Donnerstag, 7. Februar 2008
Überraschung in Diabetiker-Studie
Ganz sind die Zeiten noch nicht vorbei, als Cholesterin als Killer schlechthin verschrien war. Aber fast. Sojaquark, Herz-Margarine und Magermilch galten damals als Hilfsmittel, den Spiegel des "lautlosen Killers" so weit als möglich zu drücken. Diese Weisheit wurde zunehmend erschüttert, als sich in den Studien keine Erfolge dieser doch so logischen und plausiblen Strategie zeigten und speziell bei Älteren niedrige Cholesterinwerte eher auf den nahen Tod als auf einen Erfolg der Therapie hinwiesen.

Die Hochblüte dieser Cholesterin-Hysterie mit ihrem Low-Fat-Hype liegt nun schon gut ein Jahrzehnt zurück. Aggressive Statin-Therapie gilt nicht mehr als besonders mutige, sondern eher als besonders blöde Option. Zu niedriges HDL-Cholesterin wird heute als ernsteres Problem angesehen als zu hohes LDL. Und dass Butter gesünder ist als Margarine weiß man spätestens seit der Trans-Fett Diskussion.

Den besten Überblick zur Entstehung dieses Hypes in den USA lieferte der Journalist Gary Taubes, der mit seinen Milestone-Veröffentlichungen in Science und New York Times hier den entscheidenden Umschwung einleitete.
http://people.bu.edu/sobieraj/nutrition/fat_science3_30_01.html
http://query.nytimes.com/gst/fullpage.html?res=9F04E2D61F3EF934A35754C0A9649C8B63&sec=&spon=&pagewanted=all

Nun zeichnet sich dasselbe Phänomen auch bei der aggressiven Blutzucker-Senkung ab. Eine große Studie des NIH wurde nun teilweise abgebrochen, weil sich in jenem Arm, wo die Blutzucker-Werte über Gabe von Insulin und Medikamenten auf das Niveau Gesunder abgesenkt wurden, signifikant mehr Todesfälle ergaben.
Ein medizinisches Dogma, das seit 50 Jahren unangefochten gilt, wankt nun. Kann es denn ungesund sein, den erwiesen ungesunden Zuckerspiegel auf ein gesundes Niveau zu senken? Das klingt völlig absurd.

Ich halte das hingegen für gar nicht so abwegig. Zum einen hat es ja einen Grund, warum der Zuckerspiegel bei "Altersdiabetes" so hoch ist. Am mangelnden Insulin liegt das nicht. Der Insulinspiegel ist bei Typ 2 Diabetikern normalerweise hoch genug. Viel höher als bei Gesunden. Das Problem ist vielmehr, dass viele Zellen insulinresistent sind und die überschüssige Glukose nicht mehr verwerten können.
Das Spritzen von Insulin ist also nur ein ungesundes Weiterdrehen der Resistenz-Schraube: Vielleicht gelingt es ja, die Glukose mit der vierfachen, fünffachen Überdosis doch noch in die vollkommen Zucker-übersättigten Zellen zu pressen.

Wesentlich sinnvoller wäre es, am anderen Ende anzusetzen: bei der Zufuhr des vielen Zuckers. Stattdessen wird vielfach den Diabetikern gepredigt, sie könnten dank der tollen Therapie weiterhin ein normales Leben führen und ihren normalen Junk essen, solange sie brav ihre Medikamente nehmen.

Dass diese Mittelchen zudem auch nicht ohne sind, zeigte die Diskussion über Avandia. Wie ja die Einführung der Glitazone in die Diabetestherapie ohnehin ein hübsches Beispiel dafür ist, wie man sinnlose Arzneimittel über geschicktes Marketing unter die Leute bringt.


Wer sich über das Rätselraten der Diabetes-Experten zur erwähnten Studie informieren möchte:
Hier gehts zum interessanten Artikel von Gina Kolata:
http://www.nytimes.com/2008/02/07/health/07diabetes.html?ref=health

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