Mittwoch, 16. April 2008
Von bösen Viren und deren Ausrottung
"Der einzige, der was von einer Krankheit hat, ist der Erreger. Alle anderen leiden nur darunter", entgegnete mir Berthold in einer Diskussion, wo ich das Lob der Krankheit angestimmt hatte.

Ich entgegnete ihm folgendes:

Es ist eine Tatsache, dass die Evolution des Menschen im ständigen Kontakt und Austausch mit der mikrobiellen Umwelt erfolgte.

Bakterienteile wurden "eingebürgert" und stellen heute die Energiekraftwerke der Zellen dar, haben aber sogar ihr eigenes Erbgut und ihren unabhängig ablaufenden Fortpflanzungsrhythmus innerhalb der Zellen beibehalten (Mitochondrien).

Ohne die ständige Konfrontation mit Viren als Motor und Beschleuniger für Mutationen gäbe es wahrscheinlich die ganze Menschheit nicht.
Zudem spielte die Eingliederung von Viren eine Rolle beim Entstehen der Zellkerne.

Abgesehen von diesen Basics aus der fernen Vergangenheit wird bei jedem einzelnen Menschen, wie auch den meisten Säugetieren der Kontakt mit Bakterien als unbedingtes Signal benötigt, um bestimmte Funktionen des Immunsystems zu starten. Beispielsweise benötigt es bestimmte Mykobakterien, um die Th1-Reaktion zu aktivieren.

Virale kindliche Infekte haben unmittelbare Einflüsse auf die Regelkreise der Immunreaktion, helfen das Gleichgewicht der Reaktionen zu festigen und schulen die Unterscheidungsfähigkeit zwischen fremden und eigenen Proteinen. Die enorme Bedeutung der regulatorischen T-Zellen für ein stabiles System wurde in diesem Zusammenhang erst kürzlich bekannt. Ebenso der positive Einfluss der Keimkontakte und Infekte auf die T-regs.

Sicherlich haben Keime auch ein Eigeninteresse, sprich einen eigenen Lebenszyklus. Wenn sie diesen nicht hätten, gäbe es sie ja nicht.
Daraus aber abzuleiten, dass sie interaktions- und bedeutungslos als reine Schädlinge und Parasiten fungieren und ohne irgendwelche Folgen ausgerottet werden könnten, zeigt von einem recht engen Horizont.

Warum eigentlich bei den Keimen aufhören?

Warum nicht die Ratten ausrotten? Stellen die etwa kein Risiko dar? Sollten wir uns nicht zumindest für die Sauerei mit der Pest rächen?

Und was ist mit den Bienen und Wespen? Gibt es nicht genügend Kinder und auch Erwachsene, die mit lebensgefährlichen allergischen Schocks auf Stiche reagieren?
Tun Dir diese Menschen nicht leid?
Also weg mit den Biestern! Das werden wir ja wohl gentechnisch irgendwie schaffen, dass wir ein Wespen- und Bienengift versprühen, das die lieben Marienkäfer verschont!

Also nicht so kleinkariert! Wenn man erst mal den Hochstand der Ausrottung besteigt, eröffnet sich ein ungeheure Menge an möglichen Abschusszielen:

Die Bösen schießen wir ins Kröpfchen, an die Guten kuscheln wir uns ganz fest an.

Entzückend, Baby!

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