Dienstag, 20. Mai 2008
intellectual conflict of interest
Kürzlich habe ich bei einem Symposium Russell Harris von der U.S. Preventive Services Task Force getroffen.

Prof. Russell Harris, U.S. Preventive Services Task Force, University of North Carolina (Foto: Ehgartner)

Ich habe mit ihm ein Interview geführt und wir kamen u.a. auf die problematische Grenzlinie zwischen "objektiver" Wissenschaft und den conflicts of interest zu sprechen. Weil ja die meisten hervorragenden Experten in bestimmten Beziehungen zur Industrie stehen, gibt es ab einer gewissen Liga niemand mehr, der noch nie Geld für einen Vortrag, eine wissenschaftliche Arbeit, oder ähnliches erhalten hat.

Harris vertrat dabei die Ansicht, dass man die finanziellen Beziehungen natürlich offen legen müsse. Er persönlich halte die "intellectual conflicts of interest" aber für noch wesentlich bedeutsamer.

Bei ihrer Arbeitsgruppe (die USPSTF publiziert evidence-based Empfehlungen zu allen Vorsorge-Maßnahmen) ist es Pflicht, diese vorgefassten Einstellungen offen anzugeben. Diese Personen sind dann von der Beratung zum jeweiligen Thema ausgeschlossen.

"Es wäre verlorene Zeit, mit Menschen in einen Diskussionsprozess zu gehen, die nicht wirklich in jede Richtung offen sind", sagte Harris. "Denn unsere Aufgabe ist es, die vorhandene Evidenz objektiv zu prüfen - und nicht, die anderen Kollegen von unserer Meinung zu überzeugen."

Würden diese Maßstäbe auf das Impfwesen angewendet, stünden wohl die meisten Kommissionsmitglieder "draußen vor der Türe".

Fred Zepp, der Mainzer Kollege von Ex-STIKO Boss H-J Schmitt - und im Gegensatz zu diesem immer noch in der STIKO, sagte mir, dass es bei Impfungen natürlich völlig unmöglich wäre, Experten zu finden, die keine Beziehungen zur Industrie haben. "Sonst müssen Sie Hausfrauen in die STIKO setzen."

Ich denke, dass Zepp unrecht hat: Zu denken, dass nur Impfexperten in der Lage sind, dieses Fachgebiet intellektuell zu erfassen, zeugt von gewaltiger Selbstüberschätzung.
Harris fand z.B. gar nichts dabei, Hausfrauen, Konsumentenschützer, Ökonomen in so eine Kommission dazu zu nehmen. "Denn wenn die Fakten am Tisch liegen, geht es um deren Abwägung - und da ist eine vorgefasste Meinung wesentlich hinderlicher als ein nicht so ausgeprägtes Expertenwissen."

Durchgesetzt hat sich diese Sichtweise bislang noch nicht.
Bei Impfkommissionen ist es sogar glatt umgekehrt:

Hier ist eine vorgefasste Meinung nämlich Aufnahmebedingung.

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