Freitag, 18. April 2008
"Wir schicken die Kinder dort hin, wo sie krank werden"
Hier nun der zweite Teil des Interviews mit dem langjährigen Vorsitzenden der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch Institut, Heinz-Josef Schmitt, der im September 2007 überraschend zum Impfstoff-Hersteller Novartis Vaccines gewechselt ist. Das Gespräch wurde Mitte Oktober 2007 von Bert Ehgartner geführt und in Auszügen für das eben erschienene Buch "Lob der Krankheit - Warum es gesund ist, ab und zu krank zu sein" verwendet.

Näheres zum Buch und eine Leseprobe finden Sie hier:
http://www.ehgartners.info

Den ersten Teil des Interviews mit Prof. Schmitt finden Sie hier:
http://med.blogger.de/stories/1103381/


Ehgartner: Sie haben an den STIKO Beratungen zur Pneumokokken-Impfung teilgenommen, obwohl Sie von den Herstellern dieser Impfung finanzierte Studien geleitet und dafür Honorar bekommen haben. Wie war das vereinbar?

Schmitt: Es gab einen Teil, wo Fachfragen abgefragt werden. Da konnte ich dabei sein. Wenn hingegen beraten wird, ob die Empfehlung dafür oder dagegen abgegeben werden soll, da muss man dann raus gehen. Bei der Abstimmung habe ich vor der Tür gesessen

Ehgartner: War die Empfehlung zur Pneumokokken-Impfung auch ein No-Brainer, so wie bei HPV?

Schmitt (lacht grimmig): Pneumokokken war kein No-Brainer, das war ein Brainer, sag ich Ihnen. Dafür haben wir sechs Jahre gebraucht. Das war vom Typ her eine neue Impfung. Und auch wenn sich die STIKO offiziell nicht um Kosten kümmert, weil das offiziell jetzt Sache des GBA (Anm: Gemeinsamer Bundesausschuss) ist, so ist das eine Impfung, die die Kosten für Kinderimpfungen verdoppelt hätte. Das hat die Empfehlung verzögert.

Ehgartner: Sechs Jahre nach der Zulassung der Pneumokokken-Impfung wurde Sie nun also von der STIKO empfohlen. Diese neuen Impfungen sind enorm teuer und nach der Gesetzesreform ist alles was die STIKO empfiehlt und der GBA zustimmt für die Kassen bindend.

Schmitt: Die Frage ist, können wir uns das leisten oder nicht. Und die Frage für die Firmen ist, kriegen wir unsere Milliarde wieder oder nicht – und was kriegen wir obendrauf. Und davon hängt es ab, ob wir neue Impfstoffe kriegen oder nicht.

Ehgartner: Welche Rolle spielte für die STIKO der ökonomische Effekt. Dass eine Impfung im Vergleich zu ihrem Nutzen auch nicht zu teuer sein darf?

Schmitt: Wir haben keinen einzigen Professor für Pharmakoökonomie in der STIKO. Für Preisgestaltung, da haben wir wenig Expertise. Das ist Aufgabe des Gemeinsamen Bundesausschuss. Wir konnten die Preise nicht zur Bedingung machen für oder gegen eine Empfehlung, weil das nicht unser Auftrag war. Der umfasste nur die Prüfung von Nutzen und Risiken. Bei HPV ist das ein No-Brainer.

Ehgartner: Ist das für Sie ein Problem, dass die Kassen gezwungen sind, die enormen Preise zu bezahlen, die die Hersteller verlangen?

Schmitt: Da rennen Sie bei mir offene Türen ein. Das ist ein Systemfehler in Deutschland. Wir haben 700.000 Kinder pro Jahr, die brauchen vier Dosen Sechsfachimpfstoff. Warum zahlen wir Weltmarktpreise, statt uns hinzusetzen und zu sagen: wir wollen einen guten Preis für soundsoviele Dosen. Das System zu verbessern ist aber nicht unser Auftrag.
Wir gucken aber schon auf die Kosten, also Phantasiepreise können wir auch nicht bezahlen.
Hepatitis B beispielsweise, hätte ich lieber gesehen, dass wir die ganze Bevölkerung impfen. Aber 85 Millionen mal drei Dosen mal 50 Euro ist nicht machbar, drum haben wir das nicht empfohlen. Da haben wir schon Rücksicht genommen.

Ehgartner: Sie haben in den letzten Jahren fast alle neuen Impfungen empfohlen und in den allgemeinen Impfplan aufgenommen. Warum haben Sie gerade bei der Rotavirus-Impfung für Babys eine Ausnahme gemacht? In Österreich wird das beispielsweise empfohlen und auch bezahlt.

Schmitt (lacht): Ich bin völlig dafür, dass die Rotavirenimpfung empfohlen wird. Wir können nicht die Kinder in die Kinderkrippen schicken, wie es jetzt politisch vorgesehen ist, und dann nicht gegen Rotaviren impfen. Wir schicken sie sozusagen dahin, wo sie sich die Krankheit holen. Das ist nicht gesetzeskonform. Warum es nicht empfohlen ist, kann ich nicht sagen, weil das vertraulich ist. Ich war dafür, die Mehrheit dagegen.
Die Pneumokokkenimpfung hat sechs Jahre gebraucht, bis man sie empfohlen hat, ich hoffe dass das auch bald mit den Rotaviren so ist.

Ehgartner: In Mainz gibt es eine Stiftung für Präventive Pädiatrie, der Sie und STIKO-Kollege Fred Zepp in führenden Positionen angehören. Im Rahmen dieser Stiftung betreiben Sie Impfstoff-Forschung. Gleichzeitig wird diese von Impfstoffherstellern finanziert. Kein Interessenskonflikt?

Schmitt: Die Stifung wird von verschiedenen Quellen gespeist. Da sind öffentliche Gelder drin und auch Industriegelder. In Mainz gibt es eine GmbH, die gehört der Universität und dieser Stiftung. Die GmbH macht einen Vertrag mit mir. So dass man nicht sagen kann, die Industrie bestimmt hier wo es lang geht.

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Weltmarktpreise?
Wir zahlen Mondpreise, keine Weltmarktpreise, weil bei uns der Hersteller den Preis beliebig festsetzt.
Warum der Schmitt bei HBV Skrupel hatte und bei HPV nun eine Impfung empfohlen wird, die teurer ist als alles andere zusammen...?
Mehr zu HPV: http://www.ots.at/presseaussendung.php?schluessel=OTS_20080129_OTS0192
Bei Pneumokokken wurde der Impfstoff auf die USA optimiert - und da sind die nicht-geimpften Subtypen nun auf dem Vormarsch, sprich der Nutzen sinkt (die Kosten nicht).

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Warum er bei der Hepatitis B Impfung für Gesamtdeutschland Skrupel hatte?

Vielleicht hatte er Angst, dass sie ihn in die Klapse stecken, wenn er 12,75 Milliarden Euro für eine Impfung ausgeben will. ;-)

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