Freitag, 20. Februar 2009
Faule Eier
Der Umstieg auf eine - auch im Ernstfall einer Influenza-Pandemie - funktionierende Impfstoff-Produktion erleidet derzeit eine Pannenserie.

eggs for flu vaccine

Damit sich Viren vermehren können, benötigen sie lebende Zellen, in deren Kern sie ihre eigenen Erbsubstanz einschmuggeln und damit die fremde Zelle zur Produktion der eigenen Nachkommen missbrauchen. Grippeviren gehen dabei so aggressiv vor, dass die Wirtszellen wegen des durch die Kuckucks-Gene erzwungenen Massenauswurfs regelrecht ausbrennen. Und das ist auch eines der Hauptprobleme der bisherigen Impfstoff-Herstellung. Denn die Viren werden auf befruchteten Hühnereiern vermehrt. Allein in Europa werden dafür pro Jahr 90 Millionen Stück verbraucht. Doch die Hühnerembryonen zählen oftmals zu den ersten Opfern der Viren. Sterben sie ab, kommt allerdings auch die Impfstoff-Produktion zum Erliegen.
So geschehen zuletzt vor fünf Jahren, als der Virenstamm „Fuji“ in Umlauf war und vom Influenza-Netzwerk der WHO auch korrekt prognostiziert wurde. Weil diese etwas aggressivere Grippe-Variante den Hühnern sofort den Garaus machte, musste der Impfstoff damals klammheimlich mit einem Reservestamm („Panama“) ausgeliefert werden, der sich dann auch prompt als unwirksam entpuppte.
Dass eine derartige Produktionsweise, die schon vor dem harmlosen Fuji-Virus kapitulierte, weder für die Herstellung eines Vogelgrippe-Impfstoffes noch eines extrem aggressiven Pandemie-Virus geeignet ist, versteht sich von selbst. Experten wie Hans van der Wouden von der Erasmus Universität Rotterdam, warnen deshalb seit langem, dass wir uns ein extrem teures weltumspannendes Influenza-Netzwerk leisten, das im Notfall mit Sicherheit versagt.
Seit Jahren versuchen deshalb die großen Impfstoff-Firmen, die Viren auf Zellkulturen zu züchten, die widerstandsfähiger sind als die Hühnerembryonen und binnen 12 statt bislang 28 Wochen einsetzbar wären. Die von der Influenza-Hysterie aufgescheuchten Regierungen der Industrieländer steigerten sich in einen Milliarden-teuren Subventions-Wettkampf, um im Ernstfall die eigene Bevölkerung versorgen zu können. So bestellte Österreich 2006 beim US-Unternehmen Baxter 16 Millionen Dosen eines derartigen Pandemie-Impfstoffes. Im vergangenen Juni ist dazu nun gerade mal eine erste Studie erschienen, von der Marktzulassung ist das Produkt aber noch weit entfernt.
Welche Probleme mit der neuen Produktion auftreten können, hat Baxter bereits 2004 erlebt, als die Geimpften auf einen ersten derartigen Grippe-Impfstoff mit so hohem Fieber reagierten, dass der Zulassungsprozess gestoppt werden musste.
Derzeit ist mit „Optaflu“ von Novartis nur ein einziger Zellkultur-Impfstoff zugelassen. Doch obwohl dieser bereits für die letzte Grippe-Saison beworben wurde, ist er auch heuer wieder nicht in den Apotheken erhältlich. Novartis teilte dazu mit, dass die in den Biotech-Anlagen geernteten Viren-Mengen leider nicht ausgereicht hätten.
Auch ein zweites Novartis-Produkt, der Pandemie-Impfstoff „Aflunov“, der gegen Vogelgrippe-Viren vom Typ H5N1 schützen soll, ist vom Pech verfolgt. Bereits die Zulassungsstudie, die mit mehr als 4000 geplanten Teilnehmern in Polen durchgeführt werden sollte, war von einem Skandal begleitet, als in einem Obdachlosenheim, aus dem mehr als 300 Studienteilnehmer rekrutiert worden waren, 21 Personen starben. „Das sind doppelt so viele“, erklärte der Heimleiter, „als in normalen Jahren ohne Grippe-Studie“ Polnische Ärzte hatten für ein Honorar von jeweils zwei Euro Heimbewohner angeworben, obwohl das von Novartis eingereichte Protokoll Personen mit Verdacht auf Alkoholmissbrauch dezitiert ausschloss. Die Ärzte wurden vom Dienst suspendiert.
Völlig überraschend zog Novartis im Juni dieses Jahres den Antrag auf Zulassung von Aflunov bei der Europäischen Arzneimittel-Behörde (EMEA) zurück, nach Firmenauskunft wegen eines Übermaß an behördlichen Sicherheits-Auflagen. Tatsächlich hatte die EMEA zusätzliche Daten gefordert, weil eine Inspektion am Studienort so gravierende Missstände aufgezeigt hatte, „dass die Resultate nicht als vertrauenswürdig angesehen werden konnten.“
(Dieser Text erschien im Nov. 08 als Informationskasten im Magazin profil zum Artikel "Influenzalügen")

... comment