Mittwoch, 11. März 2009
Scienceblogger Tobias reitet für das PEI
Hier im Blog war kürzlich zu lesen, dass das Paul Ehrlich Institut bei zwei Verdachtsfällen schwerer Nebenwirkungen kurz nach der HPV-Impfung mit Gardasil keinen Zusammenhang zur Impfung feststellen konnte. Vor allem deshalb weil…
"…kein biologischer Mechanismus bekannt (ist), der den sehr kurzen zeitlichen Abstand zwischen der Impfung und der Symptomatik (zehn Minuten) als Folge der Impfung erklären könnte."

Bei den Todesfällen, die vor ca. einem Jahr in der Öffentlichkeit diskutiert wurden, hatte es geheißen, der zeitliche Abstand zur Impfung (ca. 3 Wochen) - sei viel zu lange.

Ich habe das so kommentiert:
Bleibt also die Frage, wann ein epileptischer Anfall, eine Bewusstlosigkeit oder ein plötzlicher Todesfall auftreten muss, um von diesen Gutachtern überhaupt als möglicherweise ursächlich anerkannt zu werden.
Eventuell am elften Tag, nachmittags zwischen 14 und 16 Uhr?


Das war dem Biologen Tobias Maier von scienceblogs.de wohl etwas zu sarkastisch. Denn gestern schwang er sich zu einer heroischen Verteidigungsrede für die Entscheidung des Paul Ehrlich Institutes auf.

Ich werde darin als notorischer Impfkritiker attackiert, der wieder mal einen Impfskandal wittert und im übrigen seine "Aluminiummission" reitet.

Wahr ist aber laut Scienceblogger Tobias folgendes:

Ursächlich anerkannt werden kann nur etwas, das als Ursache in Frage kommt. Es ist aber ausgeschlossen, dass die Impfung die Ursache für die Befunde der zwei Mädchen ist. Bei über einer Million verabreichter Impfdosen ist es rein statistisch eben möglich, dass zwei Mädchen ins Krankenhaus müssen, die kurz zuvor geimpft worden sind.

Tja, so ist das also.

Als nächstes brät er mir gleich noch eins drüber:
Ich hatte hier im Blog kritisiert, dass in den Studien zu Gardasil (so wie übrigens auch in den Studien zum zweiten HPV-Impfstoff Cervarix) nur in einer sehr kleinen Gruppe eine wirkliche Placebo-Impfung (eine physiologische Salzlösung) verwendet worden ist. Bei der Mehrzahl der Gardasil Studien enthielt hingegen die "Placebo-Impfung" die, wie ich schrieb, "bekannt nebenwirkungsreichen Aluminium-haltigen Hilfsstoffe".

Auch das hätte ich nullo verstanden, schreibt Tobias, ich führte hier eine "an den Haaren herbeigezogene Kampagne".
Wissenschaftliche Placebo-Studien funktionierten nämlich genau so:

Auf einer Informationsseite des Paul-Ehrlich-Instituts zur HPV-Impfung wird erklärt, was ein Placebo ist: Entweder dem Placebo fehlt der Impfwirkstoff (wie im Falle der HPV-Studie), oder es enthält einen anderen Impfstoff, so dass die Kontrollgruppe ebenfalls einen Nutzen von der Teilnahme an der Studie hat.

Ich habe Tobias daraufhin drei Fragen gestellt, die ich Euch hier nicht vorenthalten möchte:

1. Frage: Warum wurde dann in den Gardasil-Zulassungsstudien überhaupt gegen ein neutrales Salzwasser-Placebo getestet? (Reisinger KS et al 2007) Geschah das aus Schlamperei? War es gar ein Kunstfehler?
(nähere Info zu dieser Studie hier: )

2. Frage: Wenn ich im Großteil der Studien die bekannt nebenwirkungsreichen Adjuvantien auch in der Placebogruppe verwende, wie kann ich dann überhaupt Aussagen über die Sicherheit und Verträglichkeit des Impfstoffes machen. Es wird ja später den Mädchen der gesamte Impfstoff geimpft - und nicht nur das HPV-Antigen.

3. Frage: Wenn es zulässig und wissenschaftlich erstklassig ist, einen Impfstoff gegen einen völlig anderen Impfstoff als Placebo zu testen (z.B. Influenza gegen FSME). Wie lautete dann die wissenschaftliche Interpretation der Resultate, wenn der FSME Impfstoff bei doppelt so vielen Studienteilnehmern hohes Fieber erzeugt?
- Influenza Impfstoff verursacht nur halb so viele Nebenwirkungen wie Placebo
oder gar: "Influenza Impfstoff senkt das Fieberrisiko signifikant"

Anstatt einer Antwort schrieb Tobias folgendes:

Bert,
die Frage ist: Geht es um lokale Schmerzen und Rötungen an der Einstichstelle für ein paar Tage, oder geht es um einen wirksamen Impfschutz für Jahrzehnte.
Adjuvantien werden dem Impfstoff nicht beigemischt, um Patienten zu schaden, sondern um die Immunantwort zu steigern. Dies wird seit langem so gemacht und ist hervorragend untersucht.
Ohne Adjuvantien müsste wohl entweder häufiger geimpft werden, um einen effektiven Schutz herzustellen, oder der Schutz würde nur bei einem Teil der geimpften vorhanden sein. Das kann nicht das Ziel einer Impfaktion sein.



Ich habe ihm das geantwortet:

Das hoffe ich auch sehr, Tobias, dass die Adjuvantien den Geimpften nicht schaden.

Dass es dabei bloß um lokale Reaktionen geht, die nach kurzem vorbei sind, ist ein frommer Wunsch. Dass dies hervorragend untersucht ist, ebenfalls.

Was immunologisch dabei im Detail abgeht, liegt nämlich weitgehend im dunkeln.

Erster Satz aus einer Arbeit (Kool M et al. DOI: 10.1084/jem.20071087) die kürzlich einen wesentlichen Mechanismus Aluminiumhaltiger Adjuvantien entdeckte:
"Alum (aluminum hydroxide) is the most widely used adjuvant in human vaccines, but the mechanism of its adjuvanticity remains unknown."

Das "Hochtunen" des Immunsystems, so das Hauptergebnis dieser Arbeit funktioniert über die Freisetzung von Harnsäure durch nekrotische Zellen an an der Einstichstelle
Zitat:
"Uric acid is released by necrotic cells and alum has
been shown to induce a considerable degree of necrosis. It is
well known that alum injection i.p. leads to cell death and,
when injected into muscle alum leads to myofascitis."

Weiters unterliegst Du einem Irrtum, wenn Du meinst, dass die Impfungen ohne Adjuvantien ebenso wirken würden (nur halt nicht ganz so lange). Etwa zwei Drittel der heute verwendeten Impfstoffe enthalten Aluminium-haltige Adjuvantien. Und die meisten dieser Impfungen würden ohne diese Hilfsstoffe GAR NICHT wirken.

Falls Dich das Thema Gardasil und das problematische Design in den Zulassungsstudien wirklich interessieren, so investiere doch mal ein wenig Zeit und sieh Dir das im Detail an.

In den Produktinformationen des Herstellers Merck zu den Autoimmunstörungen (Table 5: "Summary of Girls and Women 9 Through 26 Years of Age Who Reported an Incident Condition Potentially Indicative of Systemic Autoimmune Disorder After Enrollment in Clinical Trials of GARDASIL Regardless of Causality") werden 245 Fälle in der Gardasil-Gruppe (N=10.706) aufgelistet und 218 Fälle in der Placebogruppe (N=9.412).
Das seien 2,3 Prozent der Studienteilnehmer in der Gardasil-Gruppe und 2,3 Prozent - also exakt gleich viele - in der Placebogruppe, lautete der beruhigende Schluss.

Ein Anteil von Verdachtsfällen für systemische autoimmune Störungen von 2,3 % innerhalb einer Beobachtungszeit von gerade mal einem Jahr?!

Für mich klingt das ganz und gar nicht beruhigend. Und ich hätte mich wohler gefühlt, wenn die gesamte Studienpopulation gegen ein Placebo mit neutraler Salzlösung getestet worden wäre.

Bei diesen Verdachtsfällen handelt es sich nämlich nicht um ein paar simple Rötungen an der Einstichstelle, die nach wenigen Tagen wieder gut sind, sondern u.a. um Fälle von Systemischem Lupus, Autoimmuner Thyroiditis, Psoriasis, Multipler Sklerose oder Rheumatoider Arthritis.

PS: in der Studiengruppe mit Salzwasser-Placebo (N=584) wurden im Zeitraum von 18 Monaten keine ernsthaften Autoimmunstörungen beobachtet.

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