Mittwoch, 22. April 2009
Lobbying macht sich bezahlt
In einer Aussendung der Agentur Welldone wird zu einer Pressekonferenz für kommenden Montag im Presseclub Concordia eingeladen, bei der es um folgende scheinbar harmlose und durchaus erfreuliche Mitteilung geht:

Mit dem Inkrafttreten einer neuen Verordnungsregelung ab 1. Mai 2009 wurde nun ein weiterer Meilenstein in der rA-Therapie gesetzt: Bei Nichtansprechen auf die Behandlung mit 1 Basistherapeutikum kann sofort auf ein Biologikum umgestellt werden. Dies ermöglicht eine bessere Versorgung und eine Steigerung der Lebensqualität der Patienten.


Hier die Vorgeschichte:

Über mehrere Wochen schaltete die Initiative "Der Österreichische Patient" zahlreiche ganzseitige Inserate in den wichtigsten Zeitungen, um eine möglichst frühzeitige Therapie der Rheumatoiden Arthritis einzufordern. Nun deckte "Transparency International" auf, dass es sich dabei in Wahrheit um eine verdeckte Werbekampagne des US-Konzerns Wyeth für das Präparat Enbrel handelt.

In der ersten Phase der Anzeigen-Kampagne wurden wichtige "Player" des österreichischen Gesundheitssystems direkt angesprochen und mit den Folgekosten konfrontiert, die bei Rheumapatienten anfallen. Im Schnitt, heißt es, summieren sich diese Kosten für Krankenstände, Operationen und Krankenhausaufenthalte pro Patient auf jährlich 21.768 Euro. Dies könnte durch den frühzeitigen Einsatz neuer Arzneimittel geändert werden.
Und dann folgt in Balkenlettern die Frage, z.B. an Franz Bittner, den Chef der Wiener Gebietskrankenkasse:
WIE SIEHT IHRE LÖSUNG DAFÜR AUS, HERR BITTNER?

Die Antworten der damit konfrontierten Kammer- und Kassenfunktionäre ist vom Tenor recht einhellig: klar, doch, logisch! früher behandeln ist sinnvoll, wenn man damit Leid und Geld gleichzeitig sparen kann.
Oder im Originalton, wieder von Franz Bittner:

Gerade bei rheumatoider Arthritis ist ein früher Therapie beginn entscheidend, da die schwerwiegendsten Schäden in den ersten beiden Erkrankungsjahren entstehen. Hier gilt es, alte Denkmuster zu entsorgen und ihnen die tatsächliche Kostenwahrheit fair gegenüberzustellen. Natürlich ist der möglichst frühe Einsatz moderner Medikamente zuerst einmal kostenintensiver. Aber was man sich ersparen kann, neben Leid für die Betroffenen, sind die Folgekosten durch Krankenstände, Operationen, Prothesen, Krankenhausaufenthalte etc.

Wer sich über die Urheber dieser doch recht aufwändigen oder teuren Kampagne informieren wollte, wurde auf zwei Patientenorganisationen verwiesen: die Rheumaliga und die Initiative "Der Österreichische Patient".

Andrea Fried, Chefredakteurin der ÖKZ und Mitglied des Beirates von "Transparency International", deckte kürzlich in einem Editorial des aktuellen HTA-Newsletters des Wiener Ludwig Boltzmann Institutes auf, dass es keineswegs Patienteninitiativen waren, die diese Kampagne finanziert haben, sondern der US-Konzern Wyeth, der die Wiener Werbeagentur Welldone dafür mit einem kolportierten Auftrags-Etat von rund 300.000 EUR bedachte.

Auffällig ist die Herkunft der Initiative "Der Österreichische Patient". Dabei, so Fried,

...handelt es sich um eine Kooperation der Österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (ÖGAM) und dem Verein Altern mit Zukunft - beide enge Partner und Kunden der Werbeagentur Welldone, wo sich auch die Kontaktadresse der Initiative "Der Österreichische Patient" befindet.

Andrea Fried findet es höchst eigenartig, warum Versicherer (wie z.B. Franz Bittner) ausgerechnet pharmagesponserte Inserate brauchen, um auf eine vermeintlich schlechte Versorgung von PatientInnen hinzuweisen. "Sollte es hier wirklich Mängel geben", schließt Fried, wären statt Inseraten wohl eher Handlungen gefragt.

Interessant ist neben dem finanziellen auch der fachliche Hintergrund der Kampagne.

Dem Auftraggeber Wyeth geht es offensichtlich darum, den Umsatz seines Medikamentes Enbrel (Wirkstoff Etanercept) zu erhöhen.
So wie Humira (Adalimumab) oder Remicade (Infliximab) gehört Enbrel zu den TNF-Blockern. Es handelt sich dabei um gentechnisch hergestellte Proteine, die in den Kreislauf der Immunreaktion eingreifen uu damit das - bei Rheuma aus dem Ruder gelaufene - autoaggressive Potenzial zu reduzieren.

Enbrel kostet für die in der Praxis üblichen Drei-Monats-Kur pro Patient fast 5.000 EUR und ist derzeit, so wie die anderen beiden Präparate, bei therapieresistenter mittelschwerer bis schwerer rheumatoider Arthritis zugelassen.

"Für eine frühere oder breitere Anwendung", sagte mir der Stockerauer Rheuma-Experte Burkhart Leeb, "gibt es jedoch derzeit noch viel zu wenig Daten. Ich wäre da sehr vorsichtig."

Zumal die Nebenwirkungen, obzwar selten, so doch sehr ernsthaft sein können.
Im Austria Codex werden diese so zusammengefasst:

Lokale Reaktionen, Infektionen (auch schwerwiegend), unspezifische Symptome, Lupus, Allergien, Blutbild, sehr selten ZNS entmyelinisierende Ereignisse

Seit kurzem wird zudem ein höheres Krebsrisiko diskutiert (Zitat aus: a-t 2006; 37: 59-60):

Auch der Verdacht, dass sie Lymphome und andere Krebserkrankungen auslösen können, ist bislang nicht ausgeräumt. Die Störwirkungen sind biologisch plausibel, da TNF α an der Abwehr von Infektionen und bösartigen Erkrankungen beteiligt ist. Eine Auswertung der in randomisierten klinischen Studien und offenen Verlängerungsphasen bei Patienten mit rheumatoider Arthritis unter Etanercept, Infliximab und Adalimumab dokumentierten Lymphome ergibt, jeweils bezogen auf eine hinsichtlich Alter und Geschlecht vergleichbare "Normalbevölkerung", für Etanercept ein relatives Risiko von 2,31 (95% Konfidenzintervall [CI] 0,85-5,03), für Adalimumab von 5,52 (95% CI 2,6-10,0) und für Infliximab von 6,35 (95% CI 1,7-16,3).

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