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Samstag, 23. Februar 2008
Aggressiver Moderator
malamud, 12:47h
Mittwoch und Donnerstag dieser Woche fand in Krems ein hoch interessantes Symposium statt, das sich der Frage widmete: "Ist Vorsorgen immer besser als Heilen?"
http://www.donau-uni.ac.at/de/aktuell/veranstaltungen/archiv/10883/index.php
Ich habe mich gefreut, zwei legendäre Masterminds der EBM persönlich kennen zu lernen, Sir Muir Gray vom UK National Screening Committee
sowie Russell Harris von der U.S. Preventive Services Task Force, der derzeit gerade ein halbjähriges Sabbatical am britischen N.I.C.E. verbringt.
Das Symposium war die Gründungs-Veranstaltung für einen neuen Studienzweig an der Kremser Donauuni. Der hervorragende Methodiker und Epidemiologe Gerald Gartlehner tritt eine Professur an, die sich allen Bereichen der EBM widmet.
Ich habe schon seit langem keine Veranstaltung besucht, die mich in (fast) allen Belangen interessiert hat und die gleichzeitig so heterogen verlief.
Fachlich hervorragende Präsentationen wurden abgelöst von seltsamen Vorträgen, die den Charme der 80er Jahre verströmten und teilweise auch noch auf diesem Wissensstand basierten. Skurriler Höhepunkt war eine Lobeshymne auf die Hormonersatztherapie, in der die – mittlerweile auch schon wieder fünf Jahre alten – Ergebnisse von WHI und Million Women Study nur ganz weit am Rande und mit deutlichem Widerwillen erwähnt wurden.
Ein weiteres Glanzpunkt unterschiedlicher Qualitätsstandards war eine aufeinanderfolgende Präsentation der Evaluation der österreichischen Reform der Gesundheitsvorsorge, sowie eines deutschen Projekts zum Darmkrebs-Screening.
Während der Österreicher das Kunststück zustande brachte, eine halbe Stunde zu reden - fast ohne ein einziges Faktum, geschweige denn konkrete Zahlen zu nennen, wirkte das deutsche Projekt dagegen wie ein wissenschaftlicher Leuchtturm.
Den größten Lacherfolg erntete allerdings der Österreicher. Er bezeichnete sein Reformprojekt der Gesundheitsvorsorge als "wissenschaftlich weltweit einzigartig". Auf die perplexe Frage aus dem Publikum, was daran wissenschaftlich einzigartig sein soll, kam die Antwort: "Na ja, weil es ja weltweit nur ein einziges österreichsiches Gesundheitssystem gibt."
Weniger humorvoll geriet eines der letzten Workshops, das der St. Pöltner Primar der Kinderabeilung Karl Zwiauer moderieren sollte. Zwiauer ist Mitglied in fast allen Impfausschüssen des Landes.
Zuerst kam ein Referat von Elmar Joura zum Nutzen der HPV Impfung, das er mit Beifall und herzlichem Dank quittierte. Als Joura aus dem Publikum mit kritischen Fragen konfrontiert wurde, verfinsterte sich Zwiauers Miene.
Das nächste Referat - die ökonomische Bewertung der HPV-Impfung durch Ingrid Zechmeister - gefiel ihm schon wesentlich weniger. Er kritisierte, dass hier neben allen ökonomischen Details ja wohl viel zu wenig auf die Lebensqualität geachtet worden sei. Und es dem Ministerium, das diese Arbeit "bestellt" habe, wohl nur ums Geld gegangen sei. Originell Zwiauers abschließende Anmerkung, dass es die Pocken wohl heute noch gebe, wenn vor 100 Jahren auch so geldgierig argumentiert worden wäre.
Endgültig futsch war Zwiauers gute Laune, als die Impfexpertin des Robert Koch Institutes Miriam Wiese-Posselt über ihre Evidenz-basierte Evaluation der Rotavirenimpfung referierte.
Diese Analyse mündete in dem Ergebnis, dass das Gesundheitssystem für einen in die Gratis-Rotavirus-Impfung investierten Euro gerade mal 37 Cent an Kostenersparnis zurück bekäme.
Dies und die weitgehende Harmlosigkeit der Rotavirus-Erkrankung war für Deutschland ausschlaggebend, die Impfung nicht ins öffentliche Programm zu nehmen.
Da Österreich - auch auf den Rat Zwiauers und anderer österr. Impfexperten hin - hier zu einer ganz anderen Empfehlung gekommen ist, war er sauer und würgte eine aufkommende Diskussion gleich mit seinem Statement ab, dass in Österreich ganz andere Bedingungen herrschten und deshalb die wissenschaftliche Auswertung auch ganz klar die ökonomische Sinnhaftigkeit der Rotavirus-Impfung ergeben habe. Als Beweis nannte er, dass an seiner Abteilung in St. Pölten 20 bis 25 Prozent weniger Kinder aufgenommen werden mussten.
Als Claudia Wild, die Leiterin des Ludwig Boltzmann Institutes für HTA aus dem Publikum wissen wollte, auf welche wissenschaftliche Arbeit er sich hier konkret beziehe, reagierte Zwiauer schroff und beendete das Workshop.
Daraufhin ging Claudia Wild auf das Podium und stellte Karl Zwiauer zur Rede. Die Diskussion kam allerdings gar nicht erst zustande, weil Zwiauer der ansonsten recht wortgewaltigen Wild entgegenschleuderte, er spreche nicht mit Halbgebildeteten.
Hier ein Schnappschuss, der diese Szene ganz gut illustriert:
http://www.donau-uni.ac.at/de/aktuell/veranstaltungen/archiv/10883/index.php
Ich habe mich gefreut, zwei legendäre Masterminds der EBM persönlich kennen zu lernen, Sir Muir Gray vom UK National Screening Committee
sowie Russell Harris von der U.S. Preventive Services Task Force, der derzeit gerade ein halbjähriges Sabbatical am britischen N.I.C.E. verbringt.
Das Symposium war die Gründungs-Veranstaltung für einen neuen Studienzweig an der Kremser Donauuni. Der hervorragende Methodiker und Epidemiologe Gerald Gartlehner tritt eine Professur an, die sich allen Bereichen der EBM widmet.
Ich habe schon seit langem keine Veranstaltung besucht, die mich in (fast) allen Belangen interessiert hat und die gleichzeitig so heterogen verlief.
Fachlich hervorragende Präsentationen wurden abgelöst von seltsamen Vorträgen, die den Charme der 80er Jahre verströmten und teilweise auch noch auf diesem Wissensstand basierten. Skurriler Höhepunkt war eine Lobeshymne auf die Hormonersatztherapie, in der die – mittlerweile auch schon wieder fünf Jahre alten – Ergebnisse von WHI und Million Women Study nur ganz weit am Rande und mit deutlichem Widerwillen erwähnt wurden.
Ein weiteres Glanzpunkt unterschiedlicher Qualitätsstandards war eine aufeinanderfolgende Präsentation der Evaluation der österreichischen Reform der Gesundheitsvorsorge, sowie eines deutschen Projekts zum Darmkrebs-Screening.
Während der Österreicher das Kunststück zustande brachte, eine halbe Stunde zu reden - fast ohne ein einziges Faktum, geschweige denn konkrete Zahlen zu nennen, wirkte das deutsche Projekt dagegen wie ein wissenschaftlicher Leuchtturm.
Den größten Lacherfolg erntete allerdings der Österreicher. Er bezeichnete sein Reformprojekt der Gesundheitsvorsorge als "wissenschaftlich weltweit einzigartig". Auf die perplexe Frage aus dem Publikum, was daran wissenschaftlich einzigartig sein soll, kam die Antwort: "Na ja, weil es ja weltweit nur ein einziges österreichsiches Gesundheitssystem gibt."
Weniger humorvoll geriet eines der letzten Workshops, das der St. Pöltner Primar der Kinderabeilung Karl Zwiauer moderieren sollte. Zwiauer ist Mitglied in fast allen Impfausschüssen des Landes.
Zuerst kam ein Referat von Elmar Joura zum Nutzen der HPV Impfung, das er mit Beifall und herzlichem Dank quittierte. Als Joura aus dem Publikum mit kritischen Fragen konfrontiert wurde, verfinsterte sich Zwiauers Miene.
Das nächste Referat - die ökonomische Bewertung der HPV-Impfung durch Ingrid Zechmeister - gefiel ihm schon wesentlich weniger. Er kritisierte, dass hier neben allen ökonomischen Details ja wohl viel zu wenig auf die Lebensqualität geachtet worden sei. Und es dem Ministerium, das diese Arbeit "bestellt" habe, wohl nur ums Geld gegangen sei. Originell Zwiauers abschließende Anmerkung, dass es die Pocken wohl heute noch gebe, wenn vor 100 Jahren auch so geldgierig argumentiert worden wäre.
Endgültig futsch war Zwiauers gute Laune, als die Impfexpertin des Robert Koch Institutes Miriam Wiese-Posselt über ihre Evidenz-basierte Evaluation der Rotavirenimpfung referierte.
Diese Analyse mündete in dem Ergebnis, dass das Gesundheitssystem für einen in die Gratis-Rotavirus-Impfung investierten Euro gerade mal 37 Cent an Kostenersparnis zurück bekäme.
Dies und die weitgehende Harmlosigkeit der Rotavirus-Erkrankung war für Deutschland ausschlaggebend, die Impfung nicht ins öffentliche Programm zu nehmen.
Da Österreich - auch auf den Rat Zwiauers und anderer österr. Impfexperten hin - hier zu einer ganz anderen Empfehlung gekommen ist, war er sauer und würgte eine aufkommende Diskussion gleich mit seinem Statement ab, dass in Österreich ganz andere Bedingungen herrschten und deshalb die wissenschaftliche Auswertung auch ganz klar die ökonomische Sinnhaftigkeit der Rotavirus-Impfung ergeben habe. Als Beweis nannte er, dass an seiner Abteilung in St. Pölten 20 bis 25 Prozent weniger Kinder aufgenommen werden mussten.
Als Claudia Wild, die Leiterin des Ludwig Boltzmann Institutes für HTA aus dem Publikum wissen wollte, auf welche wissenschaftliche Arbeit er sich hier konkret beziehe, reagierte Zwiauer schroff und beendete das Workshop.
Daraufhin ging Claudia Wild auf das Podium und stellte Karl Zwiauer zur Rede. Die Diskussion kam allerdings gar nicht erst zustande, weil Zwiauer der ansonsten recht wortgewaltigen Wild entgegenschleuderte, er spreche nicht mit Halbgebildeteten.
Hier ein Schnappschuss, der diese Szene ganz gut illustriert:
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