Dienstag, 21. April 2009
Rezension: "Der Betrüger" von Damon Galgut
Der südafrikanische Autor Damon Galgut erschafft in diesem Roman Charaktere, die völlig eigenständig sind und keinerlei Klischee entsprechen. Dasselbe gilt für die Handlung: Sie hört sich so eigenartig an, dass man darin kaum Spannung vermutet. Doch das täuscht. Man kann das Buch kaum aus der Hand legen.

cover von Damon Galgut Der Betrüger Manhattan 2009

Adam, Mitte vierzig, aus der weißen Mittelschicht Kapstadts hat Job, Haus und Existenz verloren. Da erinnert er sich an seinen Jugendtraum, Gedichte zu schreiben. Sein reich gewordener Bruder bietet ihm ein verwahrlostes Haus in der Karoo Halbwüste als Unterschlupf an. Dort lebt Adam untätig in den Tag hinein, verliert sich immer mehr in depressiven Tagträumen, die ihn lähmen. Er ist zu nichts fähig. Weder kann er das Unkraut entfernen, das seinen Garten überwuchert - noch findet er die ersehnte lyrische Inspiration. Seinem fleißigen Nachbarn Blom weicht er aus. Sogar als dieser Adams Wasserpumpe repariert, verachtet Adam ihn als ungebildetes Landei, mindestens eine Kaste unter ihm - dem Angehörigen der Mittelklasse, der derzeit "kreative Auszeit" nimmt. Bloms Annäherungsversuche sind wiederum höchst unbeholfen. Ab und zu kommt er halb betrunken mit billigem Brandy zu Adam, der ihm angeekelt ausweicht.

Schließlich begegnet Adam zufällig seinem ehemaligen Mitschüler Canning, einem zwiespältigen Menschen, der von seinem Vater ein regelrechtes Paradies geerbt hat: Gondwana. Canning, hasste seinen Vater inbrünstig - und nach und nach stellt sich heraus, dass Canning vor allem eine große Idee antreibt: sich über den Tod hinaus an seinem Vater zu rächen. Sogar die Wahl der schwarzen Ex-Prostitutierten "Baby" als neue Ehefrau sieht Canning als eine Abrechnung an dem weißen Jäger und Patriarchen.

Galguts Figuren sind alles andere als sympathisch. Adam, der in allen seinen Lebenszielen und Gefühlen kalt und egoistisch bleibt. Der rätselhafte Blom, der sich absolut sicher ist, dass Adam ihn eines Tages töten wird. Canning mit seinen schizophrenen Schwankungen von innigster Zuneigung zu sofortigem abgrundtief zynischem Hass. Und schließlich Baby, die in Ihrem Leben vor allem eines gelernt hat: dass Ihre makellose Schönheit besser von ihr selbst, als von anderen benutzt wird, um Ziele zu erreichen. So betrügt sie Canning skrupellos - auch mit Adam, der über der Sehnsucht nach Sex plötzlich wieder zum Dichter wird.

Das Buch entwickelt einen unglaublichen Sog und es führt tief in das "neue Südafrika", mit seinen turbokapitalisitischen Boom-Städten, dem Elend in den rasch herausgestampften Slums mit Namen wie "Nuwe Hoop" - und den allzeit korruptionsbereiten Politikern. Und es zeigt ein faszinierendes Beziehungsgeflecht, das aus einer Vergangenheit wuchert, die von allen Beteiligten verdrängt und gefürchtet wird.

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