiederkommen würde, gerüstet zu sein.
Und schließlich startete die generalstabsmäßig vorbereitete Aktion. Gleich zu Beginn starben in Pittsburgh drei Geimpfte innerhalb weniger Stunden. Das wurde als tragischer Zufall angesehen, die Aktion lief weiter. Insgesamt 45 Millionen Impfungen wurden verabreicht, zahlreiche Nebenwirkungen traten auf. Doch das galt als notwendiger Preis, den es für die Abwendung einer Katastrophe eben zu zahlen galt. Bis im Dezember 1976 ein Zwischenbericht der Behörden erschien, der zeigte, dass die Nebenwirkungen ein enormes Ausmaß annahmen. Besonders alarmierend war das Auftreten tausender Fälle von Guillain-Barre-Syndrom (GBS). Bei dieser Störung des Immunsystems leiden die Patienten unter Lähmungen, die tödlich enden können.
Am 16. Dezember wurde die Impfkampagne eingestellt. Die GBS-Opfer bekamen 90 Millionen Dollar Schadenersatz. Insgesamt hatte die Aktion 400 Millionen Dollar gekostet. Was die meisten Medizin-Experten für eine gute Idee gehalten hatten, ging stattdessen als Debakel in die Annalen der Medizin ein.
Harvey Fineberg, Dekan der Harvard School of Public Health gab in seiner abschließenden Analyse der Aktion auch einige Warnungen für die Zukunft mit: „Versprechen wir uns nicht zuviel von unseren Möglichkeiten“, appellierte er, „denken wir stets auch an das Unerwartete und rechnen wir niemals damit, dass die Experten später – wenn die Dinge sich überraschend ändern – auch noch zu dem stehen, was sie vorher gemeinsam empfohlen haben.“

... link (5 Kommentare)   ... comment


Mittwoch, 22. April 2009
Lobbying macht sich bezahlt
In einer Aussendung der Agentur Welldone wird zu einer Pressekonferenz für kommenden Montag im Presseclub Concordia eingeladen, bei der es um folgende scheinbar harmlose und durchaus erfreuliche Mitteilung geht:

Mit dem Inkrafttreten einer neuen Verordnungsregelung ab 1. Mai 2009 wurde nun ein weiterer Meilenstein in der rA-Therapie gesetzt: Bei Nichtansprechen auf die Behandlung mit 1 Basistherapeutikum kann sofort auf ein Biologikum umgestellt werden. Dies ermöglicht eine bessere Versorgung und eine Steigerung der Lebensqualität der Patienten.


Hier die Vorgeschichte:

Über mehrere Wochen schaltete die Initiative "Der Österreichische Patient" zahlreiche ganzseitige Inserate in den wichtigsten Zeitungen, um eine möglichst frühzeitige Therapie der Rheumatoiden Arthritis einzufordern. Nun deckte "Transparency International" auf, dass es sich dabei in Wahrheit um eine verdeckte Werbekampagne des US-Konzerns Wyeth für das Präparat Enbrel handelt.

In der ersten Phase der Anzeigen-Kampagne wurden wichtige "Player" des österreichischen Gesundheitssystems direkt angesprochen und mit den Folgekosten konfrontiert, die bei Rheumapatienten anfallen. Im Schnitt, heißt es, summieren sich diese Kosten für Krankenstände, Operationen und Krankenhausaufenthalte pro Patient auf jährlich 21.768 Euro. Dies könnte durch den frühzeitigen Einsatz neuer Arzneimittel geändert werden.
Und dann folgt in Balkenlettern die Frage, z.B. an Franz Bittner, den Chef der Wiener Gebietskrankenkasse:
WIE SIEHT IHRE LÖSUNG DAFÜR AUS, HERR BITTNER?

Die Antworten der damit konfrontierten Kammer- und Kassenfunktionäre ist vom Tenor recht einhellig: klar, doch, logisch! früher behandeln ist sinnvoll, wenn man damit Leid und Geld gleichzeitig sparen kann.
Oder im Originalton, wieder von Franz Bittner:

Gerade bei rheumatoider Arthritis ist ein früher Therapie beginn entscheidend, da die schwerwiegendsten Schäden in den ersten beiden Erkrankungsjahren entstehen. Hier gilt es, alte Denkmuster zu entsorgen und ihnen die tatsächliche Kostenwahrheit fair gegenüberzustellen. Natürlich ist der möglichst frühe Einsatz moderner Medikamente zuerst einmal kostenintensiver. Aber was man sich ersparen kann, neben Leid für die Betroffenen, sind die Folgekosten durch Krankenstände, Operationen, Prothesen, Krankenhausaufenthalte etc.

Wer sich über die Urheber dieser doch recht aufwändigen oder teuren Kampagne informieren wollte, wurde auf zwei Patientenorganisationen verwiesen: die Rheumaliga und die Initiative "Der Österreichische Patient".

Andrea Fried, Chefredakteurin der ÖKZ und Mitglied des Beirates von "Transparency International", deckte kürzlich in einem Editorial des aktuellen HTA-Newsletters des Wiener Ludwig Boltzmann Institutes auf, dass es keineswegs Patienteninitiativen waren, die diese Kampagne finanziert haben, sondern der US-Konzern Wyeth, der die Wiener Werbeagentur Welldone dafür mit einem kolportierten Auftrags-Etat von rund 300.000 EUR bedachte.

Auffällig ist die Herkunft der Initiative "Der Österreichische Patient". Dabei, so Fried,

...handelt es sich um eine Kooperation der Österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (ÖGAM) und dem Verein Altern mit Zukunft - beide enge Partner und Kunden der Werbeagentur Welldone, wo sich auch die Kontaktadresse der Initiative "Der Österreichische Patient" befindet.

Andrea Fried findet es höchst eigenartig, warum Versicherer (wie z.B. Franz Bittner) ausgerechnet pharmagesponserte Inserate brauchen, um auf eine vermeintlich schlechte Versorgung von PatientInnen hinzuweisen. "Sollte es hier wirklich Mängel geben", schließt Fried, wären statt Inseraten wohl eher Handlungen gefragt.

Interessant ist neben dem finanziellen auch der fachliche Hintergrund der Kampagne.

Dem Auftraggeber Wyeth geht es offensichtlich darum, den Umsatz seines Medikamentes Enbrel (Wirkstoff Etanercept) zu erhöhen.
So wie Humira (Adalimumab) oder Remicade (Infliximab) gehört Enbrel zu den TNF-Blockern. Es handelt sich dabei um gentechnisch hergestellte Proteine, die in den Kreislauf der Immunreaktion eingreifen uu damit das - bei Rheuma aus dem Ruder gelaufene - autoaggressive Potenzial zu reduzieren.

Enbrel kostet für die in der Praxis üblichen Drei-Monats-Kur pro Patient fast 5.000 EUR und ist derzeit, so wie die anderen beiden Präparate, bei therapieresistenter mittelschwerer bis schwerer rheumatoider Arthritis zugelassen.

"Für eine frühere oder breitere Anwendung", sagte mir der Stockerauer Rheuma-Experte Burkhart Leeb, "gibt es jedoch derzeit noch viel zu wenig Daten. Ich wäre da sehr vorsichtig."

Zumal die Nebenwirkungen, obzwar selten, so doch sehr ernsthaft sein können.
Im Austria Codex werden diese so zusammengefasst:

Lokale Reaktionen, Infektionen (auch schwerwiegend), unspezifische Symptome, Lupus, Allergien, Blutbild, sehr selten ZNS entmyelinisierende Ereignisse

Seit kurzem wird zudem ein höheres Krebsrisiko diskutiert (Zitat aus: a-t 2006; 37: 59-60):

Auch der Verdacht, dass sie Lymphome und andere Krebserkrankungen auslösen können, ist bislang nicht ausgeräumt. Die Störwirkungen sind biologisch plausibel, da TNF α an der Abwehr von Infektionen und bösartigen Erkrankungen beteiligt ist. Eine Auswertung der in randomisierten klinischen Studien und offenen Verlängerungsphasen bei Patienten mit rheumatoider Arthritis unter Etanercept, Infliximab und Adalimumab dokumentierten Lymphome ergibt, jeweils bezogen auf eine hinsichtlich Alter und Geschlecht vergleichbare "Normalbevölkerung", für Etanercept ein relatives Risiko von 2,31 (95% Konfidenzintervall [CI] 0,85-5,03), für Adalimumab von 5,52 (95% CI 2,6-10,0) und für Infliximab von 6,35 (95% CI 1,7-16,3).

... link (2 Kommentare)   ... comment