Montag, 27. April 2009
Beruhigungsmittel Tamiflu
malamud, 19:01h
"Angst vor dem viralen Supergau", betitelt Focus online eine bange Story über die kommende Influenza-Pandemie. "Schweinegrippe-Virus springt auf USA über", lieferte Spiegel online erste Belege. Und Michael Kunze, Österreichs oberster Sozialmediziner sah sich in Interviews ob seiner Einschätzung der Gefährlichkeit von Influenza vollständig bestätigt. Hält er es doch nun für möglich, dass sich seine 2005 - anlässlich der Vogelgrippe-Hysterie - geäußerte Prognose, "in spätestens fünf Jahren kommt die weltweite Pandemie mit Millionen Todesopfern", doch noch als seriöse Warnung erweist.

Kalifornische Nonnen haben ihre Virenschutzmasken aus der Seuchenvorratskammer geholt
Je nach Quelle sind in Mexico bereits "über 60 " (Spiegel) oder "mindestens 103" (Dow-Jones-Newswire) Menschen an der verdächtigen Virusvariante, gestorben. Mexicos Gesundheitsminister Jose Angel Cordova gab im Fernsehen bekannt, dass sich derzeit rund 500 Personen mit Verdacht auf Schweinegrippe in Krankenhäusern befinden.
Doch die Rettung naht: Der Basler Roche-Konzern kündigte heute an, dass umgehend die Produktion der berühmten Influenza-Pille Tamiflu wieder hoch gefahren wird. Und weil dieser Prozess bis zum Endprodukt acht Monate in Anspruch nimmt, zeige sich nun, so eine Firmensprecherin, dass jene Behörden und Institutionen, die rechtzeitig vorgesorgt haben, eben doch die Klügeren waren.
Wie ernst sind nun all diese Meldungen zu nehmen?
Steht wirklich eine tödliche Pandemie bevor - oder wird nach der Vogelgrippe nun die nächste Viren-Sau durchs Weltdorf getrieben, auf dass zumindest die Pharmaindustrie von der Finanzkrise verschont bleibe?
Zunächst fällt es schwer, bei den aus Mexico gemeldeten Todesfällen den sicheren Bezug zur Influenza herzustellen, wenn - laut WHO derzeit in Mexico gerade mal 18 Labor-bestätigte Krankheitsfälle vorliegen. Und das, obwohl die Grippewelle, angeblich bereits im März ihren Ausgang nahm.
In den USA halten die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) derzeit bei 20 bestätigten Fällen. Sie seien alle mild verlaufen, erklärte ein Behördensprecher, nur in einem Fall sei eine kurzfristige Hospitalisierung notwendig gewesen.
Sollten die Viren über der Grenze zu Mexico wesentlich schlimmere Infektionen auslösen? Das wäre eigenartig.
Einig sind sich die meisten Experten in der Empfehlung, sicherheitshalber eine Packung Tamiflu bereit zu halten.
Die CDC erklärte, dass Tamiflu (ebenso wie das zweite Mittel, Relenza) gegen die Schweingrippen-Variante des Influenza-A Typs H1N1 wirksam sei.
Doch was heißt das?
Aus klinischen Studien weiß man, dass Tamiflu die Symptome der Influenza abschwächt, den Krankheitsverlauf ein wenig verkürzt, ebenso die Zusatzkomplikationen.
Dies aber auch nur, wenn die Medikamente binnen 48 Stunden nach dem Einsetzen der ersten Symptome genommen werden.
Wie sich das zeitlich mit dem Rat der CDC vertragen soll, Medikamente nur nach definitiver Bestimmung durch
a) entweder real-time PCR oder
b) Virenkultur
einzunehmen, bleibt ein Rätsel, wenn nur die wenigsten Krankenhäuser in der Lage sind, diese Nachweise - noch dazu binnen kürzester Zeit zu erbringen.
Im realen Leben wird wohl jede Person, die über Tamiflu verfügt, das Mittel beim kleinsten Kribbeln im Hals sicherheitshalber einwerfen.
Ob das auch der Sicherheit dient, ist weniger sicher. Bislang konnte noch in keiner Studie gezeigt werden, dass Tamiflu die Sterblichkeit senkt. Auch bei Vogelgrippe-Patienten versagte Tamiflu. Hier wurde stets betont, dass die Medikamente zu spät eingenommen worden waren.
In Japan, dem Land mit der längsten Tradition in der Anwendung dieser Medikamente, gilt seit 2007 ein Tamiflu-Verbot für Teenager, nachdem es hier zu einer Reihe von mysteriösen Selbstmorden gekommen war. Auch in den USA wurden bei Kindern Halluzinationen, Verwirrtheit und Krampfanfälle berichtet.
Häufigste in den Zulassungsstudien beobachtete "normale" Nebenwirkungen waren Erbrechen (8%), Übelkeit (7,9%) und Bauchschmerzen (2,2%).
Wie es aussieht, werden die Viren auch schneller als befürchtet gegen die Mittel resistent - wie ein Artikel der New York Times zur Influenzasaison des zurückliegenden Winters zeigte:
Last winter, about 11 percent of the throat swabs from patients with the most common type of flu that were sent to the Centers for Disease Control and Prevention for genetic typing showed a Tamiflu-resistant strain. This season, 99 percent do.
“It’s quite shocking,” said Dr. Kent A. Sepkowitz, director of infection control at Memorial Sloan-Kettering Cancer Center in New York. “We’ve never lost an antimicrobial this fast. It blew me away.”
Das Schweinegrippe-Debakel
Wenn derzeit jede Option etwas trostlos erscheint, so wissen wir wenigstens, wie mit solchen Phänomenen nicht umzugehen ist. Die Vorfälle ereigneten sich vor mehr als 30 Jahren in den USA und gingen als großes Schweinegrippen-Debakel in die Medizingeschichte ein.
Damals, am 4. Februar 1976 starb ein junger Soldat in einer Kaserne in New Jersey an Grippe, 19 weitere waren krank und drei davon waren von denselben Viren befallen wie das Todesopfer. In der Laboranalye zeigte sich, dass diese Unterart der Grippeviren starke Ähnlichkeit mit jenen hatte, die normalerweise nur Schweine befällt.
Diese Nachricht schlug in der wissenschaftlichen Kommune der Infektionsexperten ein wie eine Bombe: War die Grippe von den Schweinen auf die Menschen übergesprungen? Handelte es sich hier um eine mutierte Abart jener Viren, die im Nachkriegswinter 1918/19 jene weltweite Katastrophe ausgelöst hatte, in dessen Verlauf mehr Menschen starben als zuvor in vier Kriegsjahren. Die Expertengremien tagten rund um die Uhr, die Zeit drängte und schließlich wurde gehandelt. Präsident Gerald Ford verkündete im Fernsehen, dass „jeder Mann, jede Frau und jedes Kind“ in einer konzertierten Aktion gegen die tödlichen Epidemie geimpft werde. Ansonsten – so die dramatische Hochrechnung – würden noch im selben Jahr 1976 rund eine Million Amerikaner sterben.

President Gerald Ford geht mit Beispiel voran
Obwohl es in der Kaserne in New Jersey bei dem einen Todesfall blieb und weitere fünfhundert infizierte Soldaten mit der Grippe leicht fertig wurden, lief die Produktion des im Hauruck-Verfahren zugelassenen Impfstoffes das ganze Jahr über auf Hochtouren, um im Herbst, wenn das tödliche Virus zweifellos wiederkommen würde, gerüstet zu sein.
Und schließlich startete die generalstabsmäßig vorbereitete Aktion. Gleich zu Beginn starben in Pittsburgh drei Geimpfte innerhalb weniger Stunden. Das wurde als tragischer Zufall angesehen, die Aktion lief weiter. Insgesamt 45 Millionen Impfungen wurden verabreicht, zahlreiche Nebenwirkungen traten auf. Doch das galt als notwendiger Preis, den es für die Abwendung einer Katastrophe eben zu zahlen galt. Bis im Dezember 1976 ein Zwischenbericht der Behörden erschien, der zeigte, dass die Nebenwirkungen ein enormes Ausmaß annahmen. Besonders alarmierend war das Auftreten tausender Fälle von Guillain-Barre-Syndrom (GBS). Bei dieser Störung des Immunsystems leiden die Patienten unter Lähmungen, die tödlich enden können.
Am 16. Dezember wurde die Impfkampagne eingestellt. Die GBS-Opfer bekamen 90 Millionen Dollar Schadenersatz. Insgesamt hatte die Aktion 400 Millionen Dollar gekostet. Was die meisten Medizin-Experten für eine gute Idee gehalten hatten, ging stattdessen als Debakel in die Annalen der Medizin ein.
Harvey Fineberg, Dekan der Harvard School of Public Health gab in seiner abschließenden Analyse der Aktion auch einige Warnungen für die Zukunft mit: „Versprechen wir uns nicht zuviel von unseren Möglichkeiten“, appellierte er, „denken wir stets auch an das Unerwartete und rechnen wir niemals damit, dass die Experten später – wenn die Dinge sich überraschend ändern – auch noch zu dem stehen, was sie vorher gemeinsam empfohlen haben.“

Kalifornische Nonnen haben ihre Virenschutzmasken aus der Seuchenvorratskammer geholt
Je nach Quelle sind in Mexico bereits "über 60 " (Spiegel) oder "mindestens 103" (Dow-Jones-Newswire) Menschen an der verdächtigen Virusvariante, gestorben. Mexicos Gesundheitsminister Jose Angel Cordova gab im Fernsehen bekannt, dass sich derzeit rund 500 Personen mit Verdacht auf Schweinegrippe in Krankenhäusern befinden.
Doch die Rettung naht: Der Basler Roche-Konzern kündigte heute an, dass umgehend die Produktion der berühmten Influenza-Pille Tamiflu wieder hoch gefahren wird. Und weil dieser Prozess bis zum Endprodukt acht Monate in Anspruch nimmt, zeige sich nun, so eine Firmensprecherin, dass jene Behörden und Institutionen, die rechtzeitig vorgesorgt haben, eben doch die Klügeren waren.
Wie ernst sind nun all diese Meldungen zu nehmen?
Steht wirklich eine tödliche Pandemie bevor - oder wird nach der Vogelgrippe nun die nächste Viren-Sau durchs Weltdorf getrieben, auf dass zumindest die Pharmaindustrie von der Finanzkrise verschont bleibe?
Zunächst fällt es schwer, bei den aus Mexico gemeldeten Todesfällen den sicheren Bezug zur Influenza herzustellen, wenn - laut WHO derzeit in Mexico gerade mal 18 Labor-bestätigte Krankheitsfälle vorliegen. Und das, obwohl die Grippewelle, angeblich bereits im März ihren Ausgang nahm.
In den USA halten die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) derzeit bei 20 bestätigten Fällen. Sie seien alle mild verlaufen, erklärte ein Behördensprecher, nur in einem Fall sei eine kurzfristige Hospitalisierung notwendig gewesen.
Sollten die Viren über der Grenze zu Mexico wesentlich schlimmere Infektionen auslösen? Das wäre eigenartig.
Einig sind sich die meisten Experten in der Empfehlung, sicherheitshalber eine Packung Tamiflu bereit zu halten.
Die CDC erklärte, dass Tamiflu (ebenso wie das zweite Mittel, Relenza) gegen die Schweingrippen-Variante des Influenza-A Typs H1N1 wirksam sei.
Doch was heißt das?
Aus klinischen Studien weiß man, dass Tamiflu die Symptome der Influenza abschwächt, den Krankheitsverlauf ein wenig verkürzt, ebenso die Zusatzkomplikationen.
Dies aber auch nur, wenn die Medikamente binnen 48 Stunden nach dem Einsetzen der ersten Symptome genommen werden.
Wie sich das zeitlich mit dem Rat der CDC vertragen soll, Medikamente nur nach definitiver Bestimmung durch
a) entweder real-time PCR oder
b) Virenkultur
einzunehmen, bleibt ein Rätsel, wenn nur die wenigsten Krankenhäuser in der Lage sind, diese Nachweise - noch dazu binnen kürzester Zeit zu erbringen.
Im realen Leben wird wohl jede Person, die über Tamiflu verfügt, das Mittel beim kleinsten Kribbeln im Hals sicherheitshalber einwerfen.
Ob das auch der Sicherheit dient, ist weniger sicher. Bislang konnte noch in keiner Studie gezeigt werden, dass Tamiflu die Sterblichkeit senkt. Auch bei Vogelgrippe-Patienten versagte Tamiflu. Hier wurde stets betont, dass die Medikamente zu spät eingenommen worden waren.
In Japan, dem Land mit der längsten Tradition in der Anwendung dieser Medikamente, gilt seit 2007 ein Tamiflu-Verbot für Teenager, nachdem es hier zu einer Reihe von mysteriösen Selbstmorden gekommen war. Auch in den USA wurden bei Kindern Halluzinationen, Verwirrtheit und Krampfanfälle berichtet.
Häufigste in den Zulassungsstudien beobachtete "normale" Nebenwirkungen waren Erbrechen (8%), Übelkeit (7,9%) und Bauchschmerzen (2,2%).
Wie es aussieht, werden die Viren auch schneller als befürchtet gegen die Mittel resistent - wie ein Artikel der New York Times zur Influenzasaison des zurückliegenden Winters zeigte:
Last winter, about 11 percent of the throat swabs from patients with the most common type of flu that were sent to the Centers for Disease Control and Prevention for genetic typing showed a Tamiflu-resistant strain. This season, 99 percent do.
“It’s quite shocking,” said Dr. Kent A. Sepkowitz, director of infection control at Memorial Sloan-Kettering Cancer Center in New York. “We’ve never lost an antimicrobial this fast. It blew me away.”
Das Schweinegrippe-Debakel
Wenn derzeit jede Option etwas trostlos erscheint, so wissen wir wenigstens, wie mit solchen Phänomenen nicht umzugehen ist. Die Vorfälle ereigneten sich vor mehr als 30 Jahren in den USA und gingen als großes Schweinegrippen-Debakel in die Medizingeschichte ein.
Damals, am 4. Februar 1976 starb ein junger Soldat in einer Kaserne in New Jersey an Grippe, 19 weitere waren krank und drei davon waren von denselben Viren befallen wie das Todesopfer. In der Laboranalye zeigte sich, dass diese Unterart der Grippeviren starke Ähnlichkeit mit jenen hatte, die normalerweise nur Schweine befällt.
Diese Nachricht schlug in der wissenschaftlichen Kommune der Infektionsexperten ein wie eine Bombe: War die Grippe von den Schweinen auf die Menschen übergesprungen? Handelte es sich hier um eine mutierte Abart jener Viren, die im Nachkriegswinter 1918/19 jene weltweite Katastrophe ausgelöst hatte, in dessen Verlauf mehr Menschen starben als zuvor in vier Kriegsjahren. Die Expertengremien tagten rund um die Uhr, die Zeit drängte und schließlich wurde gehandelt. Präsident Gerald Ford verkündete im Fernsehen, dass „jeder Mann, jede Frau und jedes Kind“ in einer konzertierten Aktion gegen die tödlichen Epidemie geimpft werde. Ansonsten – so die dramatische Hochrechnung – würden noch im selben Jahr 1976 rund eine Million Amerikaner sterben.

President Gerald Ford geht mit Beispiel voran
Obwohl es in der Kaserne in New Jersey bei dem einen Todesfall blieb und weitere fünfhundert infizierte Soldaten mit der Grippe leicht fertig wurden, lief die Produktion des im Hauruck-Verfahren zugelassenen Impfstoffes das ganze Jahr über auf Hochtouren, um im Herbst, wenn das tödliche Virus zweifellos wiederkommen würde, gerüstet zu sein.
Und schließlich startete die generalstabsmäßig vorbereitete Aktion. Gleich zu Beginn starben in Pittsburgh drei Geimpfte innerhalb weniger Stunden. Das wurde als tragischer Zufall angesehen, die Aktion lief weiter. Insgesamt 45 Millionen Impfungen wurden verabreicht, zahlreiche Nebenwirkungen traten auf. Doch das galt als notwendiger Preis, den es für die Abwendung einer Katastrophe eben zu zahlen galt. Bis im Dezember 1976 ein Zwischenbericht der Behörden erschien, der zeigte, dass die Nebenwirkungen ein enormes Ausmaß annahmen. Besonders alarmierend war das Auftreten tausender Fälle von Guillain-Barre-Syndrom (GBS). Bei dieser Störung des Immunsystems leiden die Patienten unter Lähmungen, die tödlich enden können.
Am 16. Dezember wurde die Impfkampagne eingestellt. Die GBS-Opfer bekamen 90 Millionen Dollar Schadenersatz. Insgesamt hatte die Aktion 400 Millionen Dollar gekostet. Was die meisten Medizin-Experten für eine gute Idee gehalten hatten, ging stattdessen als Debakel in die Annalen der Medizin ein.
Harvey Fineberg, Dekan der Harvard School of Public Health gab in seiner abschließenden Analyse der Aktion auch einige Warnungen für die Zukunft mit: „Versprechen wir uns nicht zuviel von unseren Möglichkeiten“, appellierte er, „denken wir stets auch an das Unerwartete und rechnen wir niemals damit, dass die Experten später – wenn die Dinge sich überraschend ändern – auch noch zu dem stehen, was sie vorher gemeinsam empfohlen haben.“
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Mittwoch, 22. April 2009
Lobbying macht sich bezahlt
malamud, 13:55h
In einer Aussendung der Agentur Welldone wird zu einer Pressekonferenz für kommenden Montag im Presseclub Concordia eingeladen, bei der es um folgende scheinbar harmlose und durchaus erfreuliche Mitteilung geht:
Mit dem Inkrafttreten einer neuen Verordnungsregelung ab 1. Mai 2009 wurde nun ein weiterer Meilenstein in der rA-Therapie gesetzt: Bei Nichtansprechen auf die Behandlung mit 1 Basistherapeutikum kann sofort auf ein Biologikum umgestellt werden. Dies ermöglicht eine bessere Versorgung und eine Steigerung der Lebensqualität der Patienten.
Hier die Vorgeschichte:
Über mehrere Wochen schaltete die Initiative "Der Österreichische Patient" zahlreiche ganzseitige Inserate in den wichtigsten Zeitungen, um eine möglichst frühzeitige Therapie der Rheumatoiden Arthritis einzufordern. Nun deckte "Transparency International" auf, dass es sich dabei in Wahrheit um eine verdeckte Werbekampagne des US-Konzerns Wyeth für das Präparat Enbrel handelt.
In der ersten Phase der Anzeigen-Kampagne wurden wichtige "Player" des österreichischen Gesundheitssystems direkt angesprochen und mit den Folgekosten konfrontiert, die bei Rheumapatienten anfallen. Im Schnitt, heißt es, summieren sich diese Kosten für Krankenstände, Operationen und Krankenhausaufenthalte pro Patient auf jährlich 21.768 Euro. Dies könnte durch den frühzeitigen Einsatz neuer Arzneimittel geändert werden.
Und dann folgt in Balkenlettern die Frage, z.B. an Franz Bittner, den Chef der Wiener Gebietskrankenkasse:
WIE SIEHT IHRE LÖSUNG DAFÜR AUS, HERR BITTNER?
Die Antworten der damit konfrontierten Kammer- und Kassenfunktionäre ist vom Tenor recht einhellig: klar, doch, logisch! früher behandeln ist sinnvoll, wenn man damit Leid und Geld gleichzeitig sparen kann.
Oder im Originalton, wieder von Franz Bittner:
Gerade bei rheumatoider Arthritis ist ein früher Therapie beginn entscheidend, da die schwerwiegendsten Schäden in den ersten beiden Erkrankungsjahren entstehen. Hier gilt es, alte Denkmuster zu entsorgen und ihnen die tatsächliche Kostenwahrheit fair gegenüberzustellen. Natürlich ist der möglichst frühe Einsatz moderner Medikamente zuerst einmal kostenintensiver. Aber was man sich ersparen kann, neben Leid für die Betroffenen, sind die Folgekosten durch Krankenstände, Operationen, Prothesen, Krankenhausaufenthalte etc.
Wer sich über die Urheber dieser doch recht aufwändigen oder teuren Kampagne informieren wollte, wurde auf zwei Patientenorganisationen verwiesen: die Rheumaliga und die Initiative "Der Österreichische Patient".
Andrea Fried, Chefredakteurin der ÖKZ und Mitglied des Beirates von "Transparency International", deckte kürzlich in einem Editorial des aktuellen HTA-Newsletters des Wiener Ludwig Boltzmann Institutes auf, dass es keineswegs Patienteninitiativen waren, die diese Kampagne finanziert haben, sondern der US-Konzern Wyeth, der die Wiener Werbeagentur Welldone dafür mit einem kolportierten Auftrags-Etat von rund 300.000 EUR bedachte.
Auffällig ist die Herkunft der Initiative "Der Österreichische Patient". Dabei, so Fried,
...handelt es sich um eine Kooperation der Österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (ÖGAM) und dem Verein Altern mit Zukunft - beide enge Partner und Kunden der Werbeagentur Welldone, wo sich auch die Kontaktadresse der Initiative "Der Österreichische Patient" befindet.
Andrea Fried findet es höchst eigenartig, warum Versicherer (wie z.B. Franz Bittner) ausgerechnet pharmagesponserte Inserate brauchen, um auf eine vermeintlich schlechte Versorgung von PatientInnen hinzuweisen. "Sollte es hier wirklich Mängel geben", schließt Fried, wären statt Inseraten wohl eher Handlungen gefragt.
Interessant ist neben dem finanziellen auch der fachliche Hintergrund der Kampagne.
Dem Auftraggeber Wyeth geht es offensichtlich darum, den Umsatz seines Medikamentes Enbrel (Wirkstoff Etanercept) zu erhöhen.
So wie Humira (Adalimumab) oder Remicade (Infliximab) gehört Enbrel zu den TNF-Blockern. Es handelt sich dabei um gentechnisch hergestellte Proteine, die in den Kreislauf der Immunreaktion eingreifen uu damit das - bei Rheuma aus dem Ruder gelaufene - autoaggressive Potenzial zu reduzieren.
Enbrel kostet für die in der Praxis üblichen Drei-Monats-Kur pro Patient fast 5.000 EUR und ist derzeit, so wie die anderen beiden Präparate, bei therapieresistenter mittelschwerer bis schwerer rheumatoider Arthritis zugelassen.
"Für eine frühere oder breitere Anwendung", sagte mir der Stockerauer Rheuma-Experte Burkhart Leeb, "gibt es jedoch derzeit noch viel zu wenig Daten. Ich wäre da sehr vorsichtig."
Zumal die Nebenwirkungen, obzwar selten, so doch sehr ernsthaft sein können.
Im Austria Codex werden diese so zusammengefasst:
Lokale Reaktionen, Infektionen (auch schwerwiegend), unspezifische Symptome, Lupus, Allergien, Blutbild, sehr selten ZNS entmyelinisierende Ereignisse
Seit kurzem wird zudem ein höheres Krebsrisiko diskutiert (Zitat aus: a-t 2006; 37: 59-60):
Auch der Verdacht, dass sie Lymphome und andere Krebserkrankungen auslösen können, ist bislang nicht ausgeräumt. Die Störwirkungen sind biologisch plausibel, da TNF α an der Abwehr von Infektionen und bösartigen Erkrankungen beteiligt ist. Eine Auswertung der in randomisierten klinischen Studien und offenen Verlängerungsphasen bei Patienten mit rheumatoider Arthritis unter Etanercept, Infliximab und Adalimumab dokumentierten Lymphome ergibt, jeweils bezogen auf eine hinsichtlich Alter und Geschlecht vergleichbare "Normalbevölkerung", für Etanercept ein relatives Risiko von 2,31 (95% Konfidenzintervall [CI] 0,85-5,03), für Adalimumab von 5,52 (95% CI 2,6-10,0) und für Infliximab von 6,35 (95% CI 1,7-16,3).
Mit dem Inkrafttreten einer neuen Verordnungsregelung ab 1. Mai 2009 wurde nun ein weiterer Meilenstein in der rA-Therapie gesetzt: Bei Nichtansprechen auf die Behandlung mit 1 Basistherapeutikum kann sofort auf ein Biologikum umgestellt werden. Dies ermöglicht eine bessere Versorgung und eine Steigerung der Lebensqualität der Patienten.
Hier die Vorgeschichte:
Über mehrere Wochen schaltete die Initiative "Der Österreichische Patient" zahlreiche ganzseitige Inserate in den wichtigsten Zeitungen, um eine möglichst frühzeitige Therapie der Rheumatoiden Arthritis einzufordern. Nun deckte "Transparency International" auf, dass es sich dabei in Wahrheit um eine verdeckte Werbekampagne des US-Konzerns Wyeth für das Präparat Enbrel handelt.
In der ersten Phase der Anzeigen-Kampagne wurden wichtige "Player" des österreichischen Gesundheitssystems direkt angesprochen und mit den Folgekosten konfrontiert, die bei Rheumapatienten anfallen. Im Schnitt, heißt es, summieren sich diese Kosten für Krankenstände, Operationen und Krankenhausaufenthalte pro Patient auf jährlich 21.768 Euro. Dies könnte durch den frühzeitigen Einsatz neuer Arzneimittel geändert werden.
Und dann folgt in Balkenlettern die Frage, z.B. an Franz Bittner, den Chef der Wiener Gebietskrankenkasse:
WIE SIEHT IHRE LÖSUNG DAFÜR AUS, HERR BITTNER?
Die Antworten der damit konfrontierten Kammer- und Kassenfunktionäre ist vom Tenor recht einhellig: klar, doch, logisch! früher behandeln ist sinnvoll, wenn man damit Leid und Geld gleichzeitig sparen kann.
Oder im Originalton, wieder von Franz Bittner:
Gerade bei rheumatoider Arthritis ist ein früher Therapie beginn entscheidend, da die schwerwiegendsten Schäden in den ersten beiden Erkrankungsjahren entstehen. Hier gilt es, alte Denkmuster zu entsorgen und ihnen die tatsächliche Kostenwahrheit fair gegenüberzustellen. Natürlich ist der möglichst frühe Einsatz moderner Medikamente zuerst einmal kostenintensiver. Aber was man sich ersparen kann, neben Leid für die Betroffenen, sind die Folgekosten durch Krankenstände, Operationen, Prothesen, Krankenhausaufenthalte etc.
Wer sich über die Urheber dieser doch recht aufwändigen oder teuren Kampagne informieren wollte, wurde auf zwei Patientenorganisationen verwiesen: die Rheumaliga und die Initiative "Der Österreichische Patient".
Andrea Fried, Chefredakteurin der ÖKZ und Mitglied des Beirates von "Transparency International", deckte kürzlich in einem Editorial des aktuellen HTA-Newsletters des Wiener Ludwig Boltzmann Institutes auf, dass es keineswegs Patienteninitiativen waren, die diese Kampagne finanziert haben, sondern der US-Konzern Wyeth, der die Wiener Werbeagentur Welldone dafür mit einem kolportierten Auftrags-Etat von rund 300.000 EUR bedachte.
Auffällig ist die Herkunft der Initiative "Der Österreichische Patient". Dabei, so Fried,
...handelt es sich um eine Kooperation der Österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (ÖGAM) und dem Verein Altern mit Zukunft - beide enge Partner und Kunden der Werbeagentur Welldone, wo sich auch die Kontaktadresse der Initiative "Der Österreichische Patient" befindet.
Andrea Fried findet es höchst eigenartig, warum Versicherer (wie z.B. Franz Bittner) ausgerechnet pharmagesponserte Inserate brauchen, um auf eine vermeintlich schlechte Versorgung von PatientInnen hinzuweisen. "Sollte es hier wirklich Mängel geben", schließt Fried, wären statt Inseraten wohl eher Handlungen gefragt.
Interessant ist neben dem finanziellen auch der fachliche Hintergrund der Kampagne.
Dem Auftraggeber Wyeth geht es offensichtlich darum, den Umsatz seines Medikamentes Enbrel (Wirkstoff Etanercept) zu erhöhen.
So wie Humira (Adalimumab) oder Remicade (Infliximab) gehört Enbrel zu den TNF-Blockern. Es handelt sich dabei um gentechnisch hergestellte Proteine, die in den Kreislauf der Immunreaktion eingreifen uu damit das - bei Rheuma aus dem Ruder gelaufene - autoaggressive Potenzial zu reduzieren.
Enbrel kostet für die in der Praxis üblichen Drei-Monats-Kur pro Patient fast 5.000 EUR und ist derzeit, so wie die anderen beiden Präparate, bei therapieresistenter mittelschwerer bis schwerer rheumatoider Arthritis zugelassen.
"Für eine frühere oder breitere Anwendung", sagte mir der Stockerauer Rheuma-Experte Burkhart Leeb, "gibt es jedoch derzeit noch viel zu wenig Daten. Ich wäre da sehr vorsichtig."
Zumal die Nebenwirkungen, obzwar selten, so doch sehr ernsthaft sein können.
Im Austria Codex werden diese so zusammengefasst:
Lokale Reaktionen, Infektionen (auch schwerwiegend), unspezifische Symptome, Lupus, Allergien, Blutbild, sehr selten ZNS entmyelinisierende Ereignisse
Seit kurzem wird zudem ein höheres Krebsrisiko diskutiert (Zitat aus: a-t 2006; 37: 59-60):
Auch der Verdacht, dass sie Lymphome und andere Krebserkrankungen auslösen können, ist bislang nicht ausgeräumt. Die Störwirkungen sind biologisch plausibel, da TNF α an der Abwehr von Infektionen und bösartigen Erkrankungen beteiligt ist. Eine Auswertung der in randomisierten klinischen Studien und offenen Verlängerungsphasen bei Patienten mit rheumatoider Arthritis unter Etanercept, Infliximab und Adalimumab dokumentierten Lymphome ergibt, jeweils bezogen auf eine hinsichtlich Alter und Geschlecht vergleichbare "Normalbevölkerung", für Etanercept ein relatives Risiko von 2,31 (95% Konfidenzintervall [CI] 0,85-5,03), für Adalimumab von 5,52 (95% CI 2,6-10,0) und für Infliximab von 6,35 (95% CI 1,7-16,3).
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Montag, 23. Februar 2009
Who pays the piper calls the tune
malamud, 17:10h
…lautet ein altes englisches Sprichwort. Auf deutsch heißt das etwas weniger elegant formuliert: "Wer zahlt, schafft an!" Dieses kaufmännische Prinzip macht auch der Evidenz-basierten Medizin schwer zu schaffen. Denn die darin postulierten "harten" Beweise werden oftmals durch die Hintertür korrumpiert, wie nun eine originelle Arbeit von Mitarbeitern der Cochrane Collaboration zeigte.

Als einer der Beweise für die Qualität einer Studie wird gemeinhin der "Rang" des Journals angesehen, in der eine Studie veröffentlicht wird. Hierzu gibt es eigene Rankings, die mit Impact Factoren arbeiten.
Dieser Parameter soll messen, wie oft andere Zeitschriften einen Artikel aus einem bestimmten Fachjournal in Relation zur Gesamtzahl der dort veröffentlichten Artikel zitieren. Die Idee ist: je höher der Impact Factor, desto angesehener ist eine Fachzeitschrift. Dies wirkt sich auch auf die akademische Beurteilung von Wissenschaftlern aus: wer in Zeitschriften mit höherem Impact Factor publiziert, hat größere Karrierechancen.
Tom Jefferson, der Koordinator der Cochrane Vaccine Field hat mit seinem Team nun mal nachgesehen, was dieses interne Gütesiegel in der Praxis tatsächlich taugt. Er konzentrierte sich dafür auf einen bestimmten Themenbereich und wählte für seine Analyse 274 Papers aus, die sich mit verschiedenen Aspekten der Influenza-Impfung befassen. Er untersuchte diese Arbeiten auf ihre methodologische Qualität, auf das Prestige der Journals, in denen sie publiziert wurden, sowie auf die Zitierhäufigkeit.
Seine Ergebnisse sind Mitte Februar im British Medical Journal erschienen und sie haben es wirklich in sich. Denn als Qualitätsmaßstab versagte das "Ansehen" eines Journals vollständig. Ebenso die Zitierhäufigkeit.
Als genereller Trend ergab sich, dass Studien zur Grippeimpfung generell von nur mäßiger methodologischer Qualität sind. Das Niveau sinkt um so weiter ab, je günstiger das Urteil für die Grippeimpfung ausfällt.
Die schlechtesten Studien zeigen also die besten Ergebnisse der Influenza-Vorsorge.
Das bedeutete nun aber nicht, dass derartiger wissenschaftlicher Schwachsinn nur noch im "Rupoldinger Kurpfuscher-Blattl" eine Chance hätte. Ganz und gar nicht.
Welches Journal die Studie druckte, hing einzig davon ab, wie finanzpotent der Auftraggeber der wissenschaftlichen Arbeit war.
Bei Studien, die von großen Pharmakonzernen gesponsert wurden, taten sich die besten Journals schwer mit einer Absage. Galt es doch, sie als Anzeigenkunden bei Laune zu halten. Zudem bestellen die Hersteller-Firmen von Arzneimitteln normalerweise gewaltige Mengen an teuren Sonderdrucken des Journals, in dem die Studie mit dem tollen Ergebnis publiziert ist.
Diese Sonderdrucke nehmen dann die Pharmareferenten auf ihrer Klingeltour von Arzt zu Arzt mit. Und auch hier macht bekanntlich ein angesehener Journal-Name größeren Eindruck.
Es ist also ein in sich geschlossener - logischer - Gedankenkreis, der sich aus den geschäftlichen Interessen aller Beteiligten speist. Alle freuen sich - mit Ausnahme jener, die naiv meinten, dass gute Journals in erster Linie an guter wissenschaftlicher Qualität interessiert seien.

Als einer der Beweise für die Qualität einer Studie wird gemeinhin der "Rang" des Journals angesehen, in der eine Studie veröffentlicht wird. Hierzu gibt es eigene Rankings, die mit Impact Factoren arbeiten.
Dieser Parameter soll messen, wie oft andere Zeitschriften einen Artikel aus einem bestimmten Fachjournal in Relation zur Gesamtzahl der dort veröffentlichten Artikel zitieren. Die Idee ist: je höher der Impact Factor, desto angesehener ist eine Fachzeitschrift. Dies wirkt sich auch auf die akademische Beurteilung von Wissenschaftlern aus: wer in Zeitschriften mit höherem Impact Factor publiziert, hat größere Karrierechancen.
Tom Jefferson, der Koordinator der Cochrane Vaccine Field hat mit seinem Team nun mal nachgesehen, was dieses interne Gütesiegel in der Praxis tatsächlich taugt. Er konzentrierte sich dafür auf einen bestimmten Themenbereich und wählte für seine Analyse 274 Papers aus, die sich mit verschiedenen Aspekten der Influenza-Impfung befassen. Er untersuchte diese Arbeiten auf ihre methodologische Qualität, auf das Prestige der Journals, in denen sie publiziert wurden, sowie auf die Zitierhäufigkeit.
Seine Ergebnisse sind Mitte Februar im British Medical Journal erschienen und sie haben es wirklich in sich. Denn als Qualitätsmaßstab versagte das "Ansehen" eines Journals vollständig. Ebenso die Zitierhäufigkeit.
Als genereller Trend ergab sich, dass Studien zur Grippeimpfung generell von nur mäßiger methodologischer Qualität sind. Das Niveau sinkt um so weiter ab, je günstiger das Urteil für die Grippeimpfung ausfällt.
Die schlechtesten Studien zeigen also die besten Ergebnisse der Influenza-Vorsorge.
Das bedeutete nun aber nicht, dass derartiger wissenschaftlicher Schwachsinn nur noch im "Rupoldinger Kurpfuscher-Blattl" eine Chance hätte. Ganz und gar nicht.
Welches Journal die Studie druckte, hing einzig davon ab, wie finanzpotent der Auftraggeber der wissenschaftlichen Arbeit war.
Bei Studien, die von großen Pharmakonzernen gesponsert wurden, taten sich die besten Journals schwer mit einer Absage. Galt es doch, sie als Anzeigenkunden bei Laune zu halten. Zudem bestellen die Hersteller-Firmen von Arzneimitteln normalerweise gewaltige Mengen an teuren Sonderdrucken des Journals, in dem die Studie mit dem tollen Ergebnis publiziert ist.
Diese Sonderdrucke nehmen dann die Pharmareferenten auf ihrer Klingeltour von Arzt zu Arzt mit. Und auch hier macht bekanntlich ein angesehener Journal-Name größeren Eindruck.
Es ist also ein in sich geschlossener - logischer - Gedankenkreis, der sich aus den geschäftlichen Interessen aller Beteiligten speist. Alle freuen sich - mit Ausnahme jener, die naiv meinten, dass gute Journals in erster Linie an guter wissenschaftlicher Qualität interessiert seien.
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Freitag, 20. Februar 2009
Faule Eier
malamud, 13:23h
Der Umstieg auf eine - auch im Ernstfall einer Influenza-Pandemie - funktionierende Impfstoff-Produktion erleidet derzeit eine Pannenserie.

Damit sich Viren vermehren können, benötigen sie lebende Zellen, in deren Kern sie ihre eigenen Erbsubstanz einschmuggeln und damit die fremde Zelle zur Produktion der eigenen Nachkommen missbrauchen. Grippeviren gehen dabei so aggressiv vor, dass die Wirtszellen wegen des durch die Kuckucks-Gene erzwungenen Massenauswurfs regelrecht ausbrennen. Und das ist auch eines der Hauptprobleme der bisherigen Impfstoff-Herstellung. Denn die Viren werden auf befruchteten Hühnereiern vermehrt. Allein in Europa werden dafür pro Jahr 90 Millionen Stück verbraucht. Doch die Hühnerembryonen zählen oftmals zu den ersten Opfern der Viren. Sterben sie ab, kommt allerdings auch die Impfstoff-Produktion zum Erliegen.
So geschehen zuletzt vor fünf Jahren, als der Virenstamm „Fuji“ in Umlauf war und vom Influenza-Netzwerk der WHO auch korrekt prognostiziert wurde. Weil diese etwas aggressivere Grippe-Variante den Hühnern sofort den Garaus machte, musste der Impfstoff damals klammheimlich mit einem Reservestamm („Panama“) ausgeliefert werden, der sich dann auch prompt als unwirksam entpuppte.
Dass eine derartige Produktionsweise, die schon vor dem harmlosen Fuji-Virus kapitulierte, weder für die Herstellung eines Vogelgrippe-Impfstoffes noch eines extrem aggressiven Pandemie-Virus geeignet ist, versteht sich von selbst. Experten wie Hans van der Wouden von der Erasmus Universität Rotterdam, warnen deshalb seit langem, dass wir uns ein extrem teures weltumspannendes Influenza-Netzwerk leisten, das im Notfall mit Sicherheit versagt.
Seit Jahren versuchen deshalb die großen Impfstoff-Firmen, die Viren auf Zellkulturen zu züchten, die widerstandsfähiger sind als die Hühnerembryonen und binnen 12 statt bislang 28 Wochen einsetzbar wären. Die von der Influenza-Hysterie aufgescheuchten Regierungen der Industrieländer steigerten sich in einen Milliarden-teuren Subventions-Wettkampf, um im Ernstfall die eigene Bevölkerung versorgen zu können. So bestellte Österreich 2006 beim US-Unternehmen Baxter 16 Millionen Dosen eines derartigen Pandemie-Impfstoffes. Im vergangenen Juni ist dazu nun gerade mal eine erste Studie erschienen, von der Marktzulassung ist das Produkt aber noch weit entfernt.
Welche Probleme mit der neuen Produktion auftreten können, hat Baxter bereits 2004 erlebt, als die Geimpften auf einen ersten derartigen Grippe-Impfstoff mit so hohem Fieber reagierten, dass der Zulassungsprozess gestoppt werden musste.
Derzeit ist mit „Optaflu“ von Novartis nur ein einziger Zellkultur-Impfstoff zugelassen. Doch obwohl dieser bereits für die letzte Grippe-Saison beworben wurde, ist er auch heuer wieder nicht in den Apotheken erhältlich. Novartis teilte dazu mit, dass die in den Biotech-Anlagen geernteten Viren-Mengen leider nicht ausgereicht hätten.
Auch ein zweites Novartis-Produkt, der Pandemie-Impfstoff „Aflunov“, der gegen Vogelgrippe-Viren vom Typ H5N1 schützen soll, ist vom Pech verfolgt. Bereits die Zulassungsstudie, die mit mehr als 4000 geplanten Teilnehmern in Polen durchgeführt werden sollte, war von einem Skandal begleitet, als in einem Obdachlosenheim, aus dem mehr als 300 Studienteilnehmer rekrutiert worden waren, 21 Personen starben. „Das sind doppelt so viele“, erklärte der Heimleiter, „als in normalen Jahren ohne Grippe-Studie“ Polnische Ärzte hatten für ein Honorar von jeweils zwei Euro Heimbewohner angeworben, obwohl das von Novartis eingereichte Protokoll Personen mit Verdacht auf Alkoholmissbrauch dezitiert ausschloss. Die Ärzte wurden vom Dienst suspendiert.
Völlig überraschend zog Novartis im Juni dieses Jahres den Antrag auf Zulassung von Aflunov bei der Europäischen Arzneimittel-Behörde (EMEA) zurück, nach Firmenauskunft wegen eines Übermaß an behördlichen Sicherheits-Auflagen. Tatsächlich hatte die EMEA zusätzliche Daten gefordert, weil eine Inspektion am Studienort so gravierende Missstände aufgezeigt hatte, „dass die Resultate nicht als vertrauenswürdig angesehen werden konnten.“
(Dieser Text erschien im Nov. 08 als Informationskasten im Magazin profil zum Artikel "Influenzalügen")

Damit sich Viren vermehren können, benötigen sie lebende Zellen, in deren Kern sie ihre eigenen Erbsubstanz einschmuggeln und damit die fremde Zelle zur Produktion der eigenen Nachkommen missbrauchen. Grippeviren gehen dabei so aggressiv vor, dass die Wirtszellen wegen des durch die Kuckucks-Gene erzwungenen Massenauswurfs regelrecht ausbrennen. Und das ist auch eines der Hauptprobleme der bisherigen Impfstoff-Herstellung. Denn die Viren werden auf befruchteten Hühnereiern vermehrt. Allein in Europa werden dafür pro Jahr 90 Millionen Stück verbraucht. Doch die Hühnerembryonen zählen oftmals zu den ersten Opfern der Viren. Sterben sie ab, kommt allerdings auch die Impfstoff-Produktion zum Erliegen.
So geschehen zuletzt vor fünf Jahren, als der Virenstamm „Fuji“ in Umlauf war und vom Influenza-Netzwerk der WHO auch korrekt prognostiziert wurde. Weil diese etwas aggressivere Grippe-Variante den Hühnern sofort den Garaus machte, musste der Impfstoff damals klammheimlich mit einem Reservestamm („Panama“) ausgeliefert werden, der sich dann auch prompt als unwirksam entpuppte.
Dass eine derartige Produktionsweise, die schon vor dem harmlosen Fuji-Virus kapitulierte, weder für die Herstellung eines Vogelgrippe-Impfstoffes noch eines extrem aggressiven Pandemie-Virus geeignet ist, versteht sich von selbst. Experten wie Hans van der Wouden von der Erasmus Universität Rotterdam, warnen deshalb seit langem, dass wir uns ein extrem teures weltumspannendes Influenza-Netzwerk leisten, das im Notfall mit Sicherheit versagt.
Seit Jahren versuchen deshalb die großen Impfstoff-Firmen, die Viren auf Zellkulturen zu züchten, die widerstandsfähiger sind als die Hühnerembryonen und binnen 12 statt bislang 28 Wochen einsetzbar wären. Die von der Influenza-Hysterie aufgescheuchten Regierungen der Industrieländer steigerten sich in einen Milliarden-teuren Subventions-Wettkampf, um im Ernstfall die eigene Bevölkerung versorgen zu können. So bestellte Österreich 2006 beim US-Unternehmen Baxter 16 Millionen Dosen eines derartigen Pandemie-Impfstoffes. Im vergangenen Juni ist dazu nun gerade mal eine erste Studie erschienen, von der Marktzulassung ist das Produkt aber noch weit entfernt.
Welche Probleme mit der neuen Produktion auftreten können, hat Baxter bereits 2004 erlebt, als die Geimpften auf einen ersten derartigen Grippe-Impfstoff mit so hohem Fieber reagierten, dass der Zulassungsprozess gestoppt werden musste.
Derzeit ist mit „Optaflu“ von Novartis nur ein einziger Zellkultur-Impfstoff zugelassen. Doch obwohl dieser bereits für die letzte Grippe-Saison beworben wurde, ist er auch heuer wieder nicht in den Apotheken erhältlich. Novartis teilte dazu mit, dass die in den Biotech-Anlagen geernteten Viren-Mengen leider nicht ausgereicht hätten.
Auch ein zweites Novartis-Produkt, der Pandemie-Impfstoff „Aflunov“, der gegen Vogelgrippe-Viren vom Typ H5N1 schützen soll, ist vom Pech verfolgt. Bereits die Zulassungsstudie, die mit mehr als 4000 geplanten Teilnehmern in Polen durchgeführt werden sollte, war von einem Skandal begleitet, als in einem Obdachlosenheim, aus dem mehr als 300 Studienteilnehmer rekrutiert worden waren, 21 Personen starben. „Das sind doppelt so viele“, erklärte der Heimleiter, „als in normalen Jahren ohne Grippe-Studie“ Polnische Ärzte hatten für ein Honorar von jeweils zwei Euro Heimbewohner angeworben, obwohl das von Novartis eingereichte Protokoll Personen mit Verdacht auf Alkoholmissbrauch dezitiert ausschloss. Die Ärzte wurden vom Dienst suspendiert.
Völlig überraschend zog Novartis im Juni dieses Jahres den Antrag auf Zulassung von Aflunov bei der Europäischen Arzneimittel-Behörde (EMEA) zurück, nach Firmenauskunft wegen eines Übermaß an behördlichen Sicherheits-Auflagen. Tatsächlich hatte die EMEA zusätzliche Daten gefordert, weil eine Inspektion am Studienort so gravierende Missstände aufgezeigt hatte, „dass die Resultate nicht als vertrauenswürdig angesehen werden konnten.“
(Dieser Text erschien im Nov. 08 als Informationskasten im Magazin profil zum Artikel "Influenzalügen")
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Freitag, 5. Dezember 2008
Ärzte als Komplizen der Konzerne
malamud, 09:32h
Kürzlich stellte der "Bittere Pillen"-Autor Hans Weiss sein neues Buch "Korrupte Medizin" vor, in dem er zeigt, wie bereitwillig sich Ärzte von Pharmafirmen bezahlen und einspannen lassen. Wie sie sich dafür rechtfertigen, habe ich selbst am Beispiel der österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (ÖGAM) erfahren.
"Wie korrupt sind Ärzte?", fragte das Nachrichtenmagazin profil auf seiner Titelseite und beschrieb den Wallraff-Ansatz des neuen Buches:
Wir drehten dazu am Internisten-Kongress in Graz, wo u. a. heftig für den umstrittenen Cholesterinsenker Inegy geworben wurde. Dazu lag am Firmenstand ein Stapel mit Konsensus Berichten der Österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin auf, in der ein Überblick zur Evidenz-basierten Prävention, Diagnostik und Therapie der chronisch koronaren Herzkrankheit gegeben wurde.
ÖGAM-Vorsitzender Erwin Rebhandl beschreibt in einer Kolumne der Zeitschrift "periskop" den Zweck solcher Konsensus-Statements so:
"Wir können diese Papiere nur dann produzieren, wenn wir finanzielle Unterstützung von der Industrie haben", erklärte dazu ÖGAM-Chef Erwin Rebhandl im Report-Spezial. "Wir versuchen, wo es geht, mehrere Firmen als Sponsoren zu gewinnen, um eben das zu vermeiden, dass ein Produkt zu stark gepusht wird."
Beim KHK Papier scheint diese Ausgewogenheit etwas gelitten zu haben. Wohl deshalb weil es sich bei den beiden Sponsoren um die Hersteller von Inegy, Schering-Plough und MSD handelte.
"Es ist sicher nicht optimal, dass es nur einen einzigen Sponsor gegeben hat", gibt sich Rebhandl zerknirscht. "Aber wenn wir nur einen finden, müssen wir schauen, dass wir das trotzdem umsetzen können."
Was eigentlich genau umsetzen?
Erraten: Es geht um das Image der ÖGAM. Ein Gegengeschäft: Hier ein wenig Pharmawerbung, dafür kann die ÖGAM ihren Mitgliedern gegenüber den Eindruck vermitteln, dass es sich dabei um eine hoch aktive, öffentlich präsente Ärztevereinigung handelt, bei der es sich lohnt Mitgliedsbeitrag zu bezahlen.
Die PR-Vertretung der ÖGAM erfolgt seit vielen Jahren über die Agentur Welldone, bzw. von "peri-consulting". Zwei Firmen, die in der berühmten Lazarettgasse 19 in Wien logieren und an denen Peter Riedl maßgeblich beteiligt ist. Näheres zu diesem wohl umtriebigsten Pharma-Lobbyisten Österreichs und seinen diversen Firmen findet sich hier oder hier. Erst kürzlich gelang "peri" das Kunststück, eine Kampagne zu fahren, in der sich die Spitzen der Kassen bereitwillig selbst ins Knie schießen.
Im selben Haus befindet sich weiters die Firma "Update Europe", die sich auf Ärztefortbildung konzentriert. Auch sie gehört den Welldone Besitzern. Auf der Website der ÖGAM wird für die Ärzte-Krone geworben: „ÖGAM-News finden Sie in der Ärzte-Krone". Auch an diesem Verlag ist der Welldone Geschäftsführer mit 20% beteiligt. 10% hält der Leiter des Gesundheitsressorts der Kronen Zeitung Dr. Wolfgang Exel.
Die Ärzte vertreten aber auch gleich die Patienten mit. „Der Österreichische Patient" heißt eine Initiative der ÖGAM, die ebenfalls in der Lazarettgasse logiert.
Die Vertreter von Welldone bieten die Leistungen der ÖGAM offensiv den Pharmafirmen an. Uns liegt dazu eine Preisliste vor.
Ein "Pharma-Scan" oder "Newsletter" (wird auch auf der ÖGAM-Homepage veröffentlicht) kommt laut Liste auf 10.500 Euro. (exkl. Honorar für Experten) Konsensus-Berichte kosten 20.300 Euro (nur schriftliche Aktualisierung, Modifikation). Wenn ein Meeting vorgesehen ist, steigt der Preis auf 22.450 (excl. Honorare, Spesen der Teilnehmer, Chair, Unterkunft, Catering, Technik).
Die Preise stammen von 2005 und sind seither möglicherweise angehoben worden. ÖGAM-Vorsitzender Erwin Rebhandl betont, dass das Geld jedoch nicht von seiner Gesellschaft kassiert wird, sondern bei "unserer Agentur" bleibt. Schließlich müsse diese ja auch viel Hintergrund-Arbeit leisten. Update Europe, besorge etwa die Literaturrecherchen.
Dabei werden aber scheinbar Rückschläge für das zu bewerbende Medikament nobel zurückgehalten. Bei Erscheinen des ÖGAM-Papiers war beispielsweise seit zwei Monaten die Ergebnisse der ENHANCE-Studie bekannt. Sie sollte eigentlich zeigen, dass Ezetimb das Wachstum der Gefässablagerungen (Plaque) reduzieren kann. Stattdessen wuchsen die Ablagerungen bei Patienten, die Ezetimb zusammen mit Simvastatin als Cholesterinsenker erhalten hatten, sogar stärker als in der Kontrollgruppe mit Simvastatin allein.
Schließlich mussten auf Aufforderung der FDA Depressionen als weitere mögliche Nebenwirkung in den Beipackzettel dieser Medikamente aufgenommen werden. Im Sommer kamen erste Gerüchte auf, dass Inegy weitere schwere Nebenwirkungen hat. Sie hatten ihren Ursprung in Zwischenauswertungen der SEAS-Studie, die dann Anfang September veröffentlich wurde. Seither wird diskutiert, ob Ingey möglicherweise das Krebsrisiko erhöht.
Das ÖGAM Papier ist vollständig frei von derlei unangenehmen Nachrichten.
Rebhandl rechtfertigt das so: "Ein Papier kann immer nur den Stand bei Fertigstellung sozusagen repräsentieren. Manchmal passierts, dass das eben sehr knapp zusammen kommt und eine Information, die rauskommt, nicht mehr hineingegeben werden konnte, weil der Herstellungsprozess schon im laufen war."
Auf die Idee, dazu einen Newsletter herauszubringen und auf diese beunruhigende Entwicklung hinzuweisen, kam die ÖGAM ebenso wenig, wie einen simplen Hinweis auf der eigenen Homepage zu posten.
Möglicherweise fanden sich dafür keine Sponsoren.
"Wie korrupt sind Ärzte?", fragte das Nachrichtenmagazin profil auf seiner Titelseite und beschrieb den Wallraff-Ansatz des neuen Buches:

Weiss hatte ungewöhnliche Methoden gewählt, um an brisante Informationen zu kommen. Er absolvierte eine sechsmonatige Ausbildung zum Pharmavertreter und gründete auf dem Papier eine Beratungsfirma für die Arzneimittelindustrie, um sich eine neue Identität zu verschaffen. Mal trat er als Arzt auf, mal als Pharma-Consultant oder als Export-Import-Händler und verwendete außer seinem Autoren- auch seinen Geburtsnamen Johann Alois Weiss, das Pseudonym Peter Merten sowie den erfundenen Firmennamen „Solutions - Pharma-Consulting".Weiss zeigte, wie einfach es ist, nahezu jeden Arzt in Kampagnen einzuspannen, die auf die eine oder andere Weise der Promotion von Medikamenten dienen. Zahlreiche Spitzenmediziner ließen sich problemlos bestechen. Große Beraterfirmen sammeln Daten über Ärzte und verkaufen sie Pharma-Konzernen. Die teilen Ärzte in Verschreibungsklassen ein und starten ihr aggressives Marketing, schreibt Hans Weiss. "Jeder Arzt wird von der Firma danach beurteilt, nützt mir der was, wie viel bringt er mir, wenn ich den einkaufe. Ein Drittel aller niedergelassenen Ärzte in Deutschland liefert genaueste Auskünfte über sich selber und liefern damit der Pharmabranche selber den Strick, an dem sie dann wie Marionetten baumeln", erklärte er im ORF-Morgenjournal.
Die Komplizenschaft zwischen Pharma-Industrie und Ärzten bezahlen die Patienten, führt Hans Weiss aus. Denn, so seine Kritik, Medikamente seien viel zu teuer, die Wirkstoffe kosten einen Bruchteil des Verkaufspreises. "Die 2,6 Milliarden Euro, die die Krankenkassen in Österreich für Medikamente ausgeben, sind in Wirklichkeit nur rund 50 Millionen Euro wert."Ein konkretes Beispiel, wie diese "Kooperation" zwischen Ärzten und Industrie in der Praxis abläuft, haben Kurt Langbein und ich in der TV-Sendung "Report Spezial" dokumentiert, die vor zwei Wochen im ORF ausgestrahlt wurde.
Wir drehten dazu am Internisten-Kongress in Graz, wo u. a. heftig für den umstrittenen Cholesterinsenker Inegy geworben wurde. Dazu lag am Firmenstand ein Stapel mit Konsensus Berichten der Österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin auf, in der ein Überblick zur Evidenz-basierten Prävention, Diagnostik und Therapie der chronisch koronaren Herzkrankheit gegeben wurde.
ÖGAM-Vorsitzender Erwin Rebhandl beschreibt in einer Kolumne der Zeitschrift "periskop" den Zweck solcher Konsensus-Statements so:

Das Konsensus-Statement der ÖGAM versteht sich als wissenschaftliche Publikation und stellt einen praxisorientierten Leitfaden dar, der dem Allgemeinmediziner in präziser und klar strukturierter Form als Orientierungshilfe dienen soll, um die Patientenbetreuung zu optimieren und auch die Kooperation und Kommunikation mit den Spezialisten weiter zu verbessern.Ob das im März 2008 veröffentlichte KHK Papier dazu dient, die Patientenbetreuung zu optimieren, ist zweifelhaft. Denn in erster Linie dient es dazu, den praktischen Ärzten die Verschreibung des Wirkstoffes Ezetimib (enthalten in Inegy) schmackhaft zu machen. Ganze 25 Mal wird der vom US-Konzern Schering-Plough entwickelte Cholesterinsenker im ÖGAM-Bericht erwähnt. Dreimal sogar falsch geschrieben ("Ezitimib"). Und die Botschaft ist klar: Sobald es nicht gelingt, den angestrebten niedrigen LDL-Wert mit der Verschreibung von Statinen zu erreichen, sollte sofort das Statin-Ezetimib Kombi-Präparat Inegy eingesetzt werden.
"Wir können diese Papiere nur dann produzieren, wenn wir finanzielle Unterstützung von der Industrie haben", erklärte dazu ÖGAM-Chef Erwin Rebhandl im Report-Spezial. "Wir versuchen, wo es geht, mehrere Firmen als Sponsoren zu gewinnen, um eben das zu vermeiden, dass ein Produkt zu stark gepusht wird."
Beim KHK Papier scheint diese Ausgewogenheit etwas gelitten zu haben. Wohl deshalb weil es sich bei den beiden Sponsoren um die Hersteller von Inegy, Schering-Plough und MSD handelte.
"Es ist sicher nicht optimal, dass es nur einen einzigen Sponsor gegeben hat", gibt sich Rebhandl zerknirscht. "Aber wenn wir nur einen finden, müssen wir schauen, dass wir das trotzdem umsetzen können."
Was eigentlich genau umsetzen?
Erraten: Es geht um das Image der ÖGAM. Ein Gegengeschäft: Hier ein wenig Pharmawerbung, dafür kann die ÖGAM ihren Mitgliedern gegenüber den Eindruck vermitteln, dass es sich dabei um eine hoch aktive, öffentlich präsente Ärztevereinigung handelt, bei der es sich lohnt Mitgliedsbeitrag zu bezahlen.
Die PR-Vertretung der ÖGAM erfolgt seit vielen Jahren über die Agentur Welldone, bzw. von "peri-consulting". Zwei Firmen, die in der berühmten Lazarettgasse 19 in Wien logieren und an denen Peter Riedl maßgeblich beteiligt ist. Näheres zu diesem wohl umtriebigsten Pharma-Lobbyisten Österreichs und seinen diversen Firmen findet sich hier oder hier. Erst kürzlich gelang "peri" das Kunststück, eine Kampagne zu fahren, in der sich die Spitzen der Kassen bereitwillig selbst ins Knie schießen.
Im selben Haus befindet sich weiters die Firma "Update Europe", die sich auf Ärztefortbildung konzentriert. Auch sie gehört den Welldone Besitzern. Auf der Website der ÖGAM wird für die Ärzte-Krone geworben: „ÖGAM-News finden Sie in der Ärzte-Krone". Auch an diesem Verlag ist der Welldone Geschäftsführer mit 20% beteiligt. 10% hält der Leiter des Gesundheitsressorts der Kronen Zeitung Dr. Wolfgang Exel.
Die Ärzte vertreten aber auch gleich die Patienten mit. „Der Österreichische Patient" heißt eine Initiative der ÖGAM, die ebenfalls in der Lazarettgasse logiert.
Die Vertreter von Welldone bieten die Leistungen der ÖGAM offensiv den Pharmafirmen an. Uns liegt dazu eine Preisliste vor.
Ein "Pharma-Scan" oder "Newsletter" (wird auch auf der ÖGAM-Homepage veröffentlicht) kommt laut Liste auf 10.500 Euro. (exkl. Honorar für Experten) Konsensus-Berichte kosten 20.300 Euro (nur schriftliche Aktualisierung, Modifikation). Wenn ein Meeting vorgesehen ist, steigt der Preis auf 22.450 (excl. Honorare, Spesen der Teilnehmer, Chair, Unterkunft, Catering, Technik).
Die Preise stammen von 2005 und sind seither möglicherweise angehoben worden. ÖGAM-Vorsitzender Erwin Rebhandl betont, dass das Geld jedoch nicht von seiner Gesellschaft kassiert wird, sondern bei "unserer Agentur" bleibt. Schließlich müsse diese ja auch viel Hintergrund-Arbeit leisten. Update Europe, besorge etwa die Literaturrecherchen.
Dabei werden aber scheinbar Rückschläge für das zu bewerbende Medikament nobel zurückgehalten. Bei Erscheinen des ÖGAM-Papiers war beispielsweise seit zwei Monaten die Ergebnisse der ENHANCE-Studie bekannt. Sie sollte eigentlich zeigen, dass Ezetimb das Wachstum der Gefässablagerungen (Plaque) reduzieren kann. Stattdessen wuchsen die Ablagerungen bei Patienten, die Ezetimb zusammen mit Simvastatin als Cholesterinsenker erhalten hatten, sogar stärker als in der Kontrollgruppe mit Simvastatin allein.
Schließlich mussten auf Aufforderung der FDA Depressionen als weitere mögliche Nebenwirkung in den Beipackzettel dieser Medikamente aufgenommen werden. Im Sommer kamen erste Gerüchte auf, dass Inegy weitere schwere Nebenwirkungen hat. Sie hatten ihren Ursprung in Zwischenauswertungen der SEAS-Studie, die dann Anfang September veröffentlich wurde. Seither wird diskutiert, ob Ingey möglicherweise das Krebsrisiko erhöht.
Das ÖGAM Papier ist vollständig frei von derlei unangenehmen Nachrichten.
Rebhandl rechtfertigt das so: "Ein Papier kann immer nur den Stand bei Fertigstellung sozusagen repräsentieren. Manchmal passierts, dass das eben sehr knapp zusammen kommt und eine Information, die rauskommt, nicht mehr hineingegeben werden konnte, weil der Herstellungsprozess schon im laufen war."
Auf die Idee, dazu einen Newsletter herauszubringen und auf diese beunruhigende Entwicklung hinzuweisen, kam die ÖGAM ebenso wenig, wie einen simplen Hinweis auf der eigenen Homepage zu posten.
Möglicherweise fanden sich dafür keine Sponsoren.
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